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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Der japanische Buddismus. VI.
reine Lehre des Budda Amida bewahrt und jeden anderen Cultus
verabscheut. -- Die japanischen Pilger tragen sonderbarer Weise
dasselbe Abzeichen wie früher die abendländischen, nämlich eine
Kamm-Muschel an Hüten und Mänteln.

Der Buddismus der japanischen Secten ist also mehr oder
weniger mit Elementen des Sinto-Dienstes versetzt; gewiss war auch
schon die Lehre, wie sie aus China herüberkam, von der ursprüng-
lichen indischen sehr verschieden. In dieser ist Budda weder Gottheit
noch Mittler noch Prophet, sondern eigentlich nur Vorbild, die
höchste Potenz menschlicher Vollkommenheit. Es ist hier nicht
der Ort in die sinnverwirrenden Abstractionen der alt-buddistischen
Atheologie einzugehen; die indische Lehre ist im besten Falle
pantheistisch. In Japan aber hat allem Anschein nach das Seelen-
bedürfniss des Volkes die Apostel und Gründer der Secten zu
Gottheiten, Mittlern und Propheten gestempelt, die es anbetet. Der
indische Sakiamuni -- japanisch Siaka, -- die Propheten Darma
und Amida geniessen der höchsten Verehrung; sie erscheinen in der
Legende als Incarnationen der Gottheit, sterben und erstehen unter
mancherlei Gestalten in China, Indien und Japan. Am meisten scheint
der Cultus des Amida verbreitet zu sein, der helfenden, rettenden
Gottheit, welche das Land der himmlischen Freuden bewohnt und
bei dem höchsten Richter für die Gläubigen Fürsprache thut. Auch
andere Stifter der Secten und berühmter Tempel werden als Mittler
verehrt, welche, mit gläubiger Inbrunst angerufen, durch das Ueber-
maass ihres Verdienstes die Seelen aus dem Fegefeuer erlösen. Im
japanischen Buddismus ist das ganze Weltall mit heiligen Wesen
erfüllt, die theils wunderbare Naturkräfte und besondere Eigen-
schaften der Gottheit versinnlichen, theils vergötterte Menschen
darstellen, die sich um ihr Geschlecht verdient gemacht haben: so
die Gongen, unter menschlicher Gestalt erstandene Götter; die
Myodzin, verklärte Geister der Märtyrer, die sieben Budda-Heilande
und die sechs Nothhelfer, die Bodisatwa's, Kuannon's, Lichtkönige,
Genien, Elfen und Kobolde aller Art. -- Die Lehre von der Seelen-
wanderung scheint im östlichen Asien weniger ausgebildet zu sein
als in den Stammländern des Buddismus. -- Nach Siebold unter-
scheidet man in Japan eine höhere und niedere Glaubenslehre; jene
wäre das auf geistige Anbetung gegründete Bekenntniss frommer
Priester, diese der sinnliche Bilderdienst des in dumpfem Aberglauben
befangenen Volkes.

Der japanische Buddismus. VI.
reine Lehre des Budda Amida bewahrt und jeden anderen Cultus
verabscheut. — Die japanischen Pilger tragen sonderbarer Weise
dasselbe Abzeichen wie früher die abendländischen, nämlich eine
Kamm-Muschel an Hüten und Mänteln.

