[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.Die politische Lage. Anh. II. zusetzen. Die starke Ausfuhr von Landeserzeugnissen steigerteerheblich die Preise aller Lebensbedürfnisse, und die Obrigkeit konnte der Versuchung nicht widerstehen, allen Nutzen für sich zu nehmen. Sie glaubte mit dem ihr daraus erwachsenden Reichthum den Daimio's neue Fesseln schmieden zu können, gab ihnen aber eine gefährliche Waffe in die Hand. Einige Fürsten sollen ihr das begangene Unrecht in aufrührerischen Schriften vorgehalten und sie ohne Umschweif beschuldigt haben, dass sie jedes Geschäft mit den Fremden schwer besteuere und die Preise lediglich zu ihrem eigenen Vortheil in die Höhe treibe, dass sie Theuerung und Ver- derben über das Land bringe. Die Hauptproducenten, die Daimio's, waren von allem Verkehr ausgeschlossen; sie mussten diesen Verträgen feind sein und eine ganz neue Ordnung der Dinge, vor Allem den Sturz der Centralgewalt wünschen. Die Verfeindung der Linien Kii und Mito und die Unmündigkeit des Siogun be- günstigten ihre Anschläge; sie schürten die Zwietracht im Herrscher- hause, weckten den alten Ehrgeiz des Mikado-Thrones durch An- rufung seiner Suprematie über den Siogun, liessen die Erblande des letzteren durch fanatische Banden beunruhigen, welche, ihre Drohungen bis in die Hauptstadt tragend, das Ansehn der schwäch- lichen Regierung untergraben und sie durch Ermordung von Fremden in Conflict mit dem Auslande bringen sollten. Wäre Einheit im Regiment, das alte System noch in voller Kraft gewesen, so konnte solche Bewegung nicht aufkommen. Aber die Spaltung im Herr- scherhause wuchs; die Parthei des Prinzen von Mito, -- dessen Sohn seine ehrgeizigen Ansprüche geerbt hatte, -- conspirirte, wie es scheint, mit den rebellischen Fürsten und lähmte alle Schritte der Regierung. Die meisten Daimio's wollten wohl nur Unabhängig- keit, einige mächtigere und der Fürst von Mito die Siogun-Würde für sich selbst; alle aber waren einig in dem Streben, die Macht der Centralgewalt zu brechen. Sie benutzten dazu die Verträge, nicht in der Absicht die Fremden, sondern den Taikun zu vertreiben. Ein bestimmter gemeinsamer Plan und ein klarer Gedanke von dem, was nachher werden soll, ist in der Bewegung nicht zu erkennen, und das schliessliche Resultat lässt sich auch jetzt noch nicht ab- sehen; man geht unter Benutzung aller Hülfsmittel einfach auf den Sturz der alten Ordnung los. Die regierungsfeindlichen Fürsten rufen den Mikado an, die ohne seine Sanction geschlossenen Verträge für ungültig zu erklären und den Befehl zur Vertreibung der Fremden Die politische Lage. Anh. II. zusetzen. Die starke Ausfuhr von Landeserzeugnissen steigerteerheblich die Preise aller Lebensbedürfnisse, und die Obrigkeit konnte der Versuchung nicht widerstehen, allen Nutzen für sich zu nehmen. Sie glaubte mit dem ihr daraus erwachsenden Reichthum den Daïmio’s neue Fesseln schmieden zu können, gab ihnen aber eine gefährliche Waffe in die Hand. Einige Fürsten sollen ihr das begangene Unrecht in aufrührerischen Schriften vorgehalten und sie ohne Umschweif beschuldigt haben, dass sie jedes Geschäft mit den Fremden schwer besteuere und die Preise lediglich zu ihrem eigenen Vortheil in die Höhe treibe, dass sie Theuerung und Ver- derben über das Land bringe. Die Hauptproducenten, die Daïmio’s, waren von allem Verkehr ausgeschlossen; sie mussten diesen Verträgen feind sein und eine ganz neue Ordnung der Dinge, vor Allem den Sturz der Centralgewalt wünschen. Die Verfeindung der Linien Kiï und Mito und die Unmündigkeit des Siogun be- günstigten ihre Anschläge; sie schürten die Zwietracht im Herrscher- hause, weckten den alten Ehrgeiz des Mikado-Thrones durch An- rufung seiner Suprematie über den Siogun, liessen die Erblande des letzteren durch fanatische Banden beunruhigen, welche, ihre Drohungen bis in die Hauptstadt tragend, das Ansehn der schwäch- lichen Regierung untergraben und sie durch Ermordung von Fremden