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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Die Werke an der Bocca zerstört.
Jubel aus und zog in hellen Haufen hin, ihre Vertilgung mit
anzusehen; die Uferhänge bedeckten sich mit Tausenden.
Ki-sen, dem sein Schicksal noch unbekannt war, liess am Vorabend
des Kampfes fünftausend Dollars unter die chinesischen Truppen ver-
theilen und versicherte in einer Ansprache die Bewohner von Kan-ton,
dass alle Zugänge zur Stadt gut bewacht und ungefährdet seien. --
Am 26. Februar legte Sir Gordon Bremer sein verstärktes Ge-
schwader, in welchem sich drei Linienschiffe, mehrere Fregatten
und Dampfer befanden, vor die Werke an der Bocca und schoss
sie zusammen. Die landenden Truppen fanden wenig Widerstand.
Den braven Admiral Kwan durchbohrte das Bajonet eines Marine-
soldaten; sein Heldenmuth fand aber wenig Nachfolge.34) In einer
Strand-Batterie bemächtigten sich sogar die Officiere, als das
Feuer zu heiss wurde, der vorhandenen Boote und ruderten davon;
die Mannschaft aber kehrte die Geschütze gegen ihre fliehenden
Vorgesetzten. -- Die chinesischen Truppen bestanden im Auswurf
der Bevölkerung; nur auf die Ueberzahl setzten die Führer ihr
Vertrauen. Von Disciplin und Waffenübung hatte man kaum eine
Ahnung; die Geschütze wurden oft bis zur Mündung vollgestopft
und richteten dann platzend grosse Verheerung an.

Tau-kwan's Bestürzung über die neue Niederlage zeigt sich
in dem gleich darauf erlassenen Aufgebot an fünftausend Mann aus
den acht Tartarenbannern. Diese gelangten niemals nach Kan-ton,
sondern blieben zum Schutze der Hauptstadt im Norden. Mit dem
Oberbefehl im Süden hatte der Kaiser ein Triumvirat betraut:
seinen Neffen und Günstling Yi-san, den Mongolen Lun-wun und
den siebzigjährigen Yan-fan; nur dieser hatte die militärische
Laufbahn gemacht und sich im Kampf gegen den einheimischen
Gebirgsstamm der Miao-tse ausgezeichnet. Yan-fan traf gleich
nach der Niederlage an der Bocca mit einem Truppenkörper in
Kan-ton ein und detachirte zweitausend Mann flussabwärts gegen die
Engländer. Deren leichtes Geschwader unter Sir Thomas Herbert
richtete aber am 1. März grosse Verwüstung unter ihnen an und
sprengte ein europäisches Schiff in die Luft, das die Chinesen ge-
kauft und zum Kampf gegen die Engländer gerüstet hatten. Darauf
berichtete Yan-fan seinem Herrn: "Die Soldaten aus Ho-nan
haben den Barbaren eine Schlacht geliefert, in der sie viele tödteten

34) Das englische Flaggschiff feuerte einen Trauersalut, als Kwan's Leiche am
folgenden Tage abgeholt wurde.

Die Werke an der Bocca zerstört.
Jubel aus und zog in hellen Haufen hin, ihre Vertilgung mit
anzusehen; die Uferhänge bedeckten sich mit Tausenden.
Ki-šen, dem sein Schicksal noch unbekannt war, liess am Vorabend
des Kampfes fünftausend Dollars unter die chinesischen Truppen ver-
theilen und versicherte in einer Ansprache die Bewohner von Kan-ton,
dass alle Zugänge zur Stadt gut bewacht und ungefährdet seien. —
Am 26. Februar legte Sir Gordon Bremer sein verstärktes Ge-
schwader, in welchem sich drei Linienschiffe, mehrere Fregatten
und Dampfer befanden, vor die Werke an der Bocca und schoss
sie zusammen. Die landenden Truppen fanden wenig Widerstand.
Den braven Admiral Kwan durchbohrte das Bajonet eines Marine-
soldaten; sein Heldenmuth fand aber wenig Nachfolge.34) In einer
Strand-Batterie bemächtigten sich sogar die Officiere, als das
Feuer zu heiss wurde, der vorhandenen Boote und ruderten davon;
die Mannschaft aber kehrte die Geschütze gegen ihre fliehenden
Vorgesetzten. — Die chinesischen Truppen bestanden im Auswurf
der Bevölkerung; nur auf die Ueberzahl setzten die Führer ihr
Vertrauen. Von Disciplin und Waffenübung hatte man kaum eine
Ahnung; die Geschütze wurden oft bis zur Mündung vollgestopft
und richteten dann platzend grosse Verheerung an.

