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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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Japanischer Thee-Handel. Bereitung. VII.
über zehn Millionen Pfund. Die grösste Menge geht nach London,
wird aber von da wieder nach Canada und den Vereinigten Staaten
verschifft. Man glaubt dass in Zukunft viel japanischer Thee nach
Russland wandern wird, wo seit kurzem das Handelsmonopol auf-
gehoben und die Einfuhr zur See frei gegeben worden ist, die früher
zum Vortheil des Karavanenhandels beschränkt und nur ausnahms-
weise für einzelne Schiffe gestattet war. Die japanische Regierung
begünstigt die Ausfuhr keineswegs; der Thee ist Lebensbedürfniss
der Landeskinder und seine Vertheuerung muss Unzufriedenheit er-
wecken. Da nun die Theecultur viel Terrain braucht und neue
Pflanzungen erst nach Jahren ertragsfähig werden, so kann man
nicht erwarten, dass die Production der gesteigerten Ausfuhr so
bald die Waage halten wird. Die von den Ausländern gern bewillig-
ten Preise sind viel höher als die vor Eröffnung der Häfen üblichen,
die Nachfrage weit bedeutender als die Anfuhr; so steigert die
Concurrenz der fremden Kaufleute die Preise zum Vortheil der ein-
heimischen Händler, aber zum Schaden der Consumenten; das Land
muss, wenigstens jetzt, unter diesem Missverhältniss leiden. Legte
die Regierung sich nicht ins Mittel, so müsste gradezu Mangel ent-
stehen. In Japan wie in China gehört der Thee zu den nothwen-
digsten
Lebensbedürfnissen; der Theekessel steht in Palast und
Hütte den ganzen Tag am Feuer, man trinkt Thee zu allen Tages-
zeiten, bei jeder Malzeit. Thee, nicht rohes kaltes Wasser gilt für
das angemessene Getränk des Culturmenschen; es würde vielleicht
selbst dem Bettler ebensowenig einfallen kaltes Wasser zu trinken
als in einen rohen Kohlkopf zu beissen.

Man geniesst den Thee ganz heiss aus kleinen Schälchen,
ohne alle Zuthat; der Aufguss ist schwach und ohne besonderen
Wohlgeschmack, ein leicht adstringirendes anregendes Getränk.
Möglich dass in den Häusern der Grossen zuweilen Theesorten von
stärkerem Aroma gereicht werden; der im Palast des Ministers
Ando-Tsus-sima-no-kami unterschied sich nicht bedeutend von dem
welchen wir sonst erhielten. Einigen Einfluss übt wohl die schwache
Bereitung; aber man bekommt auch in China bei den Eingebornen
niemals so aromatischen Thee als wir ihn gewöhnt sind. Die Zunge
des Ost-Asiaten ist eben empfindlicher und nicht durch soviel Salz
und Gewürze abgestumpft, als das Nervensystem des Europäers
braucht; seine feinsten Leckereien schmecken uns schaal und insipide.
So ist es auch mit dem Thee. Man kann mit Sicherheit annehmen,

Japanischer Thee-Handel. Bereitung. VII.
über zehn Millionen Pfund. Die grösste Menge geht nach London,
wird aber von da wieder nach Canada und den Vereinigten Staaten
verschifft. Man glaubt dass in Zukunft viel japanischer Thee nach
Russland wandern wird, wo seit kurzem das Handelsmonopol auf-
gehoben und die Einfuhr zur See frei gegeben worden ist, die früher
zum Vortheil des Karavanenhandels beschränkt und nur ausnahms-
weise für einzelne Schiffe gestattet war. Die japanische Regierung
begünstigt die Ausfuhr keineswegs; der Thee ist Lebensbedürfniss
der Landeskinder und seine Vertheuerung muss Unzufriedenheit er-
wecken. Da nun die Theecultur viel Terrain braucht und neue
Pflanzungen erst nach Jahren ertragsfähig werden, so kann man
nicht erwarten, dass die Production der gesteigerten Ausfuhr so
bald die Waage halten wird. Die von den Ausländern gern bewillig-
ten Preise sind viel höher als die vor Eröffnung der Häfen üblichen,
die Nachfrage weit bedeutender als die Anfuhr; so steigert die
Concurrenz der fremden Kaufleute die Preise zum Vortheil der ein-
heimischen Händler, aber zum Schaden der Consumenten; das Land
muss, wenigstens jetzt, unter diesem Missverhältniss leiden. Legte
die Regierung sich nicht ins Mittel, so müsste gradezu Mangel ent-
stehen. In Japan wie in China gehört der Thee zu den nothwen-
digsten
Lebensbedürfnissen; der Theekessel steht in Palast und
Hütte den ganzen Tag am Feuer, man trinkt Thee zu allen Tages-
zeiten, bei jeder Malzeit. Thee, nicht rohes kaltes Wasser gilt für
das angemessene Getränk des Culturmenschen; es würde vielleicht
selbst dem Bettler ebensowenig einfallen kaltes Wasser zu trinken
als in einen rohen Kohlkopf zu beissen.

