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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Einführung der chinesischen Schrift. Verkehr mit Korea.
die Japaner abermals einen siegreichen Krieg gegen das feindliche
Sinra, und 264 musste das Königreich Petsi, wo ein Usurpator sich
des Thrones bemächtigt hatte, zugleich mit seinem rechtmässigen
Herrn eine Verfassung aus den Händen des Mikado annehmen. --
Wo-zin, der Sohn der obengenannten Kaiserin, liess koreanische
Arbeiter zur Erbauung von Landstrassen, Teichen und Kanälen
280 n. Chr.kommen, und schickte 280 eine Gesandtschaft nach Petsi 20), um
den gelehrten Chinesen Wo-nin (chinesisch Wang-tsin), der sich
seit kurzem dort niedergelassen hatte, nach Japan zu führen. Er
wurde Erzieher des Thronfolgers, lehrte am japanischen Hofe die
Schreibekunst, und scheint die Werke des Confucius und Mencius
dort eingeführt zu haben 21).

Der Verkehr mit den koreanischen Reichen war auch während
der beiden folgenden Jahrhunderte sehr lebhaft; zuweilen mussten
sie durch kriegerische Expeditionen zur pflichtmässigen Tributzahlung
angehalten werden. Die fortwährenden Grenzstreitigkeiten und die
Kämpfe der drei Reiche um das Supremat gaben der japanischen
Herrschaft in Korea ein bleibendes Uebergewicht durch das dritte,
vierte, fünfte und die erste Hälfte des sechsten Jahrhunderts. Um
562 n. Chr.diese Zeit (562) aber gewann das den Japanern von jeher feindliche
Sinra die Oberhand und vertrieb ihre Besatzung aus Mimana. Die
vom Mikado hinübergesandten Heere wurden geschlagen und mussten
das Land räumen. Die Fehden in Korea und die Unterhandlungen
und Kämpfe um Herausgabe von Mimana währten von da an noch
fast ein volles Jahrhundert.

Während des beschriebenen Zeitraumes wurden vielfach Hand-
werkercolonieen aus Korea und China nach Japan herübergeführt

20) Ein Prinz dieses Reiches, der von Wo-nin schreiben gelernt hatte, scheint
kurz vorher an den Hof des Mikado gekommen zu sein und dessen Lernbegier
erweckt zu haben.
21) Einige japanische Gelehrte behaupten, dass durch die chinesische Schrift eine
frühere japanische verdrängt worden sei. In der chinesischen Schrift drückt jedes
Zeichen einen Begriff aus, wie unsere Zahlzeichen. Die meisten Worte haben nebenbei
ein phonetisches Element, das aber nur für einen bestimmten chinesischen Dialekt
Bedeutung hat. -- Diese Schrift wird, da sie an den Laut keiner Sprache gebunden
ist, in fast allen Ländern von Ost-Asien gelesen. -- Merkwürdiger Weise kam die
Schreibekunst, welche der aus Sinra eingewanderte Wo-nin zuerst am Hofe von
Petsi lehrte, hier erst viel später in allgemeinen Gebrauch als in Japan. Um 374
fing man in Petsi an chinesische Bücher zu verbreiten, und noch später erhielten
erst die beiden andern koreanischen Reiche von hier aus die chinesische Schrift.

Einführung der chinesischen Schrift. Verkehr mit Korea.
die Japaner abermals einen siegreichen Krieg gegen das feindliche
Sinra, und 264 musste das Königreich Petsi, wo ein Usurpator sich
des Thrones bemächtigt hatte, zugleich mit seinem rechtmässigen
Herrn eine Verfassung aus den Händen des Mikado annehmen. —
Wo-zin, der Sohn der obengenannten Kaiserin, liess koreanische
Arbeiter zur Erbauung von Landstrassen, Teichen und Kanälen
280 n. Chr.kommen, und schickte 280 eine Gesandtschaft nach Petsi 20), um
den gelehrten Chinesen Wo-nin (chinesisch Wang-tsin), der sich
seit kurzem dort niedergelassen hatte, nach Japan zu führen. Er
wurde Erzieher des Thronfolgers, lehrte am japanischen Hofe die
Schreibekunst, und scheint die Werke des Confucius und Mencius
dort eingeführt zu haben 21).

Der Verkehr mit den koreanischen Reichen war auch während
der beiden folgenden Jahrhunderte sehr lebhaft; zuweilen mussten
sie durch kriegerische Expeditionen zur pflichtmässigen Tributzahlung
angehalten werden. Die fortwährenden Grenzstreitigkeiten und die
Kämpfe der drei Reiche um das Supremat gaben der japanischen
Herrschaft in Korea ein bleibendes Uebergewicht durch das dritte,
vierte, fünfte und die erste Hälfte des sechsten Jahrhunderts. Um
562 n. Chr.diese Zeit (562) aber gewann das den Japanern von jeher feindliche
Sinra die Oberhand und vertrieb ihre Besatzung aus Mimana. Die
vom Mikado hinübergesandten Heere wurden geschlagen und mussten
das Land räumen. Die Fehden in Korea und die Unterhandlungen
und Kämpfe um Herausgabe von Mimana währten von da an noch
fast ein volles Jahrhundert.

