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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Die Engländer in Shang-hae.
Die Chinesen eröffneten das Feuer und schossen besser als bei
allen früheren Treffen; fast alle englischen Schiffe erhielten Kugeln
in den Rumpf und das Takelwerk, sie hatten im Ganzen zwei Todte
und fünfundzwanzig Verwundete. Erst als sie fest geankert lagen,
antworteten die Briten und landeten nach zweistündiger Kanonade
einige hundert Seeleute, welche die Chinesen aus sämmtlichen
Werken trieben. Der Truppen-Commandeur fiel tapfer kämpfend;
Gnu-Ta-dzen floh dagegen zu allererst; die Engländer erbeuteten
in seiner Wohnung viele wichtige Papiere. Sein erster Bericht an
den Kaiser war sehr kurz: "Die Rebellen haben den Weg nach
Wu-son erzwungen; Admiral Tsin ist todt, Pau-san 55) verloren."
In der Folge muss er sich besonnen haben: "Der Truppen-Com-
mandeur hielt sieben Tage Stand, versenkte drei Schiffe, verwun-
dete und tödtete eine Menge Barbaren. Diese aber feuerten von
ihren Masten in die Schanzen und die Stellung wurde unhaltbar."
Der nächste Bericht war noch toller. -- Die Engländer erbeuteten
253 Geschütze, darunter 43 von Bronze. An Mannschaft hatten die
Chinesen geringen Verlust; denn die Erdwerke waren sehr dick,
und beim Angriff liefen die Soldaten davon.

Die Stadt Wu-son ergab sich ohne Widerstand, ebenso
Shang-hae, wohin eine englische Colonne am 19. Juni marschirte,
während ein Theil des Geschwaders den Fluss hinauffuhr. In
den Ufer-Batterieen, die nur wenige Schüsse gaben, fanden sich
noch 111 Kanonen. Chinesische Feldarbeiter halfen den Land-
truppen freiwillig unter fröhlichem Gelächter die Geschütze über
schwierige Stellen des Weges ziehen. In Shang-hae demolirte
das Volk den Ya-mum eines verhassten Mandarinen, der vor den
Engländern fortlief, und empfing diese mit dienstbereiter Freund-
lichkeit. I-li-pu stellte sich dort mit unmöglichen Vorschlägen
ein; er berief sich auf die Freigebung der Gefangenen 56) und
suchte durch dringende Bitten den Feind von weiterem Vorrücken
abzuhalten. Unterdessen fuhr der Dampfer Nemesis jenseit
Shang-hae noch eine Strecke flussaufwärts, ohne Truppen zu
finden. Sein Rauch war aber in der endlosen Fläche auf viele
Meilen sichtbar. Da er nun in einiger Entfernung von der reichen

55) Die Stadt am Yan-tse-kian, bis zu welcher die Verschanzungen reichen.
56) Ki-yin und I-li-pu lieferten als erstes Zeichen ihrer friedlichen Gesinnung
sechszehn Gefangene aus, welche Yi-kin's Streifbanden während des Winters auf-
gehoben hatten.

Die Engländer in Shang-hae.
Die Chinesen eröffneten das Feuer und schossen besser als bei
allen früheren Treffen; fast alle englischen Schiffe erhielten Kugeln
in den Rumpf und das Takelwerk, sie hatten im Ganzen zwei Todte
und fünfundzwanzig Verwundete. Erst als sie fest geankert lagen,
antworteten die Briten und landeten nach zweistündiger Kanonade
einige hundert Seeleute, welche die Chinesen aus sämmtlichen
Werken trieben. Der Truppen-Commandeur fiel tapfer kämpfend;
Gnu-Ta-džen floh dagegen zu allererst; die Engländer erbeuteten
in seiner Wohnung viele wichtige Papiere. Sein erster Bericht an
den Kaiser war sehr kurz: »Die Rebellen haben den Weg nach
Wu-soṅ erzwungen; Admiral Tšiṅ ist todt, Pau-šan 55) verloren.«
In der Folge muss er sich besonnen haben: »Der Truppen-Com-
mandeur hielt sieben Tage Stand, versenkte drei Schiffe, verwun-
dete und tödtete eine Menge Barbaren. Diese aber feuerten von
ihren Masten in die Schanzen und die Stellung wurde unhaltbar.«
Der nächste Bericht war noch toller. — Die Engländer erbeuteten
253 Geschütze, darunter 43 von Bronze. An Mannschaft hatten die
Chinesen geringen Verlust; denn die Erdwerke waren sehr dick,
und beim Angriff liefen die Soldaten davon.

