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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Yi-kin.
die Kaufläden wurden einer nach dem anderen geschlossen und die
Stadt verödete. Die Bewohner von Tsu-san liessen sich dagegen
nicht einschüchtern; sie vertrauten dem Schutze der Engländer, die
in summarischem Verfahren Yi-kin's auf der Insel betroffene Ban-
diten am nächsten Baum aufzuknüpfen pflegten. In der Voraus-
setzung, dass viele Chinesen in den Reihen und der Uniform des
Feindes kämpften, erliess der "Schreckenverbreitende Feldherr"
Proclamationen, welche seinen Landsleuten und den schwarzen Sol-
daten, "die gezwungen dem Heere folgten", Straflosigkeit und Be-
lohnung verhiessen: "Wer einen der Haupt-Führer der Barbaren
verräth, soll Beamtenrang erhalten; für Aufhebung eines unter-
geordneten Teufels wird eine Geldsumme bezahlt, und wer ein
Schiff ausliefert, erhält die Ladung." -- Maueranschläge in den be-
setzten Städten forderten die fremden Soldaten auf, nach Hause zu
gehen und für Vater und Mutter zu sorgen, statt China zu be-
lästigen. Yi-kin liess sogar unter der Hand den Engländern eine
grosse Summe anbieten, wenn sie das Reich der Mitte auf immer
verlassen wollten. Das Lustigste war aber eine an den Barbaren-
General gerichtete Ermahnung, seine ganze Streitmacht in die Hände
Yi-kin's zu liefern, der ihn in Betrachtung solchen Gehorsams der
gnädigen Rücksicht des Himmelssohnes empfehlen wolle. Ein Theil
der Truppen müsse in die Gewalt der Behörden gegeben werden;
die übrigen möchten nach Hause gehn. Wer in die chinesische
Armee einzutreten wünsche, könne Aufnahme finden. Würde
dieser Vorschlag binnen einer bestimmten Frist nicht angenommen,
so müssten alle Barbaren sterben.

Yi-kin erliess, in Su-tsau schwelgend, vergebens einen
Aufruf nach dem anderen um Geld und Leute; niemand stellte sich
und die Kassen blieben leer. Aber der Kaiser verlangte immer
dringender, dass die Engländer aus Nin-po und Tsin-hae ver-
trieben würden, und etwas musste geschehen. Der Feldherr er-
mannte sich zu Anwerbung einer Armee von zwanzigtausend Mann,
denen er sechs Dollars Handgeld versprach, und rüstete einen An-
schlag auf die besetzten Städte.

Die Engländer lebten in ihren Winterquartieren, durch chi-
nesische Kundschafter von allen Bewegungen des Feindes unter-
richtet, in voller Sorglosigkeit. Die Landeskinder widmeten sich
eifrig der Spionage, und wenn einzelne aufgegriffen und grausam
hingerichtet wurden, so drängten sich gleich andere zu dem ein-

8*

Yi-kiṅ.
die Kaufläden wurden einer nach dem anderen geschlossen und die
Stadt verödete. Die Bewohner von Tšu-san liessen sich dagegen
nicht einschüchtern; sie vertrauten dem Schutze der Engländer, die
in summarischem Verfahren Yi-kiṅ’s auf der Insel betroffene Ban-
diten am nächsten Baum aufzuknüpfen pflegten. In der Voraus-
setzung, dass viele Chinesen in den Reihen und der Uniform des
Feindes kämpften, erliess der »Schreckenverbreitende Feldherr«
Proclamationen, welche seinen Landsleuten und den schwarzen Sol-
daten, »die gezwungen dem Heere folgten«, Straflosigkeit und Be-
lohnung verhiessen: »Wer einen der Haupt-Führer der Barbaren
verräth, soll Beamtenrang erhalten; für Aufhebung eines unter-
geordneten Teufels wird eine Geldsumme bezahlt, und wer ein
Schiff ausliefert, erhält die Ladung.« — Maueranschläge in den be-
setzten Städten forderten die fremden Soldaten auf, nach Hause zu
gehen und für Vater und Mutter zu sorgen, statt China zu be-
lästigen. Yi-kiṅ liess sogar unter der Hand den Engländern eine
grosse Summe anbieten, wenn sie das Reich der Mitte auf immer
verlassen wollten. Das Lustigste war aber eine an den Barbaren-
General gerichtete Ermahnung, seine ganze Streitmacht in die Hände
Yi-kiṅ’s zu liefern, der ihn in Betrachtung solchen Gehorsams der
gnädigen Rücksicht des Himmelssohnes empfehlen wolle. Ein Theil
der Truppen müsse in die Gewalt der Behörden gegeben werden;
die übrigen möchten nach Hause gehn. Wer in die chinesische
Armee einzutreten wünsche, könne Aufnahme finden. Würde
dieser Vorschlag binnen einer bestimmten Frist nicht angenommen,
so müssten alle Barbaren sterben.

