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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Verträge der Neutralen.
welche alle drei Jahre erfolgt, -- sollte er eingekerkert bleiben.
Dieser Spruch hätte seine Begnadigung nicht ausgeschlossen;
Hien-fun "milderte" ihn aber dahin, dass Ki-yin sich sofort zu
entleiben habe. Das dieses Urtheil motivirende Decret wurde dem-
selben von zwei kaiserlichen Commissaren zugestellt, in deren Ge-
genwart er den Giftbecher trank. Die Fremden in Tien-tsin er-
fuhren den Hergang noch vor Ende des Monats durch die amt-
liche Zeitung von Pe-kin, welche auch jenes Decret wiedergab.102)

Die Vertragsarbeiten der Neutralen hatten unterdess guten
Fortgang. Am 14. Juni wurde der russische Vertrag mit folgenden
neuen Zugeständnissen unterzeichnet: Der russische Minister des
Auswärtigen sollte auf dem Fusse der Gleichstellung mit dem ersten
Minister des grossen Staatsrathes in Pe-kin verkehren, und Russland
befugt sein, bei besonderem Anlass diplomatische Agenten dahin zu
senden; russische Missionare sollten mit Pässen im ganzen Reiche
umherreisen dürfen; ausser den schon geöffneten Häfen sollten
Swa-tau, ferner ein Hafen auf Formosa und einer auf Hae-nan
dem Handel offen stehen. Aehnlich lautete der vier Tage
später unterzeichnete Vertrag mit America. Beide enthielten die
Clausel der "meistbegünstigten Nation", welche den Russen und
Americanern jedes künftig anderen Völkern zu gewährende Vor-
recht sicherte. -- Ein Jahr vorher waren die Commissare beider
Staaten mit Anträgen von weit geringerem Belang abgewiesen
worden; sie erklärten unumwunden, dass sie ihre Erfolge nur dem
durch die Alliirten geübten Druck zu danken hätten.

Die einzelnen Bestimmungen des englischen Vertrages führ-
ten zu lebhaften Erörterungen. In dem erwähnten Schreiben vom
11. Juni erklärten die chinesischen Commissare, dass gegen den
bleibenden Aufenthalt eines Gesandten in Pe-kin eigentlich nichts
einzuwenden sei; wegen der gegenwärtigen Collisionen sei es aber
besser, wenn derselbe in Tien-tsin verweile, während ihm sein
amtlicher Wohnsitz in Pe-kin angewiesen werden möchte. Auf
Grund dieses Zugeständnisses wurde weiter verhandelt; am 21. Juni
aber zogen die Chinesen dasselbe zurück; ein kaiserliches Decret
gebiete ihnen, Lord Elgin zum Aufgeben jener Forderung zu ver-
mögen; "der Norden sei kalt und staubig, für Fremde unerträglich".
Auch wurden die Freigebung von Tsin-kian, das Recht, im Innern des

102) Das Decret ist mitgetheilt bei Oliphant, Narrative of the Earl of Elgins
Mission to China. I. 370.

Verträge der Neutralen.
welche alle drei Jahre erfolgt, — sollte er eingekerkert bleiben.
Dieser Spruch hätte seine Begnadigung nicht ausgeschlossen;
Hien-fuṅ »milderte« ihn aber dahin, dass Ki-yiṅ sich sofort zu
entleiben habe. Das dieses Urtheil motivirende Decret wurde dem-
selben von zwei kaiserlichen Commissaren zugestellt, in deren Ge-
genwart er den Giftbecher trank. Die Fremden in Tien-tsin er-
fuhren den Hergang noch vor Ende des Monats durch die amt-
liche Zeitung von Pe-kiṅ, welche auch jenes Decret wiedergab.102)

Die Vertragsarbeiten der Neutralen hatten unterdess guten
Fortgang. Am 14. Juni wurde der russische Vertrag mit folgenden
neuen Zugeständnissen unterzeichnet: Der russische Minister des
Auswärtigen sollte auf dem Fusse der Gleichstellung mit dem ersten
Minister des grossen Staatsrathes in Pe-kiṅ verkehren, und Russland
befugt sein, bei besonderem Anlass diplomatische Agenten dahin zu
senden; russische Missionare sollten mit Pässen im ganzen Reiche
umherreisen dürfen; ausser den schon geöffneten Häfen sollten
Swa-tau, ferner ein Hafen auf Formosa und einer auf Hae-nan
dem Handel offen stehen. Aehnlich lautete der vier Tage
später unterzeichnete Vertrag mit America. Beide enthielten die
Clausel der »meistbegünstigten Nation«, welche den Russen und
Americanern jedes künftig anderen Völkern zu gewährende Vor-
recht sicherte. — Ein Jahr vorher waren die Commissare beider
Staaten mit Anträgen von weit geringerem Belang abgewiesen
worden; sie erklärten unumwunden, dass sie ihre Erfolge nur dem
durch die Alliirten geübten Druck zu danken hätten.

