Der japanische Buddismus hat Mönchs- und Nonnen-Orden, Monstranzen, Rauchgefässe, den Krummstab, Rosenkranz, Reliquien, Talismane und Ablasskram. Am Geburtstage des Siaka wird sein Bild unter grossen Feierlichkeiten gewaschen, am Tage nach seinem Eintritt in die Wüste beginnen in den Tempeln Fastenpredigten, die bis zu seinem Todestage dauern; die Ausschmückung des heiligen Grabes begeht man mit vielem Gepränge. Die Budda-Tempel sind viel zahlreicher und prächtiger als die Kami-Hallen; auf ihren Altären stehen Candelaber, Weihrauchbecken, künstliche Blumensträusse, bronzene Thierbilder und sonstiger Tand. Oft verbergen prächtige Goldgitter die grossen Götzen hinter dem Altar; in den Nebencapellen findet man viele kleinere Bildsäulen und mannichfache Votivgemälde. Der buddistische Pantheismus verschmäht es nicht, selbst die Bild- nisse hingebender Schönheiten in seine Tempel aufzunehmen, und schmeichelt auf jede Weise der leichtgläubigen Phantasie. -- Einige Tempel enthalten colossale, durch zwei Stockwerke reichende Bildsäulen; in anderen sind ganze Wände von oben bis unten mit Miniaturstatuetten aus einer und derselben Form bedeckt, man zählt sie nach Tausenden. Geschnitzt, gemalt, von Holz, von Stein und Bronze steht Budda an allen Ecken und Enden, bald aufrecht, bald sitzend auf der Lotosblume, segnend, betend oder in Betrachtung versunken, besonders zahlreich und oft in langen einförmigen Reihen zwischen den Grabstätten. Jeder Berg, jeder Fluss, jede Kluft ist einem Heiligen geweiht; an allen Pfaden fordern Götzenbilder den Wanderer zur Verrichtung der Andacht auf. Da das Gebet aber viel Zeit kostet, so haben die Bonzen einen sinnreichen Ausweg gefunden: in den senkrechten Einschnitt eines Pfahles ist eine kleine eiserne Radscheibe eingelassen, auf deren Rande die angemessene Formel eingegraben steht. Der Vorübergehende setzt das Rädchen durch einen leichten Fingerdruck in schnelle Bewegung; so vielmal sich nun die Scheibe dreht, so viele Gebete werden ihm angerechnet.
Die buddistischen Bonzen gehen geschorenen Hauptes und in langen faltigen Gewändern; sie müssen im Cölibat leben und dürfen weder Fleisch noch Fisch essen, scheinen sich aber mit der äusseren Heiligkeit zu begnügen; die meisten gelten für habsüchtig und ausschweifend. --
Es giebt, wie gesagt, mancherlei Mönchs- und Nonnen-Orden. Unter ersteren ist der der Yamambo's, Bergmönche (nach Kämpfer Bergsoldaten) einer der zahlreichsten; man begegnet ihnen häufig
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VI. Der Budda-Dienst.
Der japanische Buddismus hat Mönchs- und Nonnen-Orden, Monstranzen, Rauchgefässe, den Krummstab, Rosenkranz, Reliquien, Talismane und Ablasskram. Am Geburtstage des Siaka wird sein Bild unter grossen Feierlichkeiten gewaschen, am Tage nach seinem Eintritt in die Wüste beginnen in den Tempeln Fastenpredigten, die bis zu seinem Todestage dauern; die Ausschmückung des heiligen Grabes begeht man mit vielem Gepränge. Die Budda-Tempel sind viel zahlreicher und prächtiger als die Kami-Hallen; auf ihren Altären stehen Candelaber, Weihrauchbecken, künstliche Blumensträusse, bronzene Thierbilder und sonstiger Tand. Oft verbergen prächtige Goldgitter die grossen Götzen hinter dem Altar; in den Nebencapellen findet man viele kleinere Bildsäulen und mannichfache Votivgemälde. Der buddistische Pantheismus verschmäht es nicht, selbst die Bild- nisse hingebender Schönheiten in seine Tempel aufzunehmen, und schmeichelt auf jede Weise der leichtgläubigen Phantasie. — Einige Tempel enthalten colossale, durch zwei Stockwerke reichende Bildsäulen; in anderen sind ganze Wände von oben bis unten mit Miniaturstatuetten aus einer und derselben Form bedeckt, man zählt sie nach Tausenden. Geschnitzt, gemalt, von Holz, von Stein und Bronze steht Budda an allen Ecken und Enden, bald aufrecht, bald sitzend auf der Lotosblume, segnend, betend oder in Betrachtung versunken, besonders zahlreich und oft in langen einförmigen Reihen zwischen den Grabstätten. Jeder Berg, jeder Fluss, jede Kluft ist einem Heiligen geweiht; an allen Pfaden fordern Götzenbilder den Wanderer zur Verrichtung der Andacht auf. Da das Gebet aber viel Zeit kostet, so haben die Bonzen einen sinnreichen Ausweg gefunden: in den senkrechten Einschnitt eines Pfahles ist eine kleine eiserne Radscheibe eingelassen, auf deren Rande die angemessene Formel eingegraben steht. Der Vorübergehende setzt das Rädchen durch einen leichten Fingerdruck in schnelle Bewegung; so vielmal sich nun die Scheibe dreht, so viele Gebete werden ihm angerechnet.