Die Stadt Wu-soṅ ergab sich ohne Widerstand, ebenso
Shang-hae, wohin eine englische Colonne am 19. Juni marschirte,
während ein Theil des Geschwaders den Fluss hinauffuhr. In
den Ufer-Batterieen, die nur wenige Schüsse gaben, fanden sich
noch 111 Kanonen. Chinesische Feldarbeiter halfen den Land-
truppen freiwillig unter fröhlichem Gelächter die Geschütze über
schwierige Stellen des Weges ziehen. In Shang-hae demolirte
das Volk den Ya-mum eines verhassten Mandarinen, der vor den
Engländern fortlief, und empfing diese mit dienstbereiter Freund-
lichkeit. I-li-pu stellte sich dort mit unmöglichen Vorschlägen
ein; er berief sich auf die Freigebung der Gefangenen 56) und
suchte durch dringende Bitten den Feind von weiterem Vorrücken
abzuhalten. Unterdessen fuhr der Dampfer Nemesis jenseit
Shang-hae noch eine Strecke flussaufwärts, ohne Truppen zu
finden. Sein Rauch war aber in der endlosen Fläche auf viele
Meilen sichtbar. Da er nun in einiger Entfernung von der reichen

55) Die Stadt am Yaṅ-tse-kiaṅ, bis zu welcher die Verschanzungen reichen.
56) Ki-yiṅ und I-li-pu lieferten als erstes Zeichen ihrer friedlichen Gesinnung
sechszehn Gefangene aus, welche Yi-kiṅ’s Streifbanden während des Winters auf-
gehoben hatten.
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[121/0143] Die Engländer in Shang-hae. Die Chinesen eröffneten das Feuer und schossen besser als bei allen früheren Treffen; fast alle englischen Schiffe erhielten Kugeln in den Rumpf und das Takelwerk, sie hatten im Ganzen zwei Todte und fünfundzwanzig Verwundete. Erst als sie fest geankert lagen, antworteten die Briten und landeten nach zweistündiger Kanonade einige hundert Seeleute, welche die Chinesen aus sämmtlichen Werken trieben. Der Truppen-Commandeur fiel tapfer kämpfend; Gnu-Ta-džen floh dagegen zu allererst; die Engländer erbeuteten in seiner Wohnung viele wichtige Papiere. Sein erster Bericht an den Kaiser war sehr kurz: »Die Rebellen haben den Weg nach Wu-soṅ erzwungen; Admiral Tšiṅ ist todt, Pau-šan 55) verloren.« In der Folge muss er sich besonnen haben: »Der Truppen-Com- mandeur hielt sieben Tage Stand, versenkte drei Schiffe, verwun- dete und tödtete eine Menge Barbaren. Diese aber feuerten von ihren Masten in die Schanzen und die Stellung wurde unhaltbar.« Der nächste Bericht war noch toller. — Die Engländer erbeuteten 253 Geschütze, darunter 43 von Bronze. An Mannschaft hatten die Chinesen geringen Verlust; denn die Erdwerke waren sehr dick, und beim Angriff liefen die Soldaten davon. Die Stadt Wu-soṅ ergab sich ohne Widerstand, ebenso Shang-hae, wohin eine englische Colonne am 19. Juni marschirte, während ein Theil des Geschwaders den Fluss hinauffuhr. In den Ufer-Batterieen, die nur wenige Schüsse gaben, fanden sich noch 111 Kanonen. Chinesische Feldarbeiter halfen den Land- truppen freiwillig unter fröhlichem Gelächter die Geschütze über schwierige Stellen des Weges ziehen. In Shang-hae demolirte das Volk den Ya-mum eines verhassten Mandarinen, der vor den Engländern fortlief, und empfing diese mit dienstbereiter Freund- lichkeit. I-li-pu stellte sich dort mit unmöglichen Vorschlägen ein; er berief sich auf die Freigebung der Gefangenen 56) und suchte durch dringende Bitten den Feind von weiterem Vorrücken abzuhalten. Unterdessen fuhr der Dampfer Nemesis jenseit Shang-hae noch eine Strecke flussaufwärts, ohne Truppen zu finden. Sein Rauch war aber in der endlosen Fläche auf viele Meilen sichtbar. Da er nun in einiger Entfernung von der reichen 55) Die Stadt am Yaṅ-tse-kiaṅ, bis zu welcher die Verschanzungen reichen. 56) Ki-yiṅ und I-li-pu lieferten als erstes Zeichen ihrer friedlichen Gesinnung sechszehn Gefangene aus, welche Yi-kiṅ’s Streifbanden während des Winters auf- gehoben hatten.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/143>, abgerufen am 27.04.2024.