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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Einwanderungen. Gesandtschaft nach China. Feldzug nach Korea.
politischen Stürmen in ihrem Vaterlande weichend, eine neue Hei-
math suchten. In Korea waren seit dem Jahre 57 v. Chr. grosse
Umwälzungen vorgegangen: das alte Reich Tsaosien, welches die
ganze Halbinsel umfasste, theilte sich damals in die drei Königreiche
Kaoli, Petsi und Sinra. -- Im Jahre 27 n. Chr. kam abermals eine27 n. Chr.
Einwanderung nach Japan, an deren Spitze ein Fürst aus dem
Königshause von Sinra stand. Von Japan soll um 57 n. Chr. zum57 n. Chr.
ersten Male eine Gesandtschaft nach dem Auslande, und zwar an
den chinesischen Kaiser Ko-bu-ko-tei (chinesisch Kuang-wu-
kuang-ti
) aus der Dynastie Go-kan gegangen sein. -- Unter dem
zwölften Mikado wurde der Krieg gegen die Yebi's nach Yeso
ausgedehnt, die beiden folgenden hatten viel mit Bekämpfung der
wilden Stämme in den östlichen Landschaften von Kiusiu und Nippon
zu thun.

Das sind die wenigen Nachrichten aus diesem Zeitalter, denen
man einigen historischen Werth beimessen kann. Alles übrige gehört,
wenn auch gewiss mit Thatsachen vermischt, doch vorwiegend in
das Gebiet der Sage. Schon die geringe Zahl von vierzehn Mikado's,
welche den Zeitraum von 660 v. Chr. bis 200 n. Chr. ausfüllen, also
durchschnittlich je über sechszig Jahre regiert haben müssten, ist
sehr verdächtig. Um 201 n. Chr. bestieg zum ersten Male eine Frau201 n. Chr.
den Thron, Sin-ko-wo-gu, die Wittwe des vierzehnten Mikado,
eine gewaltige Kaiserin, welche noch heute als Schutzgöttin des
Landes verehrt wird. Der Vorschub, den die Bewohner von Sinra
den aufrührerischen Stämmen von Kiusiu leisteten, veranlasste sie
an der Spitze eines Heeres nach Korea überzusetzen: Sinra wurde
in kurzer Zeit erobert, die beiden anderen koreanischen Reiche
huldigten aus freien Stücken und verpflichteten sich zu regelmässigen
Tributzahlungen. In Mimana, einem Districte von Petsi, wurden
damals japanische Statthalter eingesetzt, welche neben den ein-
heimischen Königen die Verwaltung führten. Eine Gesandtschaft,
welche 239 von Japan nach dem chinesischen Reiche Wei 19) ging,
scheint durch die koreanischen Angelegenheiten veranlasst worden
zu sein -- doch dauerte es noch mehrere Jahrzehnte bis die dortigen
Verhältnisse eine feste Gestaltung gewannen. Im Jahre 249 führten

19) Damals gab es drei selbstständige Reiche in China, nämlich Wei, Tsu und U. --
Merkwürdig ist, dass die vom Reiche Wei nach Japan geschickte Gegengesandtschaft
dem Mikado ein Königsdiplom und andere Embleme japanischer Vasallenschaft
überbrachte.
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Einwanderungen. Gesandtschaft nach China. Feldzug nach Korea.
politischen Stürmen in ihrem Vaterlande weichend, eine neue Hei-
math suchten. In Korea waren seit dem Jahre 57 v. Chr. grosse
Umwälzungen vorgegangen: das alte Reich Tšaosien, welches die
ganze Halbinsel umfasste, theilte sich damals in die drei Königreiche
Kaoli, Petsi und Sinra. — Im Jahre 27 n. Chr. kam abermals eine27 n. Chr.
Einwanderung nach Japan, an deren Spitze ein Fürst aus dem
Königshause von Sinra stand. Von Japan soll um 57 n. Chr. zum57 n. Chr.
ersten Male eine Gesandtschaft nach dem Auslande, und zwar an
den chinesischen Kaiser Ko-bu-ko-tei (chinesisch Kuang-wu-
kuang-ti
) aus der Dynastie Go-kan gegangen sein. — Unter dem
zwölften Mikado wurde der Krieg gegen die Yebi’s nach Yeso
ausgedehnt, die beiden folgenden hatten viel mit Bekämpfung der
wilden Stämme in den östlichen Landschaften von Kiusiu und Nippon
zu thun.

Das sind die wenigen Nachrichten aus diesem Zeitalter, denen
man einigen historischen Werth beimessen kann. Alles übrige gehört,
wenn auch gewiss mit Thatsachen vermischt, doch vorwiegend in
das Gebiet der Sage. Schon die geringe Zahl von vierzehn Mikado’s,
welche den Zeitraum von 660 v. Chr. bis 200 n. Chr. ausfüllen, also
durchschnittlich je über sechszig Jahre regiert haben müssten, ist
sehr verdächtig. Um 201 n. Chr. bestieg zum ersten Male eine Frau201 n. Chr.
den Thron, Sin-ko-wo-gu, die Wittwe des vierzehnten Mikado,
eine gewaltige Kaiserin, welche noch heute als Schutzgöttin des
Landes verehrt wird. Der Vorschub, den die Bewohner von Sinra
den aufrührerischen Stämmen von Kiusiu leisteten, veranlasste sie
an der Spitze eines Heeres nach Korea überzusetzen: Sinra wurde
in kurzer Zeit erobert, die beiden anderen koreanischen Reiche
huldigten aus freien Stücken und verpflichteten sich zu regelmässigen
Tributzahlungen. In Mimana, einem Districte von Petsi, wurden
damals japanische Statthalter eingesetzt, welche neben den ein-
heimischen Königen die Verwaltung führten. Eine Gesandtschaft,
welche 239 von Japan nach dem chinesischen Reiche Weï 19) ging,
scheint durch die koreanischen Angelegenheiten veranlasst worden
zu sein — doch dauerