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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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VII. Consularische Jurisdiction.
von den Consuln zur Ruhe verwiesen werden. Diesen blieb nichts
übrig, als noch in der Nacht den Gouverneur von Kanagava auf-
zusuchen; sie konnten aber wegen der späten Stunde keine japa-
nische Escorte erlangen. Capitän Sundewall, der grade mit der
Arkona vor Yokuhama lag, beorderte deshalb zu ihrer Sicherheit
ein armirtes Boot in die Nähe der Gouverneurwohnung, lehnte aber
die Zumuthung, eine grössere Zahl Matrosen zum Schutze der
Ansiedelung auszuschiffen, wozu gar keine Veranlassung war, mit
Bestimmtheit ab. Capitän Vyse begab sich mit dem französischen
Geschäftsträger und dem holländischen Consul zum Gouverneur, um
sein durch den Vertrag verbürgtes Recht auf den Gefangenen zu
vindiciren, konnte aber erst gegen zwei Uhr Morgens dessen Aus-
lieferung erwirken und brachte ihn dann in seiner Amtswohnung
zur Haft.

Die Gefangenhaltung des Herrn M. auf dem englischen Consulat,
wo er nach eigenem Geständniss auf das rücksichtsvollste behandelt
wurde, war nach dem Geschehenen nothwendig, nicht nur um den
Forderungen der Gerechtigkeit zu genügen, sondern auch für seine
eigene Sicherheit; er wäre sonst schwerlich mit dem Leben davon-
gekommen. Die Blutrache ist den Japanern heilig, unter den Yakuninen
herrschte wüthende Erbitterung, der Verwundete und seine Ver-
wandten forderten laut das Leben ihres Feindes. Der Schrotschuss
hatte Jenem den Oberarm vollständig zermalmt; alle englischen und
amerikanischen Aerzte hielten die Amputation für unumgänglich, und
glaubten dass sonst unfehlbar der Brand eintreten müsse. Aber zur
Amputation war die Einwilligung seiner Vorgesetzten in Yeddo und
seiner Eltern in Nangasaki erforderlich, die so bald nicht eintreffen
konnte; man musste den Armen seinem Schicksal und der Behand-
lung der japanischen Aerzte überlassen. Glücklicherweise ist das
Blut der Ost-Asiaten nicht so entzündlich wie das unsere: der Brand
trat zum grössten Erstaunen der fremden Aerzte nicht ein, und
wenn auch der Arm verkrüppelt blieb, so wurde der Patient doch
im Uebrigen ganz gesund.

Die Voruntersuchung begann mit der eidlichen Vernehmung
des Angeklagten, dessen Erklärung den übereinstimmenden Aussagen
aller bei dem Auftritt betheiligten Japaner im wesentlichsten Puncte
widersprach. Inculpat gestand, die Hähne seiner Flinte gespannt
und mit der Drohung zu schiessen auf die Yakunine angelegt zu
haben; er hätte sie dann aber abgesetzt und wäre in dem Augenblick

II. 7

VII. Consularische Jurisdiction.
von den Consuln zur Ruhe verwiesen werden. Diesen blieb nichts
übrig, als noch in der Nacht den Gouverneur von Kanagava auf-
zusuchen; sie konnten aber wegen der späten Stunde keine japa-
nische Escorte erlangen. Capitän Sundewall, der grade mit der
Arkona vor Yokuhama lag, beorderte deshalb zu ihrer Sicherheit
ein armirtes Boot in die Nähe der Gouverneurwohnung, lehnte aber
die Zumuthung, eine grössere Zahl Matrosen zum Schutze der
Ansiedelung auszuschiffen, wozu gar keine Veranlassung war, mit
Bestimmtheit ab. Capitän Vyse begab sich mit dem französischen
Geschäftsträger und dem holländischen Consul zum Gouverneur, um
sein durch den Vertrag verbürgtes Recht auf den Gefangenen zu
vindiciren, konnte aber erst gegen zwei Uhr Morgens dessen Aus-
lieferung erwirken und brachte ihn dann in seiner Amtswohnung
zur Haft.

