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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Angriff auf die englische Gesandtschaft. Anh. II.
am Abhange der dicht bewachsenen Höhe, welche weiter nördlich
den Tempel von Sakaidzi trägt. Von den im Rücken des Grund-
stückes liegenden Stadtvierteln laufen zu beiden Seiten desselben
abschüssige Wege nach dem Tokaido hinab, auf welchen das
Hauptportal mündet; Nebeneingänge befinden sich auf der Höhe
und an der nördlichen Seite. Der ausgedehnte Tempelgarten ist
also von allen Seiten zugänglich und überdies nur mit Hecken und
schwachen Zäunen eingefriedigt, welche leicht zu durchbrechen sind.
Der kleine Vorhof vor dem Haupteingange des Gesandtschaftshauses,
welches mit dem Tempel zusammenhängt, war seit Heuskens Er-
mordung durch einen Palisadenzaun abgegränzt und mit verchliess-
barer Thür versehen; nach den anderen Seiten ist das Gebäude
offen und auch vom Tempel aus leicht zugänglich. In den warmen
Sommernächten liessen die Bewohner nicht einmal die Holzläden
vorsetzen, mit welchen sonst die japanischen Häuser Abends ge-
schlossen zu werden pflegen. Die Wache von To-dzen-dzi bestand
seit Heuskens Ermordung aus hundertfunfzig Zweischwertigen, kaiser-
lichen und Daimio-Soldaten, die theils in den an das Wohnhaus
gränzenden Gebäuden, theils in besonderen Wachthäusern an den
Eingängen und längs des von dem Hauptportal nach dem Tempel
führenden Weges untergebracht waren. In das Innere des Wohn-
gebäudes eine Yakunin-Wache aufzunehmen, wo sie nach Ansicht
der japanischen Staatsbeamten allein Sicherheit gewähren konnte,
hatte Herr Alcock sich niemals entschliessen können. -- Zwei
Nachtwächter im Dienste der Gesandtschaft mussten die Nacht
durch auf dem ganzen Grundstück die Runde machen.

Herr Alcock ging am 5. Juli gegen eilf Uhr zur Ruhe, wurde
aber bald von einem seiner Attache's mit der Nachricht geweckt,
dass draussen ein grosser Tumult sei und der vordere Eingang
forcirt werde. Er hatte sich kaum erhoben als der kurz vorher ein-
getroffene Gesandtschafts-Secretär Oliphant und der Consul Morrison
aus Nangasaki, der Herrn Alcock nach Yeddo begleitet hatte, in
das Zimmer stürzten, ersterer aus zwei schweren Wunden am Arm
und im Nacken, letzterer aus einer Schramme an der Stirn blutend.
Zwei andere Attache's folgten. Kurz darauf hörte man Leute von
der Gartenseite in den anstossenden Raum brechen, welche dann
aber eine falsche Richtung einschlugen und das Zimmer, wo Herr
Alcock mit den Seinen ganz stille blieb, verfehlten, obgleich nur ein
leichter Gaze-Vorsatz sie davon trennte. Auf der Vorderseite hörte

Angriff auf die englische Gesandtschaft. Anh. II.
am Abhange der dicht bewachsenen Höhe, welche weiter nördlich
den Tempel von Sakaidži trägt. Von den im Rücken des Grund-
stückes liegenden Stadtvierteln laufen zu beiden Seiten desselben
abschüssige Wege nach dem Tokaïdo hinab, auf welchen das
Hauptportal mündet; Nebeneingänge befinden sich auf der Höhe
und an der nördlichen Seite. Der ausgedehnte Tempelgarten ist
also von allen Seiten zugänglich und überdies nur mit Hecken und
schwachen Zäunen eingefriedigt, welche leicht zu durchbrechen sind.
Der kleine Vorhof vor dem Haupteingange des Gesandtschaftshauses,
welches mit dem Tempel zusammenhängt, war seit Heuskens Er-
mordung durch einen Palisadenzaun abgegränzt und mit verchliess-
barer Thür versehen; nach den anderen Seiten ist das Gebäude
offen und auch vom Tempel aus leicht zugänglich. In den warmen
Sommernächten liessen die Bewohner nicht einmal die Holzläden
vorsetzen, mit welchen sonst die japanischen Häuser Abends ge-
schlossen zu werden pflegen. Die Wache von To-džen-dži bestand
seit Heuskens Ermordung aus hundertfunfzig Zweischwertigen, kaiser-
lichen und Daïmio-Soldaten, die theils in den an das Wohnhaus
gränzenden Gebäuden, theils in besonderen Wachthäusern an den
Eingängen und längs des von dem Hauptportal nach dem Tempel
führenden Weges untergebracht waren. In das Innere des Wohn-
gebäudes eine Yakunin-Wache aufzunehmen, wo sie nach Ansicht
der japanischen Staatsbeamten allein Sicherheit gewähren konnte,
hatte Herr Alcock sich niemals entschliessen können. — Zwei
Nachtwächter im Dienste der Gesandtschaft mussten die Nacht
durch auf dem ganzen Grundstück die Runde machen.

