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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Anh. II. Schreiben des Fürsten von Nangato.
Volk erliess die Regierung folgende Proclamation, welche auch in
den Strassen von Yokuhama angeschlagen wurde.

Da die Stadt und der Palast des Mikado abgebrannt
sind, so werden hiermit alle theatralischen und musika-
lischen Aufführungen, lustigen Aufzüge, überhaupt alle
öffentlichen Vergnügen verboten. Diese Verordnung ist
bis auf weiteren Befehl streng zu beobachten.

Um dieselbe Zeit wurde in Yokuhama auch das Bruchstück
eines Schreibens des Fürsten von Nangato bekannt, das die be-
kannten Ereignisse und umlaufenden Gerüchte in auffallender Weise
ergänzt und deshalb wohl für ächt zu halten ist. Es datirt aus
dem Anfang des Jahres, etwa Januar 1864. Der Fürst beginnt mit
der Aussage, dass er schon bei Abschluss des ersten amerikanischen
Vertrages 1854 auf Abweisung der Fremden gedrungen habe; der
Mikado und der Taikun wären anfangs auch einverstanden ge-
wesen. -- Bei Anwesenheit des Taikun in Miako 1862 sei die Ver-
bannung der Fremden abermals verfügt, aber nicht ausgeführt worden.
Er habe daran gemahnt, und dann, auf den Juni des Jahres 1863
vertröstet, seinen Unterthanen dieses verkündet. Ein Decret des
Mikado habe ihm darauf den 24. Juni als Termin der gewaltsamen
Vertreibung genannt, ein anderes des Taikun den 28. Juni; da aber
dieser zugleich befohlen hätte, den Weisungen des Mikado nach-
zukommen, so habe er, einen Irrthum im Schreiben des Taikun
vermuthend, am 24. Juni ein Schiff angegriffen. Zugleich habe er
den Mikado aufgefordert alle Daimio's zur Vertreibung der Fremden
anzuweisen; der ganze Westen des Reiches wäre kriegsbereit ge-
wesen; der Erbkaiser habe ihn durch seine Gesandten trösten und
ermuthigen lassen. Nun sei er durch widersprechende Nachrichten
verwirrt worden. Der Fürt von Mito habe dem Kuanbak in Miako
geschrieben, dass der Reichsrath in sich uneinig sei; Midsuno
Idsumi-no-kami
25) habe ihn benachrichtigt, dass keine Feindselig-
keiten verübt werden dürften, während die Verhandlungen in
Yokuhama schwebten; dass ohne Befehl des Taikun auf kein Schiff
geschossen werden dürfe, weil der Mikado ihm, dem Kaiser, die
Vertreibung der Ausländer übertragen habe. Er hätte darauf ge-
antwortet, dass der Taikun nicht anderen Sinnes sein dürfe als der
Mikado, dass die Vertreibung, einmal beschlossen, auch durchge-
führt werden müsse. Er habe deshalb recht gehabt auf die Schiffe

25) Ein Minister des Taikun.

Anh. II. Schreiben des Fürsten von Naṅgato.
Volk erliess die Regierung folgende Proclamation, welche auch in
den Strassen von Yokuhama angeschlagen wurde.

Da die Stadt und der Palast des Mikado abgebrannt
sind, so werden hiermit alle theatralischen und musika-
lischen Aufführungen, lustigen Aufzüge, überhaupt alle
öffentlichen Vergnügen verboten. Diese Verordnung ist
bis auf weiteren Befehl streng zu beobachten.

