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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Einnahme der Ta-ku-Forts.
möchten nur kommen. Für die Nacht ankerte aber die Flottille
ausser Schussweite. Am 20. Morgens um acht Uhr übergaben die
Flaggenofficiere das Ultimatum der Admiräle, welches für die Räu-
mung der Werke eine Frist von zwei Stunden gewährte. Um zehn
Uhr nahmen die Schiffe Stellung: drei grössere Kanonenboote sollten
die Werke am nördlichen, drei andere diejenigen am südlichen
Flussufer engagiren; hinter ihnen lagen die kleineren mit den Lan-
dungsmannschaften im Schlepptau. Auf das Zeichen zum Angriff
schoss das Kanonenboot Cormorant vorwärts, durchbrach die aus
fünf siebenzölligen Bambuskabeln gefügte Sperrkette und lief in den
Fluss ein; die anderen folgten. Im Augenblick eröffneten die Werke
ein heftiges Feuer. Das der Nordforts verstummte nach achtzehn
Minuten, auf die südlichen Werke dagegen machte das schwere
Geschütz der Schiffe wenig Eindruck. Gegen elf gingen die Ad-
miräle mit den Landungstruppen den Fluss hinauf, landeten ober-
halb der südlichen Batterieen und liessen sie in der Flanke stürmen.
Als der erste Matrose hineinsprang, liefen die Chinesen so schnell-
füssig davon, dass die Engländer nicht folgen konnten. Die Werke
gewährten der Besatzung vollen Schutz gegen jeden Angriff von der
Wasserseite, waren aber damals sämmtlich nach der Landseite offen
und wurden nun schnell besetzt. Der Commandant entleibte sich.
-- Die Garnison der Nordforts hatte sich auf zwei verschanzte Lager
zurückgezogen, welche eine starke Batterie deckte. Französische
Mannschaften stürmten diese in der Flanke, und nun war in den
Lagern, wo auch Cavallerie stand, kein Halten mehr. Die Truppen
besetzten noch an demselben Abend den grossen Flecken Ta-ku auf
dem Südufer und fanden freundliche Aufnahme bei den Bewohnern.
Viele Dschunken waren hier quer über den Fluss geankert und
sperrten den Kanonenbooten den Weg; chinesische Soldaten gab
es weit und breit nicht mehr.

Am 21. Mai war Ruhetag. Am Morgen des 22. durchbrachen
die Kanonenboote den Dschunkenknäuel und gingen den Fluss hin-
auf. Die erschrockene Bevölkerung fasste bald Vertrauen und zeigte
sich sehr dienstfertig. Die Admiräle liessen alles am Ufer aufge-
häufte Stroh verbrennen, damit es nicht zu Herstellung von Bran-
dern diene, und sandten alle Dschunken auf die Rhede hinaus,
damit sie den Fluss nicht sperrten. Eine Reiterschaar, die sich in
einiger Entfernung vom Ufer zeigte, erhielt einige Granaten und stob
auseinander. Berittene Mandarinen winkten den Kanonenbooten

Einnahme der Ta-ku-Forts.
möchten nur kommen. Für die Nacht ankerte aber die Flottille
ausser Schussweite. Am 20. Morgens um acht Uhr übergaben die
Flaggenofficiere das Ultimatum der Admiräle, welches für die Räu-
mung der Werke eine Frist von zwei Stunden gewährte. Um zehn
Uhr nahmen die Schiffe Stellung: drei grössere Kanonenboote sollten
die Werke am nördlichen, drei andere diejenigen am südlichen
Flussufer engagiren; hinter ihnen lagen die kleineren mit den Lan-
dungsmannschaften im Schlepptau. Auf das Zeichen zum Angriff
schoss das Kanonenboot Cormorant vorwärts, durchbrach die aus
fünf siebenzölligen Bambuskabeln gefügte Sperrkette und lief in den
Fluss ein; die anderen folgten. Im Augenblick eröffneten die Werke
ein heftiges Feuer. Das der Nordforts verstummte nach achtzehn
Minuten, auf die südlichen Werke dagegen machte das schwere
Geschütz der Schiffe wenig Eindruck. Gegen elf gingen die Ad-
miräle mit den Landungstruppen den Fluss hinauf, landeten ober-
halb der südlichen Batterieen und liessen sie in der Flanke stürmen.
Als der erste Matrose hineinsprang, liefen die Chinesen so schnell-
füssig davon, dass die Engländer nicht folgen konnten. Die Werke
gewährten der Besatzung vollen Schutz gegen jeden Angriff von der
Wasserseite, waren aber damals sämmtlich nach der Landseite offen
und wurden nun schnell besetzt. Der Commandant entleibte sich.
— Die Garnison der Nordforts hatte sich auf zwei verschanzte Lager
zurückgezogen, welche eine starke Batterie deckte. Französische
Mannschaften stürmten diese in der Flanke, und nun war in den
Lagern, wo auch Cavallerie stand, kein Halten mehr. Die Truppen
besetzten noch an demselben Abend den grossen Flecken Ta-ku auf
dem Südufer und fanden freundliche Aufnahme bei den Bewohnern.
Viele Dschunken waren hier quer über den Fluss geankert und
sperrten den Kanonenbooten den Weg; chinesische Soldaten gab
es weit und breit nicht mehr.

