Der October, sonst in Japan der schönste Monat, brachte in seiner ersten Woche heftigen Regen. Als der Himmel am Morgen des 7. sich aufklärte, beschloss der Gesandte den längst beabsichtigten Ausflug nach Kanagava auszuführen; wir stiegen gegen zehn zu Pferde und ritten, geleitet von Heusken und gefolgt von mehreren Yakuninen, dem Tokaido zu. Der Weg führt durch die end- losen Häuserreihen von Sinagava und Omagava, dann zwischen Hecken und ländlichen Wohnungen hin, und endlich in das Freie. Streckenweise ist die Landstrasse mit Reihen von Cryptomerien ge- säumt; zu beiden Seiten liegen Reisfelder, links vom Meere, rechts von grünen Hügelreihen begränzt; grade aus, über die zackigen Fakone-Berge ragend, der Fusi-yama. Bei trefflicher anlage auf breitem Damme ist die ganze Strecke bis Kanagava auffallend vernachlässigt, während in anderen Landestheilen die Verkehrs- strassen den Vergleich mit guten europäischen aushalten sollen. -- Halbwegs Kanagava überschreitet man auf Fähren das Flüsschen Logan, die vertragsmässige Nordgränze des freien Verkehrs für die fremden Ansiedler in Kanagava und Yokuhama; drüben empfangen den Reisenden wieder die geschlossenen Häuserreihen des Dorfes Kavasaki, das sich ohne Unterbrechung in mehrere andere fortsetzt; man glaubt durch eine grosse Stadt zu reiten. Wo der Blick endlich wieder Raum gewinnt, beherrscht er links das Meer; rechts tritt ein grüner Höhenzug immer näher an die Strasse. Bald künden zerstreute Gehöfte und Bauernhäuser die Nähe von Kanagava an; ihre Strohdächer tragen auf der First eine auffallende Bekrönung hellgrüner Irispflanzen, die, einmal gesäet, sich immer wieder erzeugen, und durch ihr Wurzelgewebe der Dachfirst grosse Festigkeit gegen Wind und Wetter verleihen. -- Dann werden
II. 1
VI. YEDDO. VOM 2. OCTOBER BIS 1. NOVEMBER 1860.
Der October, sonst in Japan der schönste Monat, brachte in seiner ersten Woche heftigen Regen. Als der Himmel am Morgen des 7. sich aufklärte, beschloss der Gesandte den längst beabsichtigten Ausflug nach Kanagava auszuführen; wir stiegen gegen zehn zu Pferde und ritten, geleitet von Heusken und gefolgt von mehreren Yakuninen, dem Tokaïdo zu. Der Weg führt durch die end- losen Häuserreihen von Sinagava und Omagava, dann zwischen Hecken und ländlichen Wohnungen hin, und endlich in das Freie. Streckenweise ist die Landstrasse mit Reihen von Cryptomerien ge- säumt; zu beiden Seiten liegen Reisfelder, links vom Meere, rechts von grünen Hügelreihen begränzt; grade aus, über die zackigen Fakone-Berge ragend, der Fusi-yama. Bei trefflicher anlage auf breitem Damme ist die ganze Strecke bis Kanagava auffallend vernachlässigt, während in anderen Landestheilen die Verkehrs- strassen den Vergleich mit guten europäischen aushalten sollen. — Halbwegs Kanagava überschreitet man auf Fähren das Flüsschen Logan, die vertragsmässige Nordgränze des freien Verkehrs für die fremden Ansiedler in Kanagava und Yokuhama; drüben empfangen den Reisenden wieder die geschlossenen Häuserreihen des Dorfes Kavasaki, das sich ohne Unterbrechung in mehrere andere fortsetzt; man glaubt durch eine grosse Stadt zu reiten. Wo der Blick endlich wieder Raum gewinnt, beherrscht er links das Meer; rechts tritt ein grüner Höhenzug immer näher an die Strasse. Bald künden zerstreute Gehöfte und Bauernhäuser die Nähe von Kanagava an; ihre Strohdächer tragen auf der First eine auffallende Bekrönung hellgrüner Irispflanzen, die, einmal gesäet, sich immer wieder erzeugen, und durch ihr Wurzelgewebe der Dachfirst grosse Festigkeit gegen Wind und Wetter verleihen. — Dann werden
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VI.
YEDDO.
VOM 2. OCTOBER BIS 1. NOVEMBER 1860.
Der October, sonst in Japan der schönste Monat, brachte in seiner
ersten Woche heftigen Regen. Als der Himmel am Morgen des 7.
sich aufklärte, beschloss der Gesandte den längst beabsichtigten
Ausflug nach Kanagava auszuführen; wir stiegen gegen zehn zu
Pferde und ritten, geleitet von Heusken und gefolgt von mehreren
Yakuninen, dem Tokaïdo zu. Der Weg führt durch die end-
losen Häuserreihen von Sinagava und Omagava, dann zwischen
Hecken und ländlichen Wohnungen hin, und endlich in das Freie.
Streckenweise ist die Landstrasse mit Reihen von Cryptomerien ge-
säumt; zu beiden Seiten liegen Reisfelder, links vom Meere, rechts
von grünen Hügelreihen begränzt; grade aus, über die zackigen
Fakone-Berge ragend, der Fusi-yama. Bei trefflicher anlage
auf breitem Damme ist die ganze Strecke bis Kanagava auffallend
vernachlässigt, während in anderen Landestheilen die Verkehrs-
strassen den Vergleich mit guten europäischen aushalten sollen. —
Halbwegs Kanagava überschreitet man auf Fähren das Flüsschen
Logan, die vertragsmässige Nordgränze des freien Verkehrs für die
fremden Ansiedler in Kanagava und Yokuhama; drüben empfangen
den Reisenden wieder die geschlossenen Häuserreihen des Dorfes
Kavasaki, das sich ohne Unterbrechung in mehrere andere fortsetzt;
man glaubt durch eine grosse Stadt zu reiten. Wo der Blick endlich
wieder Raum gewinnt, beherrscht er links das Meer; rechts tritt
ein grüner Höhenzug immer näher an die Strasse. Bald künden
zerstreute Gehöfte und Bauernhäuser die Nähe von Kanagava an;
ihre Strohdächer tragen auf der First eine auffallende Bekrönung
hellgrüner Irispflanzen, die, einmal gesäet, sich immer wieder
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Festigkeit gegen Wind und Wetter verleihen. — Dann werden
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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/21>, abgerufen am 22.11.2024.
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