Die einzelnen Bestimmungen des englischen Vertrages führ-
ten zu lebhaften Erörterungen. In dem erwähnten Schreiben vom
11. Juni erklärten die chinesischen Commissare, dass gegen den
bleibenden Aufenthalt eines Gesandten in Pe-kiṅ eigentlich nichts
einzuwenden sei; wegen der gegenwärtigen Collisionen sei es aber
besser, wenn derselbe in Tien-tsin verweile, während ihm sein
amtlicher Wohnsitz in Pe-kiṅ angewiesen werden möchte. Auf
Grund dieses Zugeständnisses wurde weiter verhandelt; am 21. Juni
aber zogen die Chinesen dasselbe zurück; ein kaiserliches Decret
gebiete ihnen, Lord Elgin zum Aufgeben jener Forderung zu ver-
mögen; »der Norden sei kalt und staubig, für Fremde unerträglich«.
Auch wurden die Freigebung von Tšin-kiaṅ, das Recht, im Innern des

102) Das Decret ist mitgetheilt bei Oliphant, Narrative of the Earl of Elgins
Mission to China. I. 370.
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[250/0272] Verträge der Neutralen. welche alle drei Jahre erfolgt, — sollte er eingekerkert bleiben. Dieser Spruch hätte seine Begnadigung nicht ausgeschlossen; Hien-fuṅ »milderte« ihn aber dahin, dass Ki-yiṅ sich sofort zu entleiben habe. Das dieses Urtheil motivirende Decret wurde dem- selben von zwei kaiserlichen Commissaren zugestellt, in deren Ge- genwart er den Giftbecher trank. Die Fremden in Tien-tsin er- fuhren den Hergang noch vor Ende des Monats durch die amt- liche Zeitung von Pe-kiṅ, welche auch jenes Decret wiedergab. 102) Die Vertragsarbeiten der Neutralen hatten unterdess guten Fortgang. Am 14. Juni wurde der russische Vertrag mit folgenden neuen Zugeständnissen unterzeichnet: Der russische Minister des Auswärtigen sollte auf dem Fusse der Gleichstellung mit dem ersten Minister des grossen Staatsrathes in Pe-kiṅ verkehren, und Russland befugt sein, bei besonderem Anlass diplomatische Agenten dahin zu senden; russische Missionare sollten mit Pässen im ganzen Reiche umherreisen dürfen; ausser den schon geöffneten Häfen sollten Swa-tau, ferner ein Hafen auf Formosa und einer auf Hae-nan dem Handel offen stehen. Aehnlich lautete der vier Tage später unterzeichnete Vertrag mit America. Beide enthielten die Clausel der »meistbegünstigten Nation«, welche den Russen und Americanern jedes künftig anderen Völkern zu gewährende Vor- recht sicherte. — Ein Jahr vorher waren die Commissare beider Staaten mit Anträgen von weit geringerem Belang abgewiesen worden; sie erklärten unumwunden, dass sie ihre Erfolge nur dem durch die Alliirten geübten Druck zu danken hätten. Die einzelnen Bestimmungen des englischen Vertrages führ- ten zu lebhaften Erörterungen. In dem erwähnten Schreiben vom 11. Juni erklärten die chinesischen Commissare, dass gegen den bleibenden Aufenthalt eines Gesandten in Pe-kiṅ eigentlich nichts einzuwenden sei; wegen der gegenwärtigen Collisionen sei es aber besser, wenn derselbe in Tien-tsin verweile, während ihm sein amtlicher Wohnsitz in Pe-kiṅ angewiesen werden möchte. Auf Grund dieses Zugeständnisses wurde weiter verhandelt; am 21. Juni aber zogen die Chinesen dasselbe zurück; ein kaiserliches Decret gebiete ihnen, Lord Elgin zum Aufgeben jener Forderung zu ver- mögen; »der Norden sei kalt und staubig, für Fremde unerträglich«. Auch wurden die Freigebung von Tšin-kiaṅ, das Recht, im Innern des 102) Das Decret ist mitgetheilt bei Oliphant, Narrative of the Earl of Elgins Mission to China. I. 370.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/272>, abgerufen am 25.11.2024.