Während des beschriebenen Zeitraumes wurden vielfach Hand-
werkercolonieen aus Korea und China nach Japan herübergeführt

20) Ein Prinz dieses Reiches, der von Wo-nin schreiben gelernt hatte, scheint
kurz vorher an den Hof des Mikado gekommen zu sein und dessen Lernbegier
erweckt zu haben.
21) Einige japanische Gelehrte behaupten, dass durch die chinesische Schrift eine
frühere japanische verdrängt worden sei. In der chinesischen Schrift drückt jedes
Zeichen einen Begriff aus, wie unsere Zahlzeichen. Die meisten Worte haben nebenbei
ein phonetisches Element, das aber nur für einen bestimmten chinesischen Dialekt
Bedeutung hat. — Diese Schrift wird, da sie an den Laut keiner Sprache gebunden
ist, in fast allen Ländern von Ost-Asien gelesen. — Merkwürdiger Weise kam die
Schreibekunst, welche der aus Sinra eingewanderte Wo-nin zuerst am Hofe von
Petsi lehrte, hier erst viel später in allgemeinen Gebrauch als in Japan. Um 374
fing man in Petsi an chinesische Bücher zu verbreiten, und noch später erhielten
erst die beiden andern koreanischen Reiche von hier aus die chinesische Schrift.
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[20/0050] Einführung der chinesischen Schrift. Verkehr mit Korea. die Japaner abermals einen siegreichen Krieg gegen das feindliche Sinra, und 264 musste das Königreich Petsi, wo ein Usurpator sich des Thrones bemächtigt hatte, zugleich mit seinem rechtmässigen Herrn eine Verfassung aus den Händen des Mikado annehmen. — Wo-zin, der Sohn der obengenannten Kaiserin, liess koreanische Arbeiter zur Erbauung von Landstrassen, Teichen und Kanälen kommen, und schickte 280 eine Gesandtschaft nach Petsi 20), um den gelehrten Chinesen Wo-nin (chinesisch Wang-tsin), der sich seit kurzem dort niedergelassen hatte, nach Japan zu führen. Er wurde Erzieher des Thronfolgers, lehrte am japanischen Hofe die Schreibekunst, und scheint die Werke des Confucius und Mencius dort eingeführt zu haben 21). 280 n. Chr. Der Verkehr mit den koreanischen Reichen war auch während der beiden folgenden Jahrhunderte sehr lebhaft; zuweilen mussten sie durch kriegerische Expeditionen zur pflichtmässigen Tributzahlung angehalten werden. Die fortwährenden Grenzstreitigkeiten und die Kämpfe der drei Reiche um das Supremat gaben der japanischen Herrschaft in Korea ein bleibendes Uebergewicht durch das dritte, vierte, fünfte und die erste Hälfte des sechsten Jahrhunderts. Um diese Zeit (562) aber gewann das den Japanern von jeher feindliche Sinra die Oberhand und vertrieb ihre Besatzung aus Mimana. Die vom Mikado hinübergesandten Heere wurden geschlagen und mussten das Land räumen. Die Fehden in Korea und die Unterhandlungen und Kämpfe um Herausgabe von Mimana währten von da an noch fast ein volles Jahrhundert. 562 n. Chr. Während des beschriebenen Zeitraumes wurden vielfach Hand- werkercolonieen aus Korea und China nach Japan herübergeführt 20) Ein Prinz dieses Reiches, der von Wo-nin schreiben gelernt hatte, scheint kurz vorher an den Hof des Mikado gekommen zu sein und dessen Lernbegier erweckt zu haben. 21) Einige japanische Gelehrte behaupten, dass durch die chinesische Schrift eine frühere japanische verdrängt worden sei. In der chinesischen Schrift drückt jedes Zeichen einen Begriff aus, wie unsere Zahlzeichen. Die meisten Worte haben nebenbei ein phonetisches Element, das aber nur für einen bestimmten chinesischen Dialekt Bedeutung hat. — Diese Schrift wird, da sie an den Laut keiner Sprache gebunden ist, in fast allen Ländern von Ost-Asien gelesen. — Merkwürdiger Weise kam die Schreibekunst, welche der aus Sinra eingewanderte Wo-nin zuerst am Hofe von Petsi lehrte, hier erst viel später in allgemeinen Gebrauch als in Japan. Um 374 fing man in Petsi an chinesische Bücher zu verbreiten, und noch später erhielten erst die beiden andern koreanischen Reiche von hier aus die chinesische Schrift.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/50>, abgerufen am 27.04.2024.