Der Buddismus der japanischen Secten ist also mehr oder
weniger mit Elementen des Sinto-Dienstes versetzt; gewiss war auch
schon die Lehre, wie sie aus China herüberkam, von der ursprüng-
lichen indischen sehr verschieden. In dieser ist Budda weder Gottheit
noch Mittler noch Prophet, sondern eigentlich nur Vorbild, die
höchste Potenz menschlicher Vollkommenheit. Es ist hier nicht
der Ort in die sinnverwirrenden Abstractionen der alt-buddistischen
Atheologie einzugehen; die indische Lehre ist im besten Falle
pantheistisch. In Japan aber hat allem Anschein nach das Seelen-
bedürfniss des Volkes die Apostel und Gründer der Secten zu
Gottheiten, Mittlern und Propheten gestempelt, die es anbetet. Der
indische Šakiamuni — japanisch Siaka, — die Propheten Darma
und Amida geniessen der höchsten Verehrung; sie erscheinen in der
Legende als Incarnationen der Gottheit, sterben und erstehen unter
mancherlei Gestalten in China, Indien und Japan. Am meisten scheint
der Cultus des Amida verbreitet zu sein, der helfenden, rettenden
Gottheit, welche das Land der himmlischen Freuden bewohnt und
bei dem höchsten Richter für die Gläubigen Fürsprache thut. Auch
andere Stifter der Secten und berühmter Tempel werden als Mittler
verehrt, welche, mit gläubiger Inbrunst angerufen, durch das Ueber-
maass ihres Verdienstes die Seelen aus dem Fegefeuer erlösen. Im
japanischen Buddismus ist das ganze Weltall mit heiligen Wesen
erfüllt, die theils wunderbare Naturkräfte und besondere Eigen-
schaften der Gottheit versinnlichen, theils vergötterte Menschen
darstellen, die sich um ihr Geschlecht verdient gemacht haben: so
die Goṅgen, unter menschlicher Gestalt erstandene Götter; die
Myodžin, verklärte Geister der Märtyrer, die sieben Budda-Heilande
und die sechs Nothhelfer, die Bodisatwa’s, Kuannon’s, Lichtkönige,
Genien, Elfen und Kobolde aller Art. — Die Lehre von der Seelen-
wanderung scheint im östlichen Asien weniger ausgebildet zu sein
als in den Stammländern des Buddismus. — Nach Siebold unter-
scheidet man in Japan eine höhere und niedere Glaubenslehre; jene
wäre das auf geistige Anbetung gegründete Bekenntniss frommer
Priester, diese der sinnliche Bilderdienst des in dumpfem Aberglauben
befangenen Volkes.

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[32/0052] Der japanische Buddismus. VI. reine Lehre des Budda Amida bewahrt und jeden anderen Cultus verabscheut. — Die japanischen Pilger tragen sonderbarer Weise dasselbe Abzeichen wie früher die abendländischen, nämlich eine Kamm-Muschel an Hüten und Mänteln. Der Buddismus der japanischen Secten ist also mehr oder weniger mit Elementen des Sinto-Dienstes versetzt; gewiss war auch schon die Lehre, wie sie aus China herüberkam, von der ursprüng- lichen indischen sehr verschieden. In dieser ist Budda weder Gottheit noch Mittler noch Prophet, sondern eigentlich nur Vorbild, die höchste Potenz menschlicher Vollkommenheit. Es ist hier nicht der Ort in die sinnverwirrenden Abstractionen der alt-buddistischen Atheologie einzugehen; die indische Lehre ist im besten Falle pantheistisch. In Japan aber hat allem Anschein nach das Seelen- bedürfniss des Volkes die Apostel und Gründer der Secten zu Gottheiten, Mittlern und Propheten gestempelt, die es anbetet. Der indische Šakiamuni — japanisch Siaka, — die Propheten Darma und Amida geniessen der höchsten Verehrung; sie erscheinen in der Legende als Incarnationen der Gottheit, sterben und erstehen unter mancherlei Gestalten in China, Indien und Japan. Am meisten scheint der Cultus des Amida verbreitet zu sein, der helfenden, rettenden Gottheit, welche das Land der himmlischen Freuden bewohnt und bei dem höchsten Richter für die Gläubigen Fürsprache thut. Auch andere Stifter der Secten und berühmter Tempel werden als Mittler verehrt, welche, mit gläubiger Inbrunst angerufen, durch das Ueber- maass ihres Verdienstes die Seelen aus dem Fegefeuer erlösen. Im japanischen Buddismus ist das ganze Weltall mit heiligen Wesen erfüllt, die theils wunderbare Naturkräfte und besondere Eigen- schaften der Gottheit versinnlichen, theils vergötterte Menschen darstellen, die sich um ihr Geschlecht verdient gemacht haben: so die Goṅgen, unter menschlicher Gestalt erstandene Götter; die Myodžin, verklärte Geister der Märtyrer, die sieben Budda-Heilande und die sechs Nothhelfer, die Bodisatwa’s, Kuannon’s, Lichtkönige, Genien, Elfen und Kobolde aller Art. — Die Lehre von der Seelen- wanderung scheint im östlichen Asien weniger ausgebildet zu sein als in den Stammländern des Buddismus. — Nach Siebold unter- scheidet man in Japan eine höhere und niedere Glaubenslehre; jene wäre das auf geistige Anbetung gegründete Bekenntniss frommer Priester, diese der sinnliche Bilderdienst des in dumpfem Aberglauben befangenen Volkes.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/52>, abgerufen am 28.04.2024.