Herr Alcock ging am 5. Juli gegen eilf Uhr zur Ruhe, wurde
aber bald von einem seiner Attaché’s mit der Nachricht geweckt,
dass draussen ein grosser Tumult sei und der vordere Eingang
forcirt werde. Er hatte sich kaum erhoben als der kurz vorher ein-
getroffene Gesandtschafts-Secretär Oliphant und der Consul Morrison
aus Naṅgasaki, der Herrn Alcock nach Yeddo begleitet hatte, in
das Zimmer stürzten, ersterer aus zwei schweren Wunden am Arm
und im Nacken, letzterer aus einer Schramme an der Stirn blutend.
Zwei andere Attaché’s folgten. Kurz darauf hörte man Leute von
der Gartenseite in den anstossenden Raum brechen, welche dann
aber eine falsche Richtung einschlugen und das Zimmer, wo Herr
Alcock mit den Seinen ganz stille blieb, verfehlten, obgleich nur ein
leichter Gaze-Vorsatz sie davon trennte. Auf der Vorderseite hörte

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[254/0274] Angriff auf die englische Gesandtschaft. Anh. II. am Abhange der dicht bewachsenen Höhe, welche weiter nördlich den Tempel von Sakaidži trägt. Von den im Rücken des Grund- stückes liegenden Stadtvierteln laufen zu beiden Seiten desselben abschüssige Wege nach dem Tokaïdo hinab, auf welchen das Hauptportal mündet; Nebeneingänge befinden sich auf der Höhe und an der nördlichen Seite. Der ausgedehnte Tempelgarten ist also von allen Seiten zugänglich und überdies nur mit Hecken und schwachen Zäunen eingefriedigt, welche leicht zu durchbrechen sind. Der kleine Vorhof vor dem Haupteingange des Gesandtschaftshauses, welches mit dem Tempel zusammenhängt, war seit Heuskens Er- mordung durch einen Palisadenzaun abgegränzt und mit verchliess- barer Thür versehen; nach den anderen Seiten ist das Gebäude offen und auch vom Tempel aus leicht zugänglich. In den warmen Sommernächten liessen die Bewohner nicht einmal die Holzläden vorsetzen, mit welchen sonst die japanischen Häuser Abends ge- schlossen zu werden pflegen. Die Wache von To-džen-dži bestand seit Heuskens Ermordung aus hundertfunfzig Zweischwertigen, kaiser- lichen und Daïmio-Soldaten, die theils in den an das Wohnhaus gränzenden Gebäuden, theils in besonderen Wachthäusern an den Eingängen und längs des von dem Hauptportal nach dem Tempel führenden Weges untergebracht waren. In das Innere des Wohn- gebäudes eine Yakunin-Wache aufzunehmen, wo sie nach Ansicht der japanischen Staatsbeamten allein Sicherheit gewähren konnte, hatte Herr Alcock sich niemals entschliessen können. — Zwei Nachtwächter im Dienste der Gesandtschaft mussten die Nacht durch auf dem ganzen Grundstück die Runde machen. Herr Alcock ging am 5. Juli gegen eilf Uhr zur Ruhe, wurde aber bald von einem seiner Attaché’s mit der Nachricht geweckt, dass draussen ein grosser Tumult sei und der vordere Eingang forcirt werde. Er hatte sich kaum erhoben als der kurz vorher ein- getroffene Gesandtschafts-Secretär Oliphant und der Consul Morrison aus Naṅgasaki, der Herrn Alcock nach Yeddo begleitet hatte, in das Zimmer stürzten, ersterer aus zwei schweren Wunden am Arm und im Nacken, letzterer aus einer Schramme an der Stirn blutend. Zwei andere Attaché’s folgten. Kurz darauf hörte man Leute von der Gartenseite in den anstossenden Raum brechen, welche dann aber eine falsche Richtung einschlugen und das Zimmer, wo Herr Alcock mit den Seinen ganz stille blieb, verfehlten, obgleich nur ein leichter Gaze-Vorsatz sie davon trennte. Auf der Vorderseite hörte

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/274>, abgerufen am 25.11.2024.