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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Ki-yin's Denkschrift.
und Lay zu den Bevollmächtigten, wo Ki-yin grade anwesend
war. Die Secretäre erklärten, dass eine eben an den Botschafter
ergangene Mittheilung in Geist und Haltung ganz anders, als nach
den früheren Zusagen erwartet werden durfte, und durchaus nicht
geeignet sei als Grundlage zu den Verhandlungen zu dienen.
Kwei-lian und Wa-sana antworteten, so deutlich in Gegenwart
des Ki-yin nur geschehen konnte, dass dieser den Inhalt der Note
verantworten müsse. Herr Wade erwiederte, Lord Elgin könne
zwar dem Kaiser keine Vorschriften machen für die Wahl seiner
Bevollmächtigten; Glaubwürdigkeit und ehrenhafte Gesinnung seien
aber nothwendige Erfordernisse zu Erledigung der schwebenden
Fragen, und es könne keiner Parthei Vortheil bringen, wenn eine
in dieser Rücksicht verdächtige Person auf die Verhandlungen
Einfluss übe. Er übergab darauf den Bevollmächtigten eine Ab-
schrift der in Yi's Archiven gefundenen Eingabe Ki-yin's an den
Kaiser, welche Wa-sana mit gedämpfter Stimme vorlas. Dieses
Document spiegelt zu treu die Auffassung der Chinesen, um nicht
hier im vollen Wortlaut wiedergegeben zu werden.

Der Knecht Ki-yin überreicht dem Throne knieend eine er-
gänzende Denkschrift. Die Details der Verwaltung in den Angelegen-
heiten der Barbaren-Staaten und die den Umständen angemessene
Behandlung von Barbaren-Gesandten bei ihrem Empfange seinerseits
bildeten den Gegenstand verschiedener Eingaben deines Sclaven.

Nachdem die ergänzenden Handelsbestimmungen auch von ihm
unterhandelt wurden, hatte er die Ehre, die darin enthaltenen Artikel
dem geheiligten Blick deiner Majestät zu unterbreiten, welche das
Finanzministerium beauftragte, dieselben zu prüfen und darüber zu
berichten. Das Alles ist bekannt. Es erinnert aber daran, dass im
17. Mond des 22. Jahres (August 1842) die englischen Barbaren durch
Friedensverträge gebunden wurden. Die Americaner und Franzosen
folgten nach einander im Sommer und Herbst dieses Jahres (1845).
In diesem Zeitraum von drei Jahren gingen die Barbaren-Angelegen-
heiten durch verschiedene Phasen, und im Verhältniss der neuen Ge-
staltung wurde es nothwendig, den Standpunkt zu wechseln und Aen-
derungen zu treffen in den Mitteln, durch welche sie gezügelt und im
Zaum gehalten werden möchten. Man muss sie natürlich gerecht be-
handeln und zu ihrem Gewissen reden; um sie aber in der Hand zu
behalten, ist Schlauheit erforderlich.

In manchen Fällen muss man ihnen Vorschriften machen, aber
ohne Angabe der Gründe; in anderen ist ihre Unruhe nur durch

Ki-yiṅ’s Denkschrift.
und Lay zu den Bevollmächtigten, wo Ki-yiṅ grade anwesend
war. Die Secretäre erklärten, dass eine eben an den Botschafter
ergangene Mittheilung in Geist und Haltung ganz anders, als nach
den früheren Zusagen erwartet werden durfte, und durchaus nicht
geeignet sei als Grundlage zu den Verhandlungen zu dienen.
Kwei-liaṅ und Wa-šana antworteten, so deutlich in Gegenwart
des Ki-yiṅ nur geschehen konnte, dass dieser den Inhalt der Note
verantworten müsse. Herr Wade erwiederte, Lord Elgin könne
zwar dem Kaiser keine Vorschriften machen für die Wahl seiner
Bevollmächtigten; Glaubwürdigkeit und ehrenhafte Gesinnung seien
aber nothwendige Erfordernisse zu Erledigung der schwebenden
Fragen, und es könne keiner Parthei Vortheil bringen, wenn eine
in dieser Rücksicht verdächtige Person auf die Verhandlungen
Einfluss übe. Er übergab darauf den Bevollmächtigten eine Ab-
schrift der in Yi’s Archiven gefundenen Eingabe Ki-yiṅ’s an den
Kaiser, welche Wa-šana mit gedämpfter Stimme vorlas. Dieses
Document spiegelt zu treu die Auffassung der Chinesen, um nicht
hier im vollen Wortlaut wiedergegeben zu werden.

