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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Unbefugte Jagd. VII.
Behörde, um nicht alles Ansehn zu verlieren, wohl selbst mit
Gewalt deren Ausschreitungen unterdrücken. Jagt jemand unbe-
fugter Weise in einem europäischen Lande, so verfällt er dem
Gesetze, und der Jagdhüter, der ihn ertappt, wird sich schwerlich
mit seiner Visitenkarte begnügen. In Japan aber gibt es keinen
Fussbreit herrenlosen Landes, allgemeine Jagdfreiheit besteht
dort ebensowenig als bei uns, und doch sahen die Fremden in
Yokuhama jedes Zurückweisen in ihre Schranken als tödtliche Be-
leidigung an, für das der diplomatische Vertreter Genugthuung, wo
möglich auch Geldentschädigung schaffen sollte. Die Befreiung
jenes Hamburger Commis aus den Händen der Polizei war nach
juristischen Begriffen eine Art Strassenraub, die Japaner waren
darüber heftig erbittert und liessen die grimmigsten Drohungen
laut werden. Vier der Herren Jäger, darunter der Festgenommene,
fühlten sich denn auch auf japanischem Boden ihres Lebens nicht
mehr recht sicher und wanderten mit der nächsten Schiffsge-
legenheit nach China aus, woran sie gewiss sehr wohl thaten.

Ein anderer Zusammenstoss lief bedauerlicher ab. Der englische
Kaufmann M. kam am 27. November gegen zwei Uhr von der Jagd
zurück und zog am hellen Tage, seinen Betto mit dem Gewehr und
einer erlegten Gans hinter sich, durch die Strassen von Kanagava.
Hier kam es zum Conflict mit einigen Polizeibeamten, die sich seiner
versichern wollten; im Gedränge ging der Schrotschuss seiner Flinte
los und zerschmetterte einem der Yakunine den Arm. Herr M.
wurde darauf nieder geworfen, gebunden, und in das nächste Haus
geschleppt, wo man ihm die Fesseln erst regelrecht in sehr schmerz-
hafter Weise anlegte. Die Polizeibeamten scheinen es im Hand-
gemenge auch an Schlägen und Püffen nicht fehlen gelassen zu
haben, was bei dem Widerstande des Gegners sehr erklärlich ist.
Er wurde gegen Abend in einem Boot nach dem Fort von Kanagava
gebracht und dort in einen geräumigen Käfig gesperrt, wo ein
japanischer Arzt seine Schrammen und Beulen bepflasterte. -- Dem
englischen Consul machten die japanischen Behörden von der Ver-
haftung nicht die schuldige Anzeige, Capitän Vyse erfuhr sie erst
spät und konnte von dem Vice-Gouverneur von Yakuhama keine
weitere Auskunft erlangen. Dort herrschte unter den Fremden
grosse Aufregung, man trug sich mit den abentheuerlichsten Ge-
rüchten; die Kaufleute befürchteten gleich das Schlimmste, rotteten
sich, mit Revolvern und Flinten bewaffnet, zusammen und mussten

Unbefugte Jagd. VII.
Behörde, um nicht alles Ansehn zu verlieren, wohl selbst mit
Gewalt deren Ausschreitungen unterdrücken. Jagt jemand unbe-
fugter Weise in einem europäischen Lande, so verfällt er dem
Gesetze, und der Jagdhüter, der ihn ertappt, wird sich schwerlich
mit seiner Visitenkarte begnügen. In Japan aber gibt es keinen
Fussbreit herrenlosen Landes, allgemeine Jagdfreiheit besteht
dort ebensowenig als bei uns, und doch sahen die Fremden in
Yokuhama jedes Zurückweisen in ihre Schranken als tödtliche Be-
leidigung an, für das der diplomatische Vertreter Genugthuung, wo
möglich auch Geldentschädigung schaffen sollte. Die Befreiung
jenes Hamburger Commis aus den Händen der Polizei war nach
juristischen Begriffen eine Art Strassenraub, die Japaner waren
darüber heftig erbittert und liessen die grimmigsten Drohungen
laut werden. Vier der Herren Jäger, darunter der Festgenommene,
fühlten sich denn auch auf japanischem Boden ihres Lebens nicht
mehr recht sicher und wanderten mit der nächsten Schiffsge-
legenheit nach China aus, woran sie gewiss sehr wohl thaten.

