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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Der englische Vertrag.
Landes zu reisen und den Yan-tse zu befahren, wieder zurück-
genommen. Am 24. Juni hatten die Commissare noch einen harten
Kampf darüber mit Herrn Bruce, welcher nicht nachgab. Man liess
die englischen und die chinesischen Exemplare vorbereiten und am
26. Juni sollte die Unterzeichnung stattfinden. Da baten aber Kwei-
lian
und Wa-sana die Gesandten der anderen Mächte um Verwendung
bei Lord Elgin, weil nach einem eben eingegangenen Erlass ihnen
nicht nur Degradirung, sondern der Tod drohe, wenn sie jene For-
derungen gewährten. Die zu gleicher Zeit auftauchenden Gerüchte von
Ki-yin's Schicksal eigneten sich wohl, dem Anspruch an Lord
Elgin's Barmherzigkeit Nachdruck zu geben. Zudem stand er mit
seinen Forderungen allein; Baron Gros hatte solche für Frankreich
nicht gestellt, konnte also auch nicht mit Waffengewalt dafür ein-
treten. Das Aufgeben derselben machte aber die anderen Vortheile
fast illusorisch; denn ein haltbarer Zustand war nur von directen
Beziehungen zu den Behörden in Pe-kin, ein erheblicher Aufschwung
des Handels nur von unmittelbarem Verkehr mit den Producenten und
Consumenten im Inneren des Landes zu erwarten. Deshalb beharrte
der englische Botschafter trotz der kritischen Lage, in welche die
Isolirung ihn versetzte, auf seinen Forderungen und beauftragte
Herrn Bruce am 26. Juni Morgens, deren Erfüllung in peremtori-
scher Sprache zu verlangen. Er glaubte die Commissare am besten
vor dem kaiserlichen Zorn zu sichern, wenn er sie zu zwingen
schiene. Kwei-lian und Wa-sana überzeugten sich nun von der
Fruchtlosigkeit ihres Widerstandes und unterzeichneten am Nach-
mittage des 26. Juni den Vertrag in demselben Tempel vor der
Stadt, wo sie die Botschafter empfangen hatten.

Neben jenen beiden enthielt der englische Vertrag noch
andere wichtige Zugeständnisse: zunächst die Freigebung von Niu-
tswan
in der Mandschurei, Ten-tsau in San-tun und mehreren
Häfen am Yan-tse-kian, darunter Han-kau, dem grössten Stapel-
platz des chinesischen Binnenhandels; dann die Regelung der Transit-
Abgaben, welche stets zu Collisionen geführt hatten. -- Der Schaden-
ersatz für die Verluste in Kan-ton wurde auf 2,000,000 Tael,
etwa 650,000 Pf. St., festgestellt und ausserdem die Zahlung einer
gleichen Summe für Kriegskosten stipulirt. Bis zur Tilgung dieser
Summen sollte Kan-ton besetzt bleiben.

Wie Pottinger nach Abschluss des Vertrages von Nan-kin,
so verlangte jetzt auch Lord Elgin die ausdrückliche Bestätigung

Der englische Vertrag.
Landes zu reisen und den Yaṅ-tse zu befahren, wieder zurück-
genommen. Am 24. Juni hatten die Commissare noch einen harten
Kampf darüber mit Herrn Bruce, welcher nicht nachgab. Man liess
die englischen und die chinesischen Exemplare vorbereiten und am
26. Juni sollte die Unterzeichnung stattfinden. Da baten aber Kwei-
liaṅ
und Wa-šana die Gesandten der anderen Mächte um Verwendung
bei Lord Elgin, weil nach einem eben eingegangenen Erlass ihnen
nicht nur Degradirung, sondern der Tod drohe, wenn sie jene For-
derungen gewährten. Die zu gleicher Zeit auftauchenden Gerüchte von
Ki-yiṅ’s Schicksal eigneten sich wohl, dem Anspruch an Lord
Elgin’s Barmherzigkeit Nachdruck zu geben. Zudem stand er mit
seinen Forderungen allein; Baron Gros hatte solche für Frankreich
nicht gestellt, konnte also auch nicht mit Waffengewalt dafür ein-
treten. Das Aufgeben derselben machte aber die anderen Vortheile
fast illusorisch; denn ein haltbarer Zustand war nur von directen
Beziehungen zu den Behörden in Pe-kiṅ, ein erheblicher Aufschwung
des Handels nur von unmittelbarem Verkehr mit den Producenten und
Consumenten im Inneren des Landes zu erwarten. Deshalb beharrte
der englische Botschafter trotz der kritischen Lage, in welche die
Isolirung ihn versetzte, auf seinen Forderungen und beauftragte
Herrn Bruce am 26. Juni Morgens, deren Erfüllung in peremtori-
scher Sprache zu verlangen. Er glaubte die Commissare am besten
vor dem kaiserlichen Zorn zu sichern, wenn er sie zu zwingen
schiene. Kwei-liaṅ und Wa-šana überzeugten sich nun von der
Fruchtlosigkeit ihres Widerstandes und unterzeichneten am Nach-
mittage des 26. Juni den Vertrag in demselben Tempel vor der
Stadt, wo sie die Botschafter empfangen hatten.

