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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Kanagava -- Yokuhama. VI.
die Häuser städtischer. Der Raum zwischen dem Meere und der
steil abfallenden Höhe verengt sich zu einem schmalen Streifen,
den ein Labyrinth gewundener Gassen und Gässchen erfüllt. Auf
der Höhe rechts und an ihrem Abhange liegen Tempel und andere
ansehnliche Gebäude, die Wohnungen der Consuln; schwindelnde
Treppenfluchten führen bis zum Gipfel hinan. -- Der Gesandte stieg
bei Herrn von Bellecourt ab, der grade in Geschäften anwesend
war; seine Begleiter fanden im englischen und im portugiesischen
Consulat gastliche Aufnahme. Die Yakunine wurden entlassen, denn
hier durfte man sich ohne Escorte bewegen.

Kanagava bietet ausser seiner schönen Lage und dem Blick
von den Höhen auf die freundliche belebte Bucht kaum etwas
Bemerkenswerthes; Einige von uns fuhren noch denselben Nachmittag
nach Yokuhama hinüber zu ihren dort wohnenden Reisegefährten.
Die Bootsfahrt dauert bei gutem Wetter kaum eine halbe Stunde;
der Fusi-yama, der uns an diesem Tage zuerst im weissen Winter-
kleide erschien, spiegelte majestätisch sein glänzendes Haupt in
dem weiten Becken.

Wir fanden unsere Freunde in dem damals in Entstehung
begriffenen Yokuhama-Hotel, -- das ein gewesener holländischer
Schiffscapitän baute, -- zwar nicht sehr bequem eingerichtet, aber
zufrieden mit ihrem Aufenthalt. Das Vordergebäude des Gasthofes
wurde eben in Angriff genommen und noch im Laufe des Winters
vollendet; der geräumige Hof, an drei Seiten von langen einstöckigen
Baracken umschlossen, lag voll Baumaterial; auf der einen Seite
der Speisesaal mit Billard und Schankzimmer, gegenüber eine Reihe
kleiner Wohn- und Schlafstuben, im Grunde, dem Hauptgebäude
gegenüber, die Pferdeställe, Alles in Eile budenartig zusammenge-
zimmert und halb japanisch, halb europäisch eingerichtet. Das
Ganze glich damals einer improvisirten Jahrmarktsschenke; aber
Küche und Keller waren gut, der Wirth zuverlässig und gefällig,
und für Bedienung sorgte man selbst. Yokuhama, zwei Jahre vorher
noch ein elendes Fischerdorf, blühte mächtig auf, und, war auch
die goldene Zeit der Kobang-Ausfuhr vorüber, so wurden doch
täglich noch bedeutende Summen gewonnen. Alle grossen west-
ländischen Handelshäuser China's hatten dort ihre Commanditen und
setzten grosse Massen baaren Silbers in Umlauf; die Waaren-Ausfuhr
blieb immer hinter der Nachfrage zurück. Japanische, europäische
und amerikanische Kaufleute, Handwerker und Abentheurer strömten

KanagavaYokuhama. VI.
die Häuser städtischer. Der Raum zwischen dem Meere und der
steil abfallenden Höhe verengt sich zu einem schmalen Streifen,
den ein Labyrinth gewundener Gassen und Gässchen erfüllt. Auf
der Höhe rechts und an ihrem Abhange liegen Tempel und andere
ansehnliche Gebäude, die Wohnungen der Consuln; schwindelnde
Treppenfluchten führen bis zum Gipfel hinan. — Der Gesandte stieg
bei Herrn von Bellecourt ab, der grade in Geschäften anwesend
war; seine Begleiter fanden im englischen und im portugiesischen
Consulat gastliche Aufnahme. Die Yakunine wurden entlassen, denn
hier durfte man sich ohne Escorte bewegen.

Kanagava bietet ausser seiner schönen Lage und dem Blick
von den Höhen auf die freundliche belebte Bucht kaum etwas
Bemerkenswerthes; Einige von uns fuhren noch denselben Nachmittag
nach Yokuhama hinüber zu ihren dort wohnenden Reisegefährten.
Die Bootsfahrt dauert bei gutem Wetter kaum eine halbe Stunde;
der Fusi-yama, der uns an diesem Tage zuerst im weissen Winter-
kleide erschien, spiegelte majestätisch sein glänzendes Haupt in
dem weiten Becken.

