vielfach vom Ufer, um Mittheilungen zu machen, wurden aber nicht beachtet.
Die Vertreibung der Dschunken aus dem Fluss raubte viel Zeit; erst am 26. Mai gelangten die Admiräle nach Tien-tsin. Eine Deputation der angesehensten Bewohner machte sogleich ihre Auf- wartung und erbot sich zu Handelsgeschäften. Von einer politischen Macht ausserhalb China hatten sie keine Ahnung, hielten alle Frem- den für Kaufleute und baten um Waaren- und Preisverzeichnisse; sie wollten trotz dem Verbot der Regierung Alles kaufen und reich- lich bezahlen; dafür möchte man die Stadt schonen. Herr Lay,101) der die Admiräle als Dolmetsch begleitete, machte mit Mühe be- greiflich, dass man keinen Handel, sondern kaiserliche Bevollmäch- tigte wünsche, und dass der Stadt Tien-tsin Unheil drohe, wenn solche nicht erschienen; worauf Jene betheuerten, so lange an den kaiserlichen Palast in Pe-kin klopfen zu wollen, bis der Himmels- sohn sich erweichen liesse: sie hofften, dass Ihre erhabenen Excel- lenzen bis dahin dem angebotenen Mundvorrath zusprechen wollten, liessen eine Ochsen-Heerde an den Fluss treiben und schlachteten sie gleich als Friedensopfer.
Das Erscheinen der Engländer in Tien-tsin that die gehoffte Wirkung. Am 29. Mai erhielt Lord Elgin auf dem Furious ein Schreiben der Commissare Tau, Tsun und Wu mit folgendem kaiserlichen Decret als Einschluss:
"Wir befehlen dem Haupt-Staatssecretär Kwei-lian, und Wa- sana, Präsidenten des Ministerium der Civilverwaltung, sich auf dem Postwege nach Tien-tsin zu verfügen zu Untersuchung und Er- ledigung der Geschäfte. Beachtet Dieses."
Kwei-lian konnte nach Yu als der erste Mann im Reiche gelten; auch Wa-sana zählte unter die vornehmsten Staatsdiener. Noch am Abend des 29. Mai fuhren Lord Elgin und Baron Gros nach Tien-tsin hinauf, wo unterdessen Vorbereitungen für ihren Aufenthalt getroffen waren. Der russische und der americanische Gesandte folgten am 30. Mai und erliessen in Tien-tsin sofort eine Proclamation, dass sie in friedlicher Absicht kämen. Am 3. Juni meldeten die chinesischen Commissare ihre Ankunft und zeigten sich bereit, schon am folgenden Tage die Verhandlungen zu be- ginnen.
101) Herr Lay stand damals als Director des Zollamtes für den fremden Handel in Shang-hae in kaiserlich chinesischen Diensten.
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Die Engländer in Tien-tsin.
vielfach vom Ufer, um Mittheilungen zu machen, wurden aber nicht beachtet.
Die Vertreibung der Dschunken aus dem Fluss raubte viel Zeit; erst am 26. Mai gelangten die Admiräle nach Tien-tsin. Eine Deputation der angesehensten Bewohner machte sogleich ihre Auf- wartung und erbot sich zu Handelsgeschäften. Von einer politischen Macht ausserhalb China hatten sie keine Ahnung, hielten alle Frem- den für Kaufleute und baten um Waaren- und Preisverzeichnisse; sie wollten trotz dem Verbot der Regierung Alles kaufen und reich- lich bezahlen; dafür möchte man die Stadt schonen. Herr Lay,101) der die Admiräle als Dolmetsch begleitete, machte mit Mühe be- greiflich, dass man keinen Handel, sondern kaiserliche Bevollmäch- tigte wünsche, und dass der Stadt Tien-tsin Unheil drohe, wenn solche nicht erschienen; worauf Jene betheuerten, so lange an den kaiserlichen Palast in Pe-kiṅ klopfen zu wollen, bis der Himmels- sohn sich erweichen liesse: sie hofften, dass Ihre erhabenen Excel- lenzen bis dahin dem angebotenen Mundvorrath zusprechen wollten, liessen eine Ochsen-Heerde an den Fluss treiben und schlachteten sie gleich als Friedensopfer.