Ein anderer Zusammenstoss lief bedauerlicher ab. Der englische
Kaufmann M. kam am 27. November gegen zwei Uhr von der Jagd
zurück und zog am hellen Tage, seinen Betto mit dem Gewehr und
einer erlegten Gans hinter sich, durch die Strassen von Kanagava.
Hier kam es zum Conflict mit einigen Polizeibeamten, die sich seiner
versichern wollten; im Gedränge ging der Schrotschuss seiner Flinte
los und zerschmetterte einem der Yakunine den Arm. Herr M.
wurde darauf nieder geworfen, gebunden, und in das nächste Haus
geschleppt, wo man ihm die Fesseln erst regelrecht in sehr schmerz-
hafter Weise anlegte. Die Polizeibeamten scheinen es im Hand-
gemenge auch an Schlägen und Püffen nicht fehlen gelassen zu
haben, was bei dem Widerstande des Gegners sehr erklärlich ist.
Er wurde gegen Abend in einem Boot nach dem Fort von Kanagava
gebracht und dort in einen geräumigen Käfig gesperrt, wo ein
japanischer Arzt seine Schrammen und Beulen bepflasterte. — Dem
englischen Consul machten die japanischen Behörden von der Ver-
haftung nicht die schuldige Anzeige, Capitän Vyse erfuhr sie erst
spät und konnte von dem Vice-Gouverneur von Yakuhama keine
weitere Auskunft erlangen. Dort herrschte unter den Fremden
grosse Aufregung, man trug sich mit den abentheuerlichsten Ge-
rüchten; die Kaufleute befürchteten gleich das Schlimmste, rotteten
sich, mit Revolvern und Flinten bewaffnet, zusammen und mussten

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[96/0116] Unbefugte Jagd. VII. Behörde, um nicht alles Ansehn zu verlieren, wohl selbst mit Gewalt deren Ausschreitungen unterdrücken. Jagt jemand unbe- fugter Weise in einem europäischen Lande, so verfällt er dem Gesetze, und der Jagdhüter, der ihn ertappt, wird sich schwerlich mit seiner Visitenkarte begnügen. In Japan aber gibt es keinen Fussbreit herrenlosen Landes, allgemeine Jagdfreiheit besteht dort ebensowenig als bei uns, und doch sahen die Fremden in Yokuhama jedes Zurückweisen in ihre Schranken als tödtliche Be- leidigung an, für das der diplomatische Vertreter Genugthuung, wo möglich auch Geldentschädigung schaffen sollte. Die Befreiung jenes Hamburger Commis aus den Händen der Polizei war nach juristischen Begriffen eine Art Strassenraub, die Japaner waren darüber heftig erbittert und liessen die grimmigsten Drohungen laut werden. Vier der Herren Jäger, darunter der Festgenommene, fühlten sich denn auch auf japanischem Boden ihres Lebens nicht mehr recht sicher und wanderten mit der nächsten Schiffsge- legenheit nach China aus, woran sie gewiss sehr wohl thaten. Ein anderer Zusammenstoss lief bedauerlicher ab. Der englische Kaufmann M. kam am 27. November gegen zwei Uhr von der Jagd zurück und zog am hellen Tage, seinen Betto mit dem Gewehr und einer erlegten Gans hinter sich, durch die Strassen von Kanagava. Hier kam es zum Conflict mit einigen Polizeibeamten, die sich seiner versichern wollten; im Gedränge ging der Schrotschuss seiner Flinte los und zerschmetterte einem der Yakunine den Arm. Herr M. wurde darauf nieder geworfen, gebunden, und in das nächste Haus geschleppt, wo man ihm die Fesseln erst regelrecht in sehr schmerz- hafter Weise anlegte. Die Polizeibeamten scheinen es im Hand- gemenge auch an Schlägen und Püffen nicht fehlen gelassen zu haben, was bei dem Widerstande des Gegners sehr erklärlich ist. Er wurde gegen Abend in einem Boot nach dem Fort von Kanagava gebracht und dort in einen geräumigen Käfig gesperrt, wo ein japanischer Arzt seine Schrammen und Beulen bepflasterte. — Dem englischen Consul machten die japanischen Behörden von der Ver- haftung nicht die schuldige Anzeige, Capitän Vyse erfuhr sie erst spät und konnte von dem Vice-Gouverneur von Yakuhama keine weitere Auskunft erlangen. Dort herrschte unter den Fremden grosse Aufregung, man trug sich mit den abentheuerlichsten Ge- rüchten; die Kaufleute befürchteten gleich das Schlimmste, rotteten sich, mit Revolvern und Flinten bewaffnet, zusammen und mussten

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/116>, abgerufen am 24.11.2024.