Wir fanden unsere Freunde in dem damals in Entstehung
begriffenen Yokuhama-Hotel, — das ein gewesener holländischer
Schiffscapitän baute, — zwar nicht sehr bequem eingerichtet, aber
zufrieden mit ihrem Aufenthalt. Das Vordergebäude des Gasthofes
wurde eben in Angriff genommen und noch im Laufe des Winters
vollendet; der geräumige Hof, an drei Seiten von langen einstöckigen
Baracken umschlossen, lag voll Baumaterial; auf der einen Seite
der Speisesaal mit Billard und Schankzimmer, gegenüber eine Reihe
kleiner Wohn- und Schlafstuben, im Grunde, dem Hauptgebäude
gegenüber, die Pferdeställe, Alles in Eile budenartig zusammenge-
zimmert und halb japanisch, halb europäisch eingerichtet. Das
Ganze glich damals einer improvisirten Jahrmarktsschenke; aber
Küche und Keller waren gut, der Wirth zuverlässig und gefällig,
und für Bedienung sorgte man selbst. Yokuhama, zwei Jahre vorher
noch ein elendes Fischerdorf, blühte mächtig auf, und, war auch
die goldene Zeit der Kobang-Ausfuhr vorüber, so wurden doch
täglich noch bedeutende Summen gewonnen. Alle grossen west-
ländischen Handelshäuser China’s hatten dort ihre Commanditen und
setzten grosse Massen baaren Silbers in Umlauf; die Waaren-Ausfuhr
blieb immer hinter der Nachfrage zurück. Japanische, europäische
und amerikanische Kaufleute, Handwerker und Abentheurer strömten

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[2/0022] Kanagava — Yokuhama. VI. die Häuser städtischer. Der Raum zwischen dem Meere und der steil abfallenden Höhe verengt sich zu einem schmalen Streifen, den ein Labyrinth gewundener Gassen und Gässchen erfüllt. Auf der Höhe rechts und an ihrem Abhange liegen Tempel und andere ansehnliche Gebäude, die Wohnungen der Consuln; schwindelnde Treppenfluchten führen bis zum Gipfel hinan. — Der Gesandte stieg bei Herrn von Bellecourt ab, der grade in Geschäften anwesend war; seine Begleiter fanden im englischen und im portugiesischen Consulat gastliche Aufnahme. Die Yakunine wurden entlassen, denn hier durfte man sich ohne Escorte bewegen. Kanagava bietet ausser seiner schönen Lage und dem Blick von den Höhen auf die freundliche belebte Bucht kaum etwas Bemerkenswerthes; Einige von uns fuhren noch denselben Nachmittag nach Yokuhama hinüber zu ihren dort wohnenden Reisegefährten. Die Bootsfahrt dauert bei gutem Wetter kaum eine halbe Stunde; der Fusi-yama, der uns an diesem Tage zuerst im weissen Winter- kleide erschien, spiegelte majestätisch sein glänzendes Haupt in dem weiten Becken. Wir fanden unsere Freunde in dem damals in Entstehung begriffenen Yokuhama-Hotel, — das ein gewesener holländischer Schiffscapitän baute, — zwar nicht sehr bequem eingerichtet, aber zufrieden mit ihrem Aufenthalt. Das Vordergebäude des Gasthofes wurde eben in Angriff genommen und noch im Laufe des Winters vollendet; der geräumige Hof, an drei Seiten von langen einstöckigen Baracken umschlossen, lag voll Baumaterial; auf der einen Seite der Speisesaal mit Billard und Schankzimmer, gegenüber eine Reihe kleiner Wohn- und Schlafstuben, im Grunde, dem Hauptgebäude gegenüber, die Pferdeställe, Alles in Eile budenartig zusammenge- zimmert und halb japanisch, halb europäisch eingerichtet. Das Ganze glich damals einer improvisirten Jahrmarktsschenke; aber Küche und Keller waren gut, der Wirth zuverlässig und gefällig, und für Bedienung sorgte man selbst. Yokuhama, zwei Jahre vorher noch ein elendes Fischerdorf, blühte mächtig auf, und, war auch die goldene Zeit der Kobang-Ausfuhr vorüber, so wurden doch täglich noch bedeutende Summen gewonnen. Alle grossen west- ländischen Handelshäuser China’s hatten dort ihre Commanditen und setzten grosse Massen baaren Silbers in Umlauf; die Waaren-Ausfuhr blieb immer hinter der Nachfrage zurück. Japanische, europäische und amerikanische Kaufleute, Handwerker und Abentheurer strömten

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/22>, abgerufen am 29.03.2024.