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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Die englische Flotte in Yan-tse-kian.
trieb er durch dringende Vorstellungen das Friedenswerk, das am
kaiserlichen Hofe von den meisten Räthen tartarischer Abstammung
gefördert, von den chinesischen Mandarinen noch immer angefeindet
wurde. Ki-yin ward zum Tartaren-General der Armee von Han-
tsau
und kaiserlichen Special-Commissar ernannt. Der Statt-
halter der Provinz, Lu-Yun-ko, ein eingefleischter Chinese von
der extremen Kriegsparthei, blieb in seinem Amte. Aber selbst
dieser erklärte jetzt dem Kaiser das ihm anvertraute Gebiet nicht
halten zu können, und bat in hergebrachter Weise um strenge
Bestrafung.

Gnu-Ta-dzen, General-Gouverneur der "beiden Kian",
hatte Befehl erhalten, "die Mündung des Yan-tse zu verstopfen";
seine Anstalten beschränkten sich aber auf den Bau einer langen
Schanze am Ausfluss des Wu-son, hinter welcher Truppen-
massen in befestigten Lagern standen; 54) doch sandte er zu-
versichtliche Berichte nach Pe-kin, welche das Einlaufen der
feindlichen Flotte für unmöglich erklärten. -- Am 13. Juni ging
das britische Geschwader, durch die Fregatte Dido und Transport-
schiffe mit 2500 Mann Landtruppen verstärkt, eine halbe Meile
unterhalb jener Schanze im Yan-tse-kian zu Anker. Am 14. und
15. liefen flachgehende Dampfer unter den feindlichen Kanonen in
den Wu-son-Fluss. Kein Schuss wurde gefeuert, als ihre Boote
die Ankerplätze für die grossen Schiffe durch Bojen markir-
ten; am Ufer tanzten, jauchzten und lachten die Soldaten dazu.
Gnu-Ta-dzen hielt seinen Truppen eine befeuernde Rede und
liess ein Flugblatt voll begeisterter Citate verbreiten: "Die Nation
stehe unter dem Schutz des Heeres, das sie unterhalte; der
Sold der Truppen sei das Mark des Landes. Der Kaiser, der
sein Volk wie seine Kinder liebe, gebe für die Armee viele Millionen
Tael aus, um dasselbe zu schützen. Sie möchten aus allen Kräften
streben, ihre hohe Bestimmung zu erfüllen u. s. w."

Am 16. Juni früh bugsirten Dampfer die grösseren Schiffe
an ihre Ankerplätze im Wu-son-Fluss, den Schanzen gegenüber.

54) Nach Davis hatte ein Chinese aus Tsu-san nach dem Muster der eng-
lischen Dampfer kleine Fahrzeuge mit Schaufelrädern gebaut. Als sie fertig waren,
soll er im Innern Feuer angezündet haben; aber die Räder wollten nicht laufen.
Nun wurden Einrichtungen nach Art einer Tretmühle gemacht, um sie zu bewegen.
Gnu-Ta-dzen soll grosse Hoffnungen auf diese Schiffe gesetzt haben, die sämmt-
lich in die Hände der Engländer fielen.

Die englische Flotte in Yaṅ-tse-kiaṅ.
trieb er durch dringende Vorstellungen das Friedenswerk, das am
kaiserlichen Hofe von den meisten Räthen tartarischer Abstammung
gefördert, von den chinesischen Mandarinen noch immer angefeindet
wurde. Ki-yiṅ ward zum Tartaren-General der Armee von Haṅ-
tšau
und kaiserlichen Special-Commissar ernannt. Der Statt-
halter der Provinz, Lu-Yun-ko, ein eingefleischter Chinese von
der extremen Kriegsparthei, blieb in seinem Amte. Aber selbst
dieser erklärte jetzt dem Kaiser das ihm anvertraute Gebiet nicht
halten zu können, und bat in hergebrachter Weise um strenge
Bestrafung.

Gnu-Ta-džen, General-Gouverneur der »beiden Kiaṅ«,
hatte Befehl erhalten, »die Mündung des Yaṅ-tse zu verstopfen«;
seine Anstalten beschränkten sich aber auf den Bau einer langen
Schanze am Ausfluss des Wu-soṅ, hinter welcher Truppen-
massen in befestigten Lagern standen; 54) doch sandte er zu-
versichtliche Berichte nach Pe-kiṅ, welche das Einlaufen der
feindlichen Flotte für unmöglich erklärten. — Am 13. Juni ging
das britische Geschwader, durch die Fregatte Dido und Transport-
schiffe mit 2500 Mann Landtruppen verstärkt, eine halbe Meile
unterhalb jener Schanze im Yaṅ-tse-kiaṅ zu Anker. Am 14. und
15. liefen flachgehende Dampfer unter den feindlichen Kanonen in
den Wu-soṅ-Fluss. Kein Schuss wurde gefeuert, als ihre Boote
die Ankerplätze für die grossen Schiffe durch Bojen markir-
ten; am Ufer tanzten, jauchzten und lachten die Soldaten dazu.
Gnu-Ta-džen hielt seinen Truppen eine befeuernde Rede und
liess ein Flugblatt voll begeisterter Citate verbreiten: »Die Nation
stehe unter dem Schutz des Heeres, das sie unterhalte; der
Sold der Truppen sei das Mark des Landes. Der Kaiser, der
sein Volk wie seine Kinder liebe, gebe für die Armee viele Millionen
Tael aus, um dasselbe zu schützen. Sie möchten aus allen Kräften
streben, ihre hohe Bestimmung zu erfüllen u. s. w.«