Man geniesst den Thee ganz heiss aus kleinen Schälchen,
ohne alle Zuthat; der Aufguss ist schwach und ohne besonderen
Wohlgeschmack, ein leicht adstringirendes anregendes Getränk.
Möglich dass in den Häusern der Grossen zuweilen Theesorten von
stärkerem Aroma gereicht werden; der im Palast des Ministers
Ando-Tsus-sima-no-kami unterschied sich nicht bedeutend von dem
welchen wir sonst erhielten. Einigen Einfluss übt wohl die schwache
Bereitung; aber man bekommt auch in China bei den Eingebornen
niemals so aromatischen Thee als wir ihn gewöhnt sind. Die Zunge
des Ost-Asiaten ist eben empfindlicher und nicht durch soviel Salz
und Gewürze abgestumpft, als das Nervensystem des Europäers
braucht; seine feinsten Leckereien schmecken uns schaal und insipide.
So ist es auch mit dem Thee. Man kann mit Sicherheit annehmen,

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[80/0100] Japanischer Thee-Handel. Bereitung. VII. über zehn Millionen Pfund. Die grösste Menge geht nach London, wird aber von da wieder nach Canada und den Vereinigten Staaten verschifft. Man glaubt dass in Zukunft viel japanischer Thee nach Russland wandern wird, wo seit kurzem das Handelsmonopol auf- gehoben und die Einfuhr zur See frei gegeben worden ist, die früher zum Vortheil des Karavanenhandels beschränkt und nur ausnahms- weise für einzelne Schiffe gestattet war. Die japanische Regierung begünstigt die Ausfuhr keineswegs; der Thee ist Lebensbedürfniss der Landeskinder und seine Vertheuerung muss Unzufriedenheit er- wecken. Da nun die Theecultur viel Terrain braucht und neue Pflanzungen erst nach Jahren ertragsfähig werden, so kann man nicht erwarten, dass die Production der gesteigerten Ausfuhr so bald die Waage halten wird. Die von den Ausländern gern bewillig- ten Preise sind viel höher als die vor Eröffnung der Häfen üblichen, die Nachfrage weit bedeutender als die Anfuhr; so steigert die Concurrenz der fremden Kaufleute die Preise zum Vortheil der ein- heimischen Händler, aber zum Schaden der Consumenten; das Land muss, wenigstens jetzt, unter diesem Missverhältniss leiden. Legte die Regierung sich nicht ins Mittel, so müsste gradezu Mangel ent- stehen. In Japan wie in China gehört der Thee zu den nothwen- digsten Lebensbedürfnissen; der Theekessel steht in Palast und Hütte den ganzen Tag am Feuer, man trinkt Thee zu allen Tages- zeiten, bei jeder Malzeit. Thee, nicht rohes kaltes Wasser gilt für das angemessene Getränk des Culturmenschen; es würde vielleicht selbst dem Bettler ebensowenig einfallen kaltes Wasser zu trinken als in einen rohen Kohlkopf zu beissen. Man geniesst den Thee ganz heiss aus kleinen Schälchen, ohne alle Zuthat; der Aufguss ist schwach und ohne besonderen Wohlgeschmack, ein leicht adstringirendes anregendes Getränk. Möglich dass in den Häusern der Grossen zuweilen Theesorten von stärkerem Aroma gereicht werden; der im Palast des Ministers Ando-Tsus-sima-no-kami unterschied sich nicht bedeutend von dem welchen wir sonst erhielten. Einigen Einfluss übt wohl die schwache Bereitung; aber man bekommt auch in China bei den Eingebornen niemals so aromatischen Thee als wir ihn gewöhnt sind. Die Zunge des Ost-Asiaten ist eben empfindlicher und nicht durch soviel Salz und Gewürze abgestumpft, als das Nervensystem des Europäers braucht; seine feinsten Leckereien schmecken uns schaal und insipide. So ist es auch mit dem Thee. Man kann mit Sicherheit annehmen,

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/100>, abgerufen am 28.04.2024.