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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Düngerwirthschaft. VII.
und wo sich grade ein Bedürfniss nach anderen Früchten fühlbar
macht, mit erhöhten Beeten durchzogen, auf denen man Baumwolle,
Bataten, Buchweizen u. s. w. baut. Ist dem Bedürfniss genügt, so
stürzt man die Beete wieder um und bestellt das Feld seiner früheren
Bestimmung gemäss. Die Leichtigkeit, mit der diese Umwandlungen
vor sich gehen, beweist die tiefe Auflockerung des Bodens, welche
als Hauptvorzug der japanischen Agricultur gilt; sie erstreckt sich
auch auf die trockenen Höhenfelder, wo durch die abwechselnde
Umarbeitung der Reihen das Erdreich fortwährend bis zu grosser
Tiefe aufgewühlt, und durch das Aufhöhen der lockeren mit fau-
lenden Stoppeln versetzten Ackerkrume den Wurzeln unaufhörlich
frischer und bequemer Nahrungsstoff zugeführt wird. Die Pflanze
saugt bei dieser Behandlung ihre Nahrung aus einer verhältniss-
mässig grossen Bodenmenge, und verwerthet vollständig bis auf
grosse Tiefe dessen Kraft ohne ihn anzugreifen, denn die nächste
Reihe geniesst wieder derselben Vortheile. Der Landmann weiss
genau, wie viel Dünger er zu einem gegebenen Stück Landes bedarf,
und bestellt niemals mehr als er hinreichend düngen kann. Auf die
Bereitung des Düngers verwendet er die grösste Sorgfalt und
scheint dabei einer anerkannten und seit lange feststehenden Praxis
zu folgen; Geruch, Aussehn und Aufbewahrung desselben sind
überall gleich, wohin man kommen mag.

Der Viehstand ist so gering dass er für die Düngerbereitung
garnicht in Betracht kommt, der japanische Landmann ist ganz auf
sich selbst und seine Mitmenschen angewiesen. Er sorgt aber auch
dafür dass nichts verloren geht: nicht nur in den Häusern, sondern
auch auf den Strassen, in Feld und Wald wird Alles in Fässern
und Gefässen aufgefangen; ein tiefes Verständniss für die Wichtig-
keit dieses Gegenstandes durchdringt die höchsten wie die niedrigsten
Classen; man sieht selbst auf dem Lande in den entlegensten Winkeln
und bei den Hütten der Armen niemals eine Verunreinigung ausser
an den dazu bestimmten Stellen. In den Städten hat der Excremen-
tenhandel eine feste Organisation, die Stoffe werden in bestimmten
Zeiten der Reife abgeführt; man begegnet in der Umgegend von
Yeddo täglich den langen Zügen damit beladener Lastpferde und auf
den Canälen zahlreichen Düngerbooten. -- Die eigentliche Bereitung
geht in grossen Fässern oder Steintöpfen vor sich, die auf den
Höfen und überall auf den Feldern bis an den Rand in die Erde
gegraben sind. In diese werden die Excremente geschüttet und ohne

Düngerwirthschaft. VII.
und wo sich grade ein Bedürfniss nach anderen Früchten fühlbar
macht, mit erhöhten Beeten durchzogen, auf denen man Baumwolle,
Bataten, Buchweizen u. s. w. baut. Ist dem Bedürfniss genügt, so
stürzt man die Beete wieder um und bestellt das Feld seiner früheren
Bestimmung gemäss. Die Leichtigkeit, mit der diese Umwandlungen
vor sich gehen, beweist die tiefe Auflockerung des Bodens, welche
als Hauptvorzug der japanischen Agricultur gilt; sie erstreckt sich
auch auf die trockenen Höhenfelder, wo durch die abwechselnde
Umarbeitung der Reihen das Erdreich fortwährend bis zu grosser
Tiefe aufgewühlt, und durch das Aufhöhen der lockeren mit fau-
lenden Stoppeln versetzten Ackerkrume den Wurzeln unaufhörlich
frischer und bequemer Nahrungsstoff zugeführt wird. Die Pflanze
saugt bei dieser Behandlung ihre Nahrung aus einer verhältniss-
mässig grossen Bodenmenge, und verwerthet vollständig bis auf
grosse Tiefe dessen Kraft ohne ihn anzugreifen, denn die nächste
Reihe geniesst wieder derselben Vortheile. Der Landmann weiss
genau, wie viel Dünger er zu einem gegebenen Stück Landes bedarf,
und bestellt niemals mehr als er hinreichend düngen kann. Auf die
Bereitung des Düngers verwendet er die grösste Sorgfalt und
scheint dabei einer anerkannten und seit lange feststehenden Praxis
zu folgen; Geruch, Aussehn und Aufbewahrung desselben sind
überall gleich, wohin man kommen mag.