Am 16. Juni früh bugsirten Dampfer die grösseren Schiffe
an ihre Ankerplätze im Wu-soṅ-Fluss, den Schanzen gegenüber.

54) Nach Davis hatte ein Chinese aus Tšu-san nach dem Muster der eng-
lischen Dampfer kleine Fahrzeuge mit Schaufelrädern gebaut. Als sie fertig waren,
soll er im Innern Feuer angezündet haben; aber die Räder wollten nicht laufen.
Nun wurden Einrichtungen nach Art einer Tretmühle gemacht, um sie zu bewegen.
Gnu-Ta-džen soll grosse Hoffnungen auf diese Schiffe gesetzt haben, die sämmt-
lich in die Hände der Engländer fielen.
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[120/0142] Die englische Flotte in Yaṅ-tse-kiaṅ. trieb er durch dringende Vorstellungen das Friedenswerk, das am kaiserlichen Hofe von den meisten Räthen tartarischer Abstammung gefördert, von den chinesischen Mandarinen noch immer angefeindet wurde. Ki-yiṅ ward zum Tartaren-General der Armee von Haṅ- tšau und kaiserlichen Special-Commissar ernannt. Der Statt- halter der Provinz, Lu-Yun-ko, ein eingefleischter Chinese von der extremen Kriegsparthei, blieb in seinem Amte. Aber selbst dieser erklärte jetzt dem Kaiser das ihm anvertraute Gebiet nicht halten zu können, und bat in hergebrachter Weise um strenge Bestrafung. Gnu-Ta-džen, General-Gouverneur der »beiden Kiaṅ«, hatte Befehl erhalten, »die Mündung des Yaṅ-tse zu verstopfen«; seine Anstalten beschränkten sich aber auf den Bau einer langen Schanze am Ausfluss des Wu-soṅ, hinter welcher Truppen- massen in befestigten Lagern standen; 54) doch sandte er zu- versichtliche Berichte nach Pe-kiṅ, welche das Einlaufen der feindlichen Flotte für unmöglich erklärten. — Am 13. Juni ging das britische Geschwader, durch die Fregatte Dido und Transport- schiffe mit 2500 Mann Landtruppen verstärkt, eine halbe Meile unterhalb jener Schanze im Yaṅ-tse-kiaṅ zu Anker. Am 14. und 15. liefen flachgehende Dampfer unter den feindlichen Kanonen in den Wu-soṅ-Fluss. Kein Schuss wurde gefeuert, als ihre Boote die Ankerplätze für die grossen Schiffe durch Bojen markir- ten; am Ufer tanzten, jauchzten und lachten die Soldaten dazu. Gnu-Ta-džen hielt seinen Truppen eine befeuernde Rede und liess ein Flugblatt voll begeisterter Citate verbreiten: »Die Nation stehe unter dem Schutz des Heeres, das sie unterhalte; der Sold der Truppen sei das Mark des Landes. Der Kaiser, der sein Volk wie seine Kinder liebe, gebe für die Armee viele Millionen Tael aus, um dasselbe zu schützen. Sie möchten aus allen Kräften streben, ihre hohe Bestimmung zu erfüllen u. s. w.« Am 16. Juni früh bugsirten Dampfer die grösseren Schiffe an ihre Ankerplätze im Wu-soṅ-Fluss, den Schanzen gegenüber. 54) Nach Davis hatte ein Chinese aus Tšu-san nach dem Muster der eng- lischen Dampfer kleine Fahrzeuge mit Schaufelrädern gebaut. Als sie fertig waren, soll er im Innern Feuer angezündet haben; aber die Räder wollten nicht laufen. Nun wurden Einrichtungen nach Art einer Tretmühle gemacht, um sie zu bewegen. Gnu-Ta-džen soll grosse Hoffnungen auf diese Schiffe gesetzt haben, die sämmt- lich in die Hände der Engländer fielen.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/142>, abgerufen am 27.04.2024.