Am 21. Mai war Ruhetag. Am Morgen des 22. durchbrachen
die Kanonenboote den Dschunkenknäuel und gingen den Fluss hin-
auf. Die erschrockene Bevölkerung fasste bald Vertrauen und zeigte
sich sehr dienstfertig. Die Admiräle liessen alles am Ufer aufge-
häufte Stroh verbrennen, damit es nicht zu Herstellung von Bran-
dern diene, und sandten alle Dschunken auf die Rhede hinaus,
damit sie den Fluss nicht sperrten. Eine Reiterschaar, die sich in
einiger Entfernung vom Ufer zeigte, erhielt einige Granaten und stob
auseinander. Berittene Mandarinen winkten den Kanonenbooten

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[242/0264] Einnahme der Ta-ku-Forts. möchten nur kommen. Für die Nacht ankerte aber die Flottille ausser Schussweite. Am 20. Morgens um acht Uhr übergaben die Flaggenofficiere das Ultimatum der Admiräle, welches für die Räu- mung der Werke eine Frist von zwei Stunden gewährte. Um zehn Uhr nahmen die Schiffe Stellung: drei grössere Kanonenboote sollten die Werke am nördlichen, drei andere diejenigen am südlichen Flussufer engagiren; hinter ihnen lagen die kleineren mit den Lan- dungsmannschaften im Schlepptau. Auf das Zeichen zum Angriff schoss das Kanonenboot Cormorant vorwärts, durchbrach die aus fünf siebenzölligen Bambuskabeln gefügte Sperrkette und lief in den Fluss ein; die anderen folgten. Im Augenblick eröffneten die Werke ein heftiges Feuer. Das der Nordforts verstummte nach achtzehn Minuten, auf die südlichen Werke dagegen machte das schwere Geschütz der Schiffe wenig Eindruck. Gegen elf gingen die Ad- miräle mit den Landungstruppen den Fluss hinauf, landeten ober- halb der südlichen Batterieen und liessen sie in der Flanke stürmen. Als der erste Matrose hineinsprang, liefen die Chinesen so schnell- füssig davon, dass die Engländer nicht folgen konnten. Die Werke gewährten der Besatzung vollen Schutz gegen jeden Angriff von der Wasserseite, waren aber damals sämmtlich nach der Landseite offen und wurden nun schnell besetzt. Der Commandant entleibte sich. — Die Garnison der Nordforts hatte sich auf zwei verschanzte Lager zurückgezogen, welche eine starke Batterie deckte. Französische Mannschaften stürmten diese in der Flanke, und nun war in den Lagern, wo auch Cavallerie stand, kein Halten mehr. Die Truppen besetzten noch an demselben Abend den grossen Flecken Ta-ku auf dem Südufer und fanden freundliche Aufnahme bei den Bewohnern. Viele Dschunken waren hier quer über den Fluss geankert und sperrten den Kanonenbooten den Weg; chinesische Soldaten gab es weit und breit nicht mehr. Am 21. Mai war Ruhetag. Am Morgen des 22. durchbrachen die Kanonenboote den Dschunkenknäuel und gingen den Fluss hin- auf. Die erschrockene Bevölkerung fasste bald Vertrauen und zeigte sich sehr dienstfertig. Die Admiräle liessen alles am Ufer aufge- häufte Stroh verbrennen, damit es nicht zu Herstellung von Bran- dern diene, und sandten alle Dschunken auf die Rhede hinaus, damit sie den Fluss nicht sperrten. Eine Reiterschaar, die sich in einiger Entfernung vom Ufer zeigte, erhielt einige Granaten und stob auseinander. Berittene Mandarinen winkten den Kanonenbooten

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/264>, abgerufen am 28.04.2024.