Der Viehstand ist so gering dass er für die Düngerbereitung
garnicht in Betracht kommt, der japanische Landmann ist ganz auf
sich selbst und seine Mitmenschen angewiesen. Er sorgt aber auch
dafür dass nichts verloren geht: nicht nur in den Häusern, sondern
auch auf den Strassen, in Feld und Wald wird Alles in Fässern
und Gefässen aufgefangen; ein tiefes Verständniss für die Wichtig-
keit dieses Gegenstandes durchdringt die höchsten wie die niedrigsten
Classen; man sieht selbst auf dem Lande in den entlegensten Winkeln
und bei den Hütten der Armen niemals eine Verunreinigung ausser
an den dazu bestimmten Stellen. In den Städten hat der Excremen-
tenhandel eine feste Organisation, die Stoffe werden in bestimmten
Zeiten der Reife abgeführt; man begegnet in der Umgegend von
Yeddo täglich den langen Zügen damit beladener Lastpferde und auf
den Canälen zahlreichen Düngerbooten. — Die eigentliche Bereitung
geht in grossen Fässern oder Steintöpfen vor sich, die auf den
Höfen und überall auf den Feldern bis an den Rand in die Erde
gegraben sind. In diese werden die Excremente geschüttet und ohne

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[70/0090] Düngerwirthschaft. VII. und wo sich grade ein Bedürfniss nach anderen Früchten fühlbar macht, mit erhöhten Beeten durchzogen, auf denen man Baumwolle, Bataten, Buchweizen u. s. w. baut. Ist dem Bedürfniss genügt, so stürzt man die Beete wieder um und bestellt das Feld seiner früheren Bestimmung gemäss. Die Leichtigkeit, mit der diese Umwandlungen vor sich gehen, beweist die tiefe Auflockerung des Bodens, welche als Hauptvorzug der japanischen Agricultur gilt; sie erstreckt sich auch auf die trockenen Höhenfelder, wo durch die abwechselnde Umarbeitung der Reihen das Erdreich fortwährend bis zu grosser Tiefe aufgewühlt, und durch das Aufhöhen der lockeren mit fau- lenden Stoppeln versetzten Ackerkrume den Wurzeln unaufhörlich frischer und bequemer Nahrungsstoff zugeführt wird. Die Pflanze saugt bei dieser Behandlung ihre Nahrung aus einer verhältniss- mässig grossen Bodenmenge, und verwerthet vollständig bis auf grosse Tiefe dessen Kraft ohne ihn anzugreifen, denn die nächste Reihe geniesst wieder derselben Vortheile. Der Landmann weiss genau, wie viel Dünger er zu einem gegebenen Stück Landes bedarf, und bestellt niemals mehr als er hinreichend düngen kann. Auf die Bereitung des Düngers verwendet er die grösste Sorgfalt und scheint dabei einer anerkannten und seit lange feststehenden Praxis zu folgen; Geruch, Aussehn und Aufbewahrung desselben sind überall gleich, wohin man kommen mag. Der Viehstand ist so gering dass er für die Düngerbereitung garnicht in Betracht kommt, der japanische Landmann ist ganz auf sich selbst und seine Mitmenschen angewiesen. Er sorgt aber auch dafür dass nichts verloren geht: nicht nur in den Häusern, sondern auch auf den Strassen, in Feld und Wald wird Alles in Fässern und Gefässen aufgefangen; ein tiefes Verständniss für die Wichtig- keit dieses Gegenstandes durchdringt die höchsten wie die niedrigsten Classen; man sieht selbst auf dem Lande in den entlegensten Winkeln und bei den Hütten der Armen niemals eine Verunreinigung ausser an den dazu bestimmten Stellen. In den Städten hat der Excremen- tenhandel eine feste Organisation, die Stoffe werden in bestimmten Zeiten der Reife abgeführt; man begegnet in der Umgegend von Yeddo täglich den langen Zügen damit beladener Lastpferde und auf den Canälen zahlreichen Düngerbooten. — Die eigentliche Bereitung geht in grossen Fässern oder Steintöpfen vor sich, die auf den Höfen und überall auf den Feldern bis an den Rand in die Erde gegraben sind. In diese werden die Excremente geschüttet und ohne

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/90>, abgerufen am 28.04.2024.