Yi-kiṅ erliess, in Su-tšau schwelgend, vergebens einen
Aufruf nach dem anderen um Geld und Leute; niemand stellte sich
und die Kassen blieben leer. Aber der Kaiser verlangte immer
dringender, dass die Engländer aus Niṅ-po und Tšiṅ-hae ver-
trieben würden, und etwas musste geschehen. Der Feldherr er-
mannte sich zu Anwerbung einer Armee von zwanzigtausend Mann,
denen er sechs Dollars Handgeld versprach, und rüstete einen An-
schlag auf die besetzten Städte.

Die Engländer lebten in ihren Winterquartieren, durch chi-
nesische Kundschafter von allen Bewegungen des Feindes unter-
richtet, in voller Sorglosigkeit. Die Landeskinder widmeten sich
eifrig der Spionage, und wenn einzelne aufgegriffen und grausam
hingerichtet wurden, so drängten sich gleich andere zu dem ein-

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[115/0137] Yi-kiṅ. die Kaufläden wurden einer nach dem anderen geschlossen und die Stadt verödete. Die Bewohner von Tšu-san liessen sich dagegen nicht einschüchtern; sie vertrauten dem Schutze der Engländer, die in summarischem Verfahren Yi-kiṅ’s auf der Insel betroffene Ban- diten am nächsten Baum aufzuknüpfen pflegten. In der Voraus- setzung, dass viele Chinesen in den Reihen und der Uniform des Feindes kämpften, erliess der »Schreckenverbreitende Feldherr« Proclamationen, welche seinen Landsleuten und den schwarzen Sol- daten, »die gezwungen dem Heere folgten«, Straflosigkeit und Be- lohnung verhiessen: »Wer einen der Haupt-Führer der Barbaren verräth, soll Beamtenrang erhalten; für Aufhebung eines unter- geordneten Teufels wird eine Geldsumme bezahlt, und wer ein Schiff ausliefert, erhält die Ladung.« — Maueranschläge in den be- setzten Städten forderten die fremden Soldaten auf, nach Hause zu gehen und für Vater und Mutter zu sorgen, statt China zu be- lästigen. Yi-kiṅ liess sogar unter der Hand den Engländern eine grosse Summe anbieten, wenn sie das Reich der Mitte auf immer verlassen wollten. Das Lustigste war aber eine an den Barbaren- General gerichtete Ermahnung, seine ganze Streitmacht in die Hände Yi-kiṅ’s zu liefern, der ihn in Betrachtung solchen Gehorsams der gnädigen Rücksicht des Himmelssohnes empfehlen wolle. Ein Theil der Truppen müsse in die Gewalt der Behörden gegeben werden; die übrigen möchten nach Hause gehn. Wer in die chinesische Armee einzutreten wünsche, könne Aufnahme finden. Würde dieser Vorschlag binnen einer bestimmten Frist nicht angenommen, so müssten alle Barbaren sterben. Yi-kiṅ erliess, in Su-tšau schwelgend, vergebens einen Aufruf nach dem anderen um Geld und Leute; niemand stellte sich und die Kassen blieben leer. Aber der Kaiser verlangte immer dringender, dass die Engländer aus Niṅ-po und Tšiṅ-hae ver- trieben würden, und etwas musste geschehen. Der Feldherr er- mannte sich zu Anwerbung einer Armee von zwanzigtausend Mann, denen er sechs Dollars Handgeld versprach, und rüstete einen An- schlag auf die besetzten Städte. Die Engländer lebten in ihren Winterquartieren, durch chi- nesische Kundschafter von allen Bewegungen des Feindes unter- richtet, in voller Sorglosigkeit. Die Landeskinder widmeten sich eifrig der Spionage, und wenn einzelne aufgegriffen und grausam hingerichtet wurden, so drängten sich gleich andere zu dem ein- 8*

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/137>, abgerufen am 27.04.2024.