Tau-kwaṅ’s Bestürzung über die neue Niederlage zeigt sich
in dem gleich darauf erlassenen Aufgebot an fünftausend Mann aus
den acht Tartarenbannern. Diese gelangten niemals nach Kan-ton,
sondern blieben zum Schutze der Hauptstadt im Norden. Mit dem
Oberbefehl im Süden hatte der Kaiser ein Triumvirat betraut:
seinen Neffen und Günstling Yi-šan, den Mongolen Luṅ-wun und
den siebzigjährigen Yaṅ-faṅ; nur dieser hatte die militärische
Laufbahn gemacht und sich im Kampf gegen den einheimischen
Gebirgsstamm der Miao-tse ausgezeichnet. Yaṅ-faṅ traf gleich
nach der Niederlage an der Bocca mit einem Truppenkörper in
Kan-ton ein und detachirte zweitausend Mann flussabwärts gegen die
Engländer. Deren leichtes Geschwader unter Sir Thomas Herbert
richtete aber am 1. März grosse Verwüstung unter ihnen an und
sprengte ein europäisches Schiff in die Luft, das die Chinesen ge-
kauft und zum Kampf gegen die Engländer gerüstet hatten. Darauf
berichtete Yaṅ-faṅ seinem Herrn: »Die Soldaten aus Ho-nan
haben den Barbaren eine Schlacht geliefert, in der sie viele tödteten

34) Das englische Flaggschiff feuerte einen Trauersalut, als Kwan’s Leiche am
folgenden Tage abgeholt wurde.
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[85/0107] Die Werke an der Bocca zerstört. Jubel aus und zog in hellen Haufen hin, ihre Vertilgung mit anzusehen; die Uferhänge bedeckten sich mit Tausenden. Ki-šen, dem sein Schicksal noch unbekannt war, liess am Vorabend des Kampfes fünftausend Dollars unter die chinesischen Truppen ver- theilen und versicherte in einer Ansprache die Bewohner von Kan-ton, dass alle Zugänge zur Stadt gut bewacht und ungefährdet seien. — Am 26. Februar legte Sir Gordon Bremer sein verstärktes Ge- schwader, in welchem sich drei Linienschiffe, mehrere Fregatten und Dampfer befanden, vor die Werke an der Bocca und schoss sie zusammen. Die landenden Truppen fanden wenig Widerstand. Den braven Admiral Kwan durchbohrte das Bajonet eines Marine- soldaten; sein Heldenmuth fand aber wenig Nachfolge. 34) In einer Strand-Batterie bemächtigten sich sogar die Officiere, als das Feuer zu heiss wurde, der vorhandenen Boote und ruderten davon; die Mannschaft aber kehrte die Geschütze gegen ihre fliehenden Vorgesetzten. — Die chinesischen Truppen bestanden im Auswurf der Bevölkerung; nur auf die Ueberzahl setzten die Führer ihr Vertrauen. Von Disciplin und Waffenübung hatte man kaum eine Ahnung; die Geschütze wurden oft bis zur Mündung vollgestopft und richteten dann platzend grosse Verheerung an. Tau-kwaṅ’s Bestürzung über die neue Niederlage zeigt sich in dem gleich darauf erlassenen Aufgebot an fünftausend Mann aus den acht Tartarenbannern. Diese gelangten niemals nach Kan-ton, sondern blieben zum Schutze der Hauptstadt im Norden. Mit dem Oberbefehl im Süden hatte der Kaiser ein Triumvirat betraut: seinen Neffen und Günstling Yi-šan, den Mongolen Luṅ-wun und den siebzigjährigen Yaṅ-faṅ; nur dieser hatte die militärische Laufbahn gemacht und sich im Kampf gegen den einheimischen Gebirgsstamm der Miao-tse ausgezeichnet. Yaṅ-faṅ traf gleich nach der Niederlage an der Bocca mit einem Truppenkörper in Kan-ton ein und detachirte zweitausend Mann flussabwärts gegen die Engländer. Deren leichtes Geschwader unter Sir Thomas Herbert richtete aber am 1. März grosse Verwüstung unter ihnen an und sprengte ein europäisches Schiff in die Luft, das die Chinesen ge- kauft und zum Kampf gegen die Engländer gerüstet hatten. Darauf berichtete Yaṅ-faṅ seinem Herrn: »Die Soldaten aus Ho-nan haben den Barbaren eine Schlacht geliefert, in der sie viele tödteten 34) Das englische Flaggschiff feuerte einen Trauersalut, als Kwan’s Leiche am folgenden Tage abgeholt wurde.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/107>, abgerufen am 28.11.2024.