Das Erscheinen der Engländer in Tien-tsin that die gehoffte Wirkung. Am 29. Mai erhielt Lord Elgin auf dem Furious ein Schreiben der Commissare Tau, Tsuṅ und Wu mit folgendem kaiserlichen Decret als Einschluss:
»Wir befehlen dem Haupt-Staatssecretär Kwei-liaṅ, und Wa- šana, Präsidenten des Ministerium der Civilverwaltung, sich auf dem Postwege nach Tien-tsin zu verfügen zu Untersuchung und Er- ledigung der Geschäfte. Beachtet Dieses.«
Kwei-liaṅ konnte nach Yu als der erste Mann im Reiche gelten; auch Wa-šana zählte unter die vornehmsten Staatsdiener. Noch am Abend des 29. Mai fuhren Lord Elgin und Baron Gros nach Tien-tsin hinauf, wo unterdessen Vorbereitungen für ihren Aufenthalt getroffen waren. Der russische und der americanische Gesandte folgten am 30. Mai und erliessen in Tien-tsin sofort eine Proclamation, dass sie in friedlicher Absicht kämen. Am 3. Juni meldeten die chinesischen Commissare ihre Ankunft und zeigten sich bereit, schon am folgenden Tage die Verhandlungen zu be- ginnen.
101) Herr Lay stand damals als Director des Zollamtes für den fremden Handel in Shang-hae in kaiserlich chinesischen Diensten.
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Die Engländer in Tien-tsin.
vielfach vom Ufer, um Mittheilungen zu machen, wurden aber nicht
beachtet.
Die Vertreibung der Dschunken aus dem Fluss raubte viel
Zeit; erst am 26. Mai gelangten die Admiräle nach Tien-tsin. Eine
Deputation der angesehensten Bewohner machte sogleich ihre Auf-
wartung und erbot sich zu Handelsgeschäften. Von einer politischen
Macht ausserhalb China hatten sie keine Ahnung, hielten alle Frem-
den für Kaufleute und baten um Waaren- und Preisverzeichnisse;
sie wollten trotz dem Verbot der Regierung Alles kaufen und reich-
lich bezahlen; dafür möchte man die Stadt schonen. Herr Lay, 101)
der die Admiräle als Dolmetsch begleitete, machte mit Mühe be-
greiflich, dass man keinen Handel, sondern kaiserliche Bevollmäch-
tigte wünsche, und dass der Stadt Tien-tsin Unheil drohe, wenn
solche nicht erschienen; worauf Jene betheuerten, so lange an den
kaiserlichen Palast in Pe-kiṅ klopfen zu wollen, bis der Himmels-
sohn sich erweichen liesse: sie hofften, dass Ihre erhabenen Excel-
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liessen eine Ochsen-Heerde an den Fluss treiben und schlachteten
sie gleich als Friedensopfer.
Das Erscheinen der Engländer in Tien-tsin that die gehoffte
Wirkung. Am 29. Mai erhielt Lord Elgin auf dem Furious ein
Schreiben der Commissare Tau, Tsuṅ und Wu mit folgendem
kaiserlichen Decret als Einschluss:
»Wir befehlen dem Haupt-Staatssecretär Kwei-liaṅ, und Wa-
šana, Präsidenten des Ministerium der Civilverwaltung, sich auf
dem Postwege nach Tien-tsin zu verfügen zu Untersuchung und Er-
ledigung der Geschäfte. Beachtet Dieses.«
Kwei-liaṅ konnte nach Yu als der erste Mann im Reiche
gelten; auch Wa-šana zählte unter die vornehmsten Staatsdiener.
Noch am Abend des 29. Mai fuhren Lord Elgin und Baron Gros
nach Tien-tsin hinauf, wo unterdessen Vorbereitungen für ihren
Aufenthalt getroffen waren. Der russische und der americanische
Gesandte folgten am 30. Mai und erliessen in Tien-tsin sofort eine
Proclamation, dass sie in friedlicher Absicht kämen. Am 3. Juni
meldeten die chinesischen Commissare ihre Ankunft und zeigten
sich bereit, schon am folgenden Tage die Verhandlungen zu be-
ginnen.
101) Herr Lay stand damals als Director des Zollamtes für den fremden Handel
in Shang-hae in kaiserlich chinesischen Diensten.
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/265>, abgerufen am 16.02.2025.
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