in Conflict mit dem Auslande bringen sollten. Wäre Einheit im Regiment, das alte System noch in voller Kraft gewesen, so konnte solche Bewegung nicht aufkommen. Aber die Spaltung im Herr- scherhause wuchs; die Parthei des Prinzen von Mito, — dessen Sohn seine ehrgeizigen Ansprüche geerbt hatte, — conspirirte, wie es scheint, mit den rebellischen Fürsten und lähmte alle Schritte der Regierung. Die meisten Daïmio’s wollten wohl nur Unabhängig- keit, einige mächtigere und der Fürst von Mito die Siogun-Würde für sich selbst; alle aber waren einig in dem Streben, die Macht der Centralgewalt zu brechen. Sie benutzten dazu die Verträge, nicht in der Absicht die Fremden, sondern den Taïkūn zu vertreiben. Ein bestimmter gemeinsamer Plan und ein klarer Gedanke von dem, was nachher werden soll, ist in der Bewegung nicht zu erkennen, und das schliessliche Resultat lässt sich auch jetzt noch nicht ab- sehen; man geht unter Benutzung aller Hülfsmittel einfach auf den Sturz der alten Ordnung los. Die regierungsfeindlichen Fürsten rufen den Mikado an, die ohne seine Sanction geschlossenen Verträge für ungültig zu erklären und den Befehl zur Vertreibung der Fremden <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0272" n="252"/><fw place="top" type="header">Die politische Lage. Anh. II.</fw><lb/> zusetzen. 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Die politische Lage. Anh. II.
zusetzen. Die starke Ausfuhr von Landeserzeugnissen steigerte
erheblich die Preise aller Lebensbedürfnisse, und die Obrigkeit
konnte der Versuchung nicht widerstehen, allen Nutzen für sich zu
nehmen. Sie glaubte mit dem ihr daraus erwachsenden Reichthum
den Daïmio’s neue Fesseln schmieden zu können, gab ihnen aber
eine gefährliche Waffe in die Hand. Einige Fürsten sollen ihr das
begangene Unrecht in aufrührerischen Schriften vorgehalten und
sie ohne Umschweif beschuldigt haben, dass sie jedes Geschäft mit
den Fremden schwer besteuere und die Preise lediglich zu ihrem
eigenen Vortheil in die Höhe treibe, dass sie Theuerung und Ver-
derben über das Land bringe. Die Hauptproducenten, die Daïmio’s,
waren von allem Verkehr ausgeschlossen; sie mussten diesen
Verträgen feind sein und eine ganz neue Ordnung der Dinge, vor
Allem den Sturz der Centralgewalt wünschen. Die Verfeindung
der Linien Kiï und Mito und die Unmündigkeit des Siogun be-
günstigten ihre Anschläge; sie schürten die Zwietracht im Herrscher-
hause, weckten den alten Ehrgeiz des Mikado-Thrones durch An-
rufung seiner Suprematie über den Siogun, liessen die Erblande
des letzteren durch fanatische Banden beunruhigen, welche, ihre
Drohungen bis in die Hauptstadt tragend, das Ansehn der schwäch-
lichen Regierung untergraben und sie durch Ermordung von Fremden
in Conflict mit dem Auslande bringen sollten. Wäre Einheit im
Regiment, das alte System noch in voller Kraft gewesen, so konnte
solche Bewegung nicht aufkommen. Aber die Spaltung im Herr-
scherhause wuchs; die Parthei des Prinzen von Mito, — dessen
Sohn seine ehrgeizigen Ansprüche geerbt hatte, — conspirirte, wie
es scheint, mit den rebellischen Fürsten und lähmte alle Schritte
der Regierung. Die meisten Daïmio’s wollten wohl nur Unabhängig-
keit, einige mächtigere und der Fürst von Mito die Siogun-Würde
für sich selbst; alle aber waren einig in dem Streben, die Macht
der Centralgewalt zu brechen. Sie benutzten dazu die Verträge,
nicht in der Absicht die Fremden, sondern den Taïkūn zu vertreiben.
Ein bestimmter gemeinsamer Plan und ein klarer Gedanke von dem,
was nachher werden soll, ist in der Bewegung nicht zu erkennen,
und das schliessliche Resultat lässt sich auch jetzt noch nicht ab-
sehen; man geht unter Benutzung aller Hülfsmittel einfach auf den
Sturz der alten Ordnung los. Die regierungsfeindlichen Fürsten
rufen den Mikado an, die ohne seine Sanction geschlossenen Verträge
für ungültig zu erklären und den Befehl zur Vertreibung der Fremden
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