Der Knecht Ki-yiṅ überreicht dem Throne knieend eine er-
gänzende Denkschrift. Die Details der Verwaltung in den Angelegen-
heiten der Barbaren-Staaten und die den Umständen angemessene
Behandlung von Barbaren-Gesandten bei ihrem Empfange seinerseits
bildeten den Gegenstand verschiedener Eingaben deines Sclaven.

Nachdem die ergänzenden Handelsbestimmungen auch von ihm
unterhandelt wurden, hatte er die Ehre, die darin enthaltenen Artikel
dem geheiligten Blick deiner Majestät zu unterbreiten, welche das
Finanzministerium beauftragte, dieselben zu prüfen und darüber zu
berichten. Das Alles ist bekannt. Es erinnert aber daran, dass im
17. Mond des 22. Jahres (August 1842) die englischen Barbaren durch
Friedensverträge gebunden wurden. Die Americaner und Franzosen
folgten nach einander im Sommer und Herbst dieses Jahres (1845).
In diesem Zeitraum von drei Jahren gingen die Barbaren-Angelegen-
heiten durch verschiedene Phasen, und im Verhältniss der neuen Ge-
staltung wurde es nothwendig, den Standpunkt zu wechseln und Aen-
derungen zu treffen in den Mitteln, durch welche sie gezügelt und im
Zaum gehalten werden möchten. Man muss sie natürlich gerecht be-
handeln und zu ihrem Gewissen reden; um sie aber in der Hand zu
behalten, ist Schlauheit erforderlich.

In manchen Fällen muss man ihnen Vorschriften machen, aber
ohne Angabe der Gründe; in anderen ist ihre Unruhe nur durch

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[246/0268] Ki-yiṅ’s Denkschrift. und Lay zu den Bevollmächtigten, wo Ki-yiṅ grade anwesend war. Die Secretäre erklärten, dass eine eben an den Botschafter ergangene Mittheilung in Geist und Haltung ganz anders, als nach den früheren Zusagen erwartet werden durfte, und durchaus nicht geeignet sei als Grundlage zu den Verhandlungen zu dienen. Kwei-liaṅ und Wa-šana antworteten, so deutlich in Gegenwart des Ki-yiṅ nur geschehen konnte, dass dieser den Inhalt der Note verantworten müsse. Herr Wade erwiederte, Lord Elgin könne zwar dem Kaiser keine Vorschriften machen für die Wahl seiner Bevollmächtigten; Glaubwürdigkeit und ehrenhafte Gesinnung seien aber nothwendige Erfordernisse zu Erledigung der schwebenden Fragen, und es könne keiner Parthei Vortheil bringen, wenn eine in dieser Rücksicht verdächtige Person auf die Verhandlungen Einfluss übe. Er übergab darauf den Bevollmächtigten eine Ab- schrift der in Yi’s Archiven gefundenen Eingabe Ki-yiṅ’s an den Kaiser, welche Wa-šana mit gedämpfter Stimme vorlas. Dieses Document spiegelt zu treu die Auffassung der Chinesen, um nicht hier im vollen Wortlaut wiedergegeben zu werden. Der Knecht Ki-yiṅ überreicht dem Throne knieend eine er- gänzende Denkschrift. Die Details der Verwaltung in den Angelegen- heiten der Barbaren-Staaten und die den Umständen angemessene Behandlung von Barbaren-Gesandten bei ihrem Empfange seinerseits bildeten den Gegenstand verschiedener Eingaben deines Sclaven. Nachdem die ergänzenden Handelsbestimmungen auch von ihm unterhandelt wurden, hatte er die Ehre, die darin enthaltenen Artikel dem geheiligten Blick deiner Majestät zu unterbreiten, welche das Finanzministerium beauftragte, dieselben zu prüfen und darüber zu berichten. Das Alles ist bekannt. Es erinnert aber daran, dass im 17. Mond des 22. Jahres (August 1842) die englischen Barbaren durch Friedensverträge gebunden wurden. Die Americaner und Franzosen folgten nach einander im Sommer und Herbst dieses Jahres (1845). In diesem Zeitraum von drei Jahren gingen die Barbaren-Angelegen- heiten durch verschiedene Phasen, und im Verhältniss der neuen Ge- staltung wurde es nothwendig, den Standpunkt zu wechseln und Aen- derungen zu treffen in den Mitteln, durch welche sie gezügelt und im Zaum gehalten werden möchten. Man muss sie natürlich gerecht be- handeln und zu ihrem Gewissen reden; um sie aber in der Hand zu behalten, ist Schlauheit erforderlich. In manchen Fällen muss man ihnen Vorschriften machen, aber ohne Angabe der Gründe; in anderen ist ihre Unruhe nur durch

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/268>, abgerufen am 28.04.2024.