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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Angriff auf Nin-po.
träglichen Gewerbe. Yi-kin war eben so gut bedient; die Engländer
wussten sich von Verrath umgeben und entdeckten sogar Anschläge
auf das Leben des Commandirenden in Nin-po. Trotzdem herrschte
dort das Gefühl der vollsten Sicherheit; man glaubte, nachdem
häufig falscher Lärm geschlagen war, kaum noch an einen Angriff,
1842.als die Chinesen Anfang März 1842 ernstlich davor warnten. Am
10. verliessen aber viele angesehene Einwohner plötzlich die Stadt,
deshalb wurde den nächtlichen Posten Wachsamkeit empfohlen. 48)
Gegen vier Uhr Morgens griff eine starke Colonne das westliche
Thor mit verzweifelter Heftigkeit an, wurde aber geworfen. Sobald
die Besatzung sich verstärkt hatte, öffnete sie die Thorflügel, trieb
mit Kartätsch- und Gewehrfeuer den Feind durch die Hauptstrasse
der Vorstadt 49) und verfolgte ihn bis auf das freie Feld, wo die
Landbevölkerung dem Blutbade mit sichtlichem Vergnügen zu-
schaute. -- Unterdessen war das südliche Thor von einer anderen
Colonne erstürmt worden, welche den Weg nach dem englischen
Hauptquartier einschlug. Im Strassenkampf mit der feindlichen
Infanterie zog sie aber gegen deren Schnellfeuer bald den Kürzeren
und floh in toller Verwirrung. Die Chinesen liessen gegen vier-
hundert Todte auf dem Platz. -- Auf die vor der Nordost-Ecke
der Stadt im Fluss geankerte Fregatte Modeste richteten die Chi-
nesen gegen Morgen ein Feuer aus maskirten Geschützen, welche
durch einige Breitseiten beruhigt wurden, und liessen unschädliche
Brander los.

Einen Angriff auf Tsin-hae in derselben Nacht wies die durch
sichere Kundschaft vorbereitete Garnison leicht zurück. Auch Tsu-
san
ward nicht vergessen, aber die in den Hafen gesandten Brander
thaten keinen Schaden, und die übrigen Rüstungen auf einer benach-
barten Insel machten die Engländer bei Zeiten unschädlich.

Nach diesen misslungenen Anschlägen nahm die Armee von
Tse-kian bei Tse-ki in der Nähe von Nin-po Stellung, wo sie
von zwölfhundert Mann auseinandergesprengt wurde. Die Chinesen

48) Eine Anzahl Knaben, welche die Truppen verlassen und halb verhungert in
Nin-po gefunden und zu sich genommen hatten, erschienen am Morgen des 10. März
ganz verstört bei ihren Herren. Sie machten die Gebehrden des Abfeuerns von
Kanonen und Luntenflinten, riefen unablässig "Morgen kommen sie" und ver-
schwanden.
49) Die Wirkung muss entsetzlich gewesen sein; an einer engen Stelle war der
Haufen der Gefallenen so hoch, dass der Klepper eines Mandarinen nur mit dem Kopfe
hervorsah.

Angriff auf Niṅ-po.
träglichen Gewerbe. Yi-kiṅ war eben so gut bedient; die Engländer
wussten sich von Verrath umgeben und entdeckten sogar Anschläge
auf das Leben des Commandirenden in Niṅ-po. Trotzdem herrschte
dort das Gefühl der vollsten Sicherheit; man glaubte, nachdem
häufig falscher Lärm geschlagen war, kaum noch an einen Angriff,
1842.als die Chinesen Anfang März 1842 ernstlich davor warnten. Am
10. verliessen aber viele angesehene Einwohner plötzlich die Stadt,
deshalb wurde den nächtlichen Posten Wachsamkeit empfohlen. 48)
Gegen vier Uhr Morgens griff eine starke Colonne das westliche
Thor mit verzweifelter Heftigkeit an, wurde aber geworfen. Sobald
die Besatzung sich verstärkt hatte, öffnete sie die Thorflügel, trieb
mit Kartätsch- und Gewehrfeuer den Feind durch die Hauptstrasse
der Vorstadt 49) und verfolgte ihn bis auf das freie Feld, wo die
Landbevölkerung dem Blutbade mit sichtlichem Vergnügen zu-
schaute. — Unterdessen war das südliche Thor von einer anderen
Colonne erstürmt worden, welche den Weg nach dem englischen
Hauptquartier einschlug. Im Strassenkampf mit der feindlichen
Infanterie zog sie aber gegen deren Schnellfeuer bald den Kürzeren
und floh in toller Verwirrung. Die Chinesen liessen gegen vier-
hundert Todte auf dem Platz. — Auf die vor der Nordost-Ecke
der Stadt im Fluss geankerte Fregatte Modeste richteten die Chi-
nesen gegen Morgen ein Feuer aus maskirten Geschützen, welche
durch einige Breitseiten beruhigt wurden, und liessen unschädliche
Brander los.