Neben jenen beiden enthielt der englische Vertrag noch
andere wichtige Zugeständnisse: zunächst die Freigebung von Niu-
tšwaṅ
in der Mandschurei, Teṅ-tšau in Šan-tuṅ und mehreren
Häfen am Yaṅ-tse-kiaṅ, darunter Han-kau, dem grössten Stapel-
platz des chinesischen Binnenhandels; dann die Regelung der Transit-
Abgaben, welche stets zu Collisionen geführt hatten. — Der Schaden-
ersatz für die Verluste in Kan-ton wurde auf 2,000,000 Tael,
etwa 650,000 Pf. St., festgestellt und ausserdem die Zahlung einer
gleichen Summe für Kriegskosten stipulirt. Bis zur Tilgung dieser
Summen sollte Kan-ton besetzt bleiben.

Wie Pottinger nach Abschluss des Vertrages von Nan-kiṅ,
so verlangte jetzt auch Lord Elgin die ausdrückliche Bestätigung

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[251/0273] Der englische Vertrag. Landes zu reisen und den Yaṅ-tse zu befahren, wieder zurück- genommen. Am 24. Juni hatten die Commissare noch einen harten Kampf darüber mit Herrn Bruce, welcher nicht nachgab. Man liess die englischen und die chinesischen Exemplare vorbereiten und am 26. Juni sollte die Unterzeichnung stattfinden. Da baten aber Kwei- liaṅ und Wa-šana die Gesandten der anderen Mächte um Verwendung bei Lord Elgin, weil nach einem eben eingegangenen Erlass ihnen nicht nur Degradirung, sondern der Tod drohe, wenn sie jene For- derungen gewährten. Die zu gleicher Zeit auftauchenden Gerüchte von Ki-yiṅ’s Schicksal eigneten sich wohl, dem Anspruch an Lord Elgin’s Barmherzigkeit Nachdruck zu geben. Zudem stand er mit seinen Forderungen allein; Baron Gros hatte solche für Frankreich nicht gestellt, konnte also auch nicht mit Waffengewalt dafür ein- treten. Das Aufgeben derselben machte aber die anderen Vortheile fast illusorisch; denn ein haltbarer Zustand war nur von directen Beziehungen zu den Behörden in Pe-kiṅ, ein erheblicher Aufschwung des Handels nur von unmittelbarem Verkehr mit den Producenten und Consumenten im Inneren des Landes zu erwarten. Deshalb beharrte der englische Botschafter trotz der kritischen Lage, in welche die Isolirung ihn versetzte, auf seinen Forderungen und beauftragte Herrn Bruce am 26. Juni Morgens, deren Erfüllung in peremtori- scher Sprache zu verlangen. Er glaubte die Commissare am besten vor dem kaiserlichen Zorn zu sichern, wenn er sie zu zwingen schiene. Kwei-liaṅ und Wa-šana überzeugten sich nun von der Fruchtlosigkeit ihres Widerstandes und unterzeichneten am Nach- mittage des 26. Juni den Vertrag in demselben Tempel vor der Stadt, wo sie die Botschafter empfangen hatten. Neben jenen beiden enthielt der englische Vertrag noch andere wichtige Zugeständnisse: zunächst die Freigebung von Niu- tšwaṅ in der Mandschurei, Teṅ-tšau in Šan-tuṅ und mehreren Häfen am Yaṅ-tse-kiaṅ, darunter Han-kau, dem grössten Stapel- platz des chinesischen Binnenhandels; dann die Regelung der Transit- Abgaben, welche stets zu Collisionen geführt hatten. — Der Schaden- ersatz für die Verluste in Kan-ton wurde auf 2,000,000 Tael, etwa 650,000 Pf. St., festgestellt und ausserdem die Zahlung einer gleichen Summe für Kriegskosten stipulirt. Bis zur Tilgung dieser Summen sollte Kan-ton besetzt bleiben. Wie Pottinger nach Abschluss des Vertrages von Nan-kiṅ, so verlangte jetzt auch Lord Elgin die ausdrückliche Bestätigung

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/273>, abgerufen am 27.04.2024.