Um dieselbe Zeit wurde in Yokuhama auch das Bruchstück
eines Schreibens des Fürsten von Naṅgato bekannt, das die be-
kannten Ereignisse und umlaufenden Gerüchte in auffallender Weise
ergänzt und deshalb wohl für ächt zu halten ist. Es datirt aus
dem Anfang des Jahres, etwa Januar 1864. Der Fürst beginnt mit
der Aussage, dass er schon bei Abschluss des ersten amerikanischen
Vertrages 1854 auf Abweisung der Fremden gedrungen habe; der
Mikado und der Taïkūn wären anfangs auch einverstanden ge-
wesen. — Bei Anwesenheit des Taïkūn in Miako 1862 sei die Ver-
bannung der Fremden abermals verfügt, aber nicht ausgeführt worden.
Er habe daran gemahnt, und dann, auf den Juni des Jahres 1863
vertröstet, seinen Unterthanen dieses verkündet. Ein Decret des
Mikado habe ihm darauf den 24. Juni als Termin der gewaltsamen
Vertreibung genannt, ein anderes des Taïkūn den 28. Juni; da aber
dieser zugleich befohlen hätte, den Weisungen des Mikado nach-
zukommen, so habe er, einen Irrthum im Schreiben des Taïkūn
vermuthend, am 24. Juni ein Schiff angegriffen. Zugleich habe er
den Mikado aufgefordert alle Daïmio’s zur Vertreibung der Fremden
anzuweisen; der ganze Westen des Reiches wäre kriegsbereit ge-
wesen; der Erbkaiser habe ihn durch seine Gesandten trösten und
ermuthigen lassen. Nun sei er durch widersprechende Nachrichten
verwirrt worden. Der Fürt von Mito habe dem Kuanbak in Miako
geschrieben, dass der Reichsrath in sich uneinig sei; Midsuno
Idsumi-no-kami
25) habe ihn benachrichtigt, dass keine Feindselig-
keiten verübt werden dürften, während die Verhandlungen in
Yokuhama schwebten; dass ohne Befehl des Taïkūn auf kein Schiff
geschossen werden dürfe, weil der Mikado ihm, dem Kaiser, die
Vertreibung der Ausländer übertragen habe. Er hätte darauf ge-
antwortet, dass der Taïkūn nicht anderen Sinnes sein dürfe als der
Mikado, dass die Vertreibung, einmal beschlossen, auch durchge-
führt werden müsse. Er habe deshalb recht gehabt auf die Schiffe

25) Ein Minister des Taïkūn.
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[345/0365] Anh. II. Schreiben des Fürsten von Naṅgato. Volk erliess die Regierung folgende Proclamation, welche auch in den Strassen von Yokuhama angeschlagen wurde. Da die Stadt und der Palast des Mikado abgebrannt sind, so werden hiermit alle theatralischen und musika- lischen Aufführungen, lustigen Aufzüge, überhaupt alle öffentlichen Vergnügen verboten. Diese Verordnung ist bis auf weiteren Befehl streng zu beobachten. Um dieselbe Zeit wurde in Yokuhama auch das Bruchstück eines Schreibens des Fürsten von Naṅgato bekannt, das die be- kannten Ereignisse und umlaufenden Gerüchte in auffallender Weise ergänzt und deshalb wohl für ächt zu halten ist. Es datirt aus dem Anfang des Jahres, etwa Januar 1864. Der Fürst beginnt mit der Aussage, dass er schon bei Abschluss des ersten amerikanischen Vertrages 1854 auf Abweisung der Fremden gedrungen habe; der Mikado und der Taïkūn wären anfangs auch einverstanden ge- wesen. — Bei Anwesenheit des Taïkūn in Miako 1862 sei die Ver- bannung der Fremden abermals verfügt, aber nicht ausgeführt worden. Er habe daran gemahnt, und dann, auf den Juni des Jahres 1863 vertröstet, seinen Unterthanen dieses verkündet. Ein Decret des Mikado habe ihm darauf den 24. Juni als Termin der gewaltsamen Vertreibung genannt, ein anderes des Taïkūn den 28. Juni; da aber dieser zugleich befohlen hätte, den Weisungen des Mikado nach- zukommen, so habe er, einen Irrthum im Schreiben des Taïkūn vermuthend, am 24. Juni ein Schiff angegriffen. Zugleich habe er den Mikado aufgefordert alle Daïmio’s zur Vertreibung der Fremden anzuweisen; der ganze Westen des Reiches wäre kriegsbereit ge- wesen; der Erbkaiser habe ihn durch seine Gesandten trösten und ermuthigen lassen. Nun sei er durch widersprechende Nachrichten verwirrt worden. Der Fürt von Mito habe dem Kuanbak in Miako geschrieben, dass der Reichsrath in sich uneinig sei; Midsuno Idsumi-no-kami 25) habe ihn benachrichtigt, dass keine Feindselig- keiten verübt werden dürften, während die Verhandlungen in Yokuhama schwebten; dass ohne Befehl des Taïkūn auf kein Schiff geschossen werden dürfe, weil der Mikado ihm, dem Kaiser, die Vertreibung der Ausländer übertragen habe. Er hätte darauf ge- antwortet, dass der Taïkūn nicht anderen Sinnes sein dürfe als der Mikado, dass die Vertreibung, einmal beschlossen, auch durchge- führt werden müsse. Er habe deshalb recht gehabt auf die Schiffe 25) Ein Minister des Taïkūn.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/365>, abgerufen am 21.05.2024.