Einen Angriff auf Tšin-hae in derselben Nacht wies die durch
sichere Kundschaft vorbereitete Garnison leicht zurück. Auch Tšu-
san
ward nicht vergessen, aber die in den Hafen gesandten Brander
thaten keinen Schaden, und die übrigen Rüstungen auf einer benach-
barten Insel machten die Engländer bei Zeiten unschädlich.

Nach diesen misslungenen Anschlägen nahm die Armee von
Tše-kiaṅ bei Tse-ki in der Nähe von Niṅ-po Stellung, wo sie
von zwölfhundert Mann auseinandergesprengt wurde. Die Chinesen

48) Eine Anzahl Knaben, welche die Truppen verlassen und halb verhungert in
Niṅ-po gefunden und zu sich genommen hatten, erschienen am Morgen des 10. März
ganz verstört bei ihren Herren. Sie machten die Gebehrden des Abfeuerns von
Kanonen und Luntenflinten, riefen unablässig »Morgen kommen sie« und ver-
schwanden.
49) Die Wirkung muss entsetzlich gewesen sein; an einer engen Stelle war der
Haufen der Gefallenen so hoch, dass der Klepper eines Mandarinen nur mit dem Kopfe
hervorsah.
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[116/0138] Angriff auf Niṅ-po. träglichen Gewerbe. Yi-kiṅ war eben so gut bedient; die Engländer wussten sich von Verrath umgeben und entdeckten sogar Anschläge auf das Leben des Commandirenden in Niṅ-po. Trotzdem herrschte dort das Gefühl der vollsten Sicherheit; man glaubte, nachdem häufig falscher Lärm geschlagen war, kaum noch an einen Angriff, als die Chinesen Anfang März 1842 ernstlich davor warnten. Am 10. verliessen aber viele angesehene Einwohner plötzlich die Stadt, deshalb wurde den nächtlichen Posten Wachsamkeit empfohlen. 48) Gegen vier Uhr Morgens griff eine starke Colonne das westliche Thor mit verzweifelter Heftigkeit an, wurde aber geworfen. Sobald die Besatzung sich verstärkt hatte, öffnete sie die Thorflügel, trieb mit Kartätsch- und Gewehrfeuer den Feind durch die Hauptstrasse der Vorstadt 49) und verfolgte ihn bis auf das freie Feld, wo die Landbevölkerung dem Blutbade mit sichtlichem Vergnügen zu- schaute. — Unterdessen war das südliche Thor von einer anderen Colonne erstürmt worden, welche den Weg nach dem englischen Hauptquartier einschlug. Im Strassenkampf mit der feindlichen Infanterie zog sie aber gegen deren Schnellfeuer bald den Kürzeren und floh in toller Verwirrung. Die Chinesen liessen gegen vier- hundert Todte auf dem Platz. — Auf die vor der Nordost-Ecke der Stadt im Fluss geankerte Fregatte Modeste richteten die Chi- nesen gegen Morgen ein Feuer aus maskirten Geschützen, welche durch einige Breitseiten beruhigt wurden, und liessen unschädliche Brander los. 1842. Einen Angriff auf Tšin-hae in derselben Nacht wies die durch sichere Kundschaft vorbereitete Garnison leicht zurück. Auch Tšu- san ward nicht vergessen, aber die in den Hafen gesandten Brander thaten keinen Schaden, und die übrigen Rüstungen auf einer benach- barten Insel machten die Engländer bei Zeiten unschädlich. Nach diesen misslungenen Anschlägen nahm die Armee von Tše-kiaṅ bei Tse-ki in der Nähe von Niṅ-po Stellung, wo sie von zwölfhundert Mann auseinandergesprengt wurde. Die Chinesen 48) Eine Anzahl Knaben, welche die Truppen verlassen und halb verhungert in Niṅ-po gefunden und zu sich genommen hatten, erschienen am Morgen des 10. März ganz verstört bei ihren Herren. Sie machten die Gebehrden des Abfeuerns von Kanonen und Luntenflinten, riefen unablässig »Morgen kommen sie« und ver- schwanden. 49) Die Wirkung muss entsetzlich gewesen sein; an einer engen Stelle war der Haufen der Gefallenen so hoch, dass der Klepper eines Mandarinen nur mit dem Kopfe hervorsah.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/138>, abgerufen am 27.04.2024.