Die buddistischen Bonzen gehen geschorenen Hauptes und in langen faltigen Gewändern; sie müssen im Cölibat leben und dürfen weder Fleisch noch Fisch essen, scheinen sich aber mit der äusseren Heiligkeit zu begnügen; die meisten gelten für habsüchtig und ausschweifend. —
Es giebt, wie gesagt, mancherlei Mönchs- und Nonnen-Orden. Unter ersteren ist der der Yamambo’s, Bergmönche (nach Kämpfer Bergsoldaten) einer der zahlreichsten; man begegnet ihnen häufig
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VI. Der Budda-Dienst.
Der japanische Buddismus hat Mönchs- und Nonnen-Orden,
Monstranzen, Rauchgefässe, den Krummstab, Rosenkranz, Reliquien,
Talismane und Ablasskram. Am Geburtstage des Siaka wird sein
Bild unter grossen Feierlichkeiten gewaschen, am Tage nach seinem
Eintritt in die Wüste beginnen in den Tempeln Fastenpredigten, die
bis zu seinem Todestage dauern; die Ausschmückung des heiligen
Grabes begeht man mit vielem Gepränge. Die Budda-Tempel sind
viel zahlreicher und prächtiger als die Kami-Hallen; auf ihren Altären
stehen Candelaber, Weihrauchbecken, künstliche Blumensträusse,
bronzene Thierbilder und sonstiger Tand. Oft verbergen prächtige
Goldgitter die grossen Götzen hinter dem Altar; in den Nebencapellen
findet man viele kleinere Bildsäulen und mannichfache Votivgemälde.
Der buddistische Pantheismus verschmäht es nicht, selbst die Bild-
nisse hingebender Schönheiten in seine Tempel aufzunehmen, und
schmeichelt auf jede Weise der leichtgläubigen Phantasie. — Einige
Tempel enthalten colossale, durch zwei Stockwerke reichende
Bildsäulen; in anderen sind ganze Wände von oben bis unten mit
Miniaturstatuetten aus einer und derselben Form bedeckt, man zählt
sie nach Tausenden. Geschnitzt, gemalt, von Holz, von Stein und
Bronze steht Budda an allen Ecken und Enden, bald aufrecht, bald
sitzend auf der Lotosblume, segnend, betend oder in Betrachtung
versunken, besonders zahlreich und oft in langen einförmigen Reihen
zwischen den Grabstätten. Jeder Berg, jeder Fluss, jede Kluft ist
einem Heiligen geweiht; an allen Pfaden fordern Götzenbilder den
Wanderer zur Verrichtung der Andacht auf. Da das Gebet aber
viel Zeit kostet, so haben die Bonzen einen sinnreichen Ausweg
gefunden: in den senkrechten Einschnitt eines Pfahles ist eine kleine
eiserne Radscheibe eingelassen, auf deren Rande die angemessene
Formel eingegraben steht. Der Vorübergehende setzt das Rädchen
durch einen leichten Fingerdruck in schnelle Bewegung; so vielmal
sich nun die Scheibe dreht, so viele Gebete werden ihm angerechnet.
Die buddistischen Bonzen gehen geschorenen Hauptes und
in langen faltigen Gewändern; sie müssen im Cölibat leben und
dürfen weder Fleisch noch Fisch essen, scheinen sich aber mit der
äusseren Heiligkeit zu begnügen; die meisten gelten für habsüchtig
und ausschweifend. —
Es giebt, wie gesagt, mancherlei Mönchs- und Nonnen-Orden.
Unter ersteren ist der der Yamambo’s, Bergmönche (nach Kämpfer
Bergsoldaten) einer der zahlreichsten; man begegnet ihnen häufig
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/53>, abgerufen am 22.11.2024.
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