Die Gefangenhaltung des Herrn M. auf dem englischen Consulat,
wo er nach eigenem Geständniss auf das rücksichtsvollste behandelt
wurde, war nach dem Geschehenen nothwendig, nicht nur um den
Forderungen der Gerechtigkeit zu genügen, sondern auch für seine
eigene Sicherheit; er wäre sonst schwerlich mit dem Leben davon-
gekommen. Die Blutrache ist den Japanern heilig, unter den Yakuninen
herrschte wüthende Erbitterung, der Verwundete und seine Ver-
wandten forderten laut das Leben ihres Feindes. Der Schrotschuss
hatte Jenem den Oberarm vollständig zermalmt; alle englischen und
amerikanischen Aerzte hielten die Amputation für unumgänglich, und
glaubten dass sonst unfehlbar der Brand eintreten müsse. Aber zur
Amputation war die Einwilligung seiner Vorgesetzten in Yeddo und
seiner Eltern in Naṅgasaki erforderlich, die so bald nicht eintreffen
konnte; man musste den Armen seinem Schicksal und der Behand-
lung der japanischen Aerzte überlassen. Glücklicherweise ist das
Blut der Ost-Asiaten nicht so entzündlich wie das unsere: der Brand
trat zum grössten Erstaunen der fremden Aerzte nicht ein, und
wenn auch der Arm verkrüppelt blieb, so wurde der Patient doch
im Uebrigen ganz gesund.

Die Voruntersuchung begann mit der eidlichen Vernehmung
des Angeklagten, dessen Erklärung den übereinstimmenden Aussagen
aller bei dem Auftritt betheiligten Japaner im wesentlichsten Puncte
widersprach. Inculpat gestand, die Hähne seiner Flinte gespannt
und mit der Drohung zu schiessen auf die Yakunine angelegt zu
haben; er hätte sie dann aber abgesetzt und wäre in dem Augenblick

II. 7
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[97/0117] VII. Consularische Jurisdiction. von den Consuln zur Ruhe verwiesen werden. Diesen blieb nichts übrig, als noch in der Nacht den Gouverneur von Kanagava auf- zusuchen; sie konnten aber wegen der späten Stunde keine japa- nische Escorte erlangen. Capitän Sundewall, der grade mit der Arkona vor Yokuhama lag, beorderte deshalb zu ihrer Sicherheit ein armirtes Boot in die Nähe der Gouverneurwohnung, lehnte aber die Zumuthung, eine grössere Zahl Matrosen zum Schutze der Ansiedelung auszuschiffen, wozu gar keine Veranlassung war, mit Bestimmtheit ab. Capitän Vyse begab sich mit dem französischen Geschäftsträger und dem holländischen Consul zum Gouverneur, um sein durch den Vertrag verbürgtes Recht auf den Gefangenen zu vindiciren, konnte aber erst gegen zwei Uhr Morgens dessen Aus- lieferung erwirken und brachte ihn dann in seiner Amtswohnung zur Haft. Die Gefangenhaltung des Herrn M. auf dem englischen Consulat, wo er nach eigenem Geständniss auf das rücksichtsvollste behandelt wurde, war nach dem Geschehenen nothwendig, nicht nur um den Forderungen der Gerechtigkeit zu genügen, sondern auch für seine eigene Sicherheit; er wäre sonst schwerlich mit dem Leben davon- gekommen. Die Blutrache ist den Japanern heilig, unter den Yakuninen herrschte wüthende Erbitterung, der Verwundete und seine Ver- wandten forderten laut das Leben ihres Feindes. Der Schrotschuss hatte Jenem den Oberarm vollständig zermalmt; alle englischen und amerikanischen Aerzte hielten die Amputation für unumgänglich, und glaubten dass sonst unfehlbar der Brand eintreten müsse. Aber zur Amputation war die Einwilligung seiner Vorgesetzten in Yeddo und seiner Eltern in Naṅgasaki erforderlich, die so bald nicht eintreffen konnte; man musste den Armen seinem Schicksal und der Behand- lung der japanischen Aerzte überlassen. Glücklicherweise ist das Blut der Ost-Asiaten nicht so entzündlich wie das unsere: der Brand trat zum grössten Erstaunen der fremden Aerzte nicht ein, und wenn auch der Arm verkrüppelt blieb, so wurde der Patient doch im Uebrigen ganz gesund. Die Voruntersuchung begann mit der eidlichen Vernehmung des Angeklagten, dessen Erklärung den übereinstimmenden Aussagen aller bei dem Auftritt betheiligten Japaner im wesentlichsten Puncte widersprach. Inculpat gestand, die Hähne seiner Flinte gespannt und mit der Drohung zu schiessen auf die Yakunine angelegt zu haben; er hätte sie dann aber abgesetzt und wäre in dem Augenblick II. 7

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/117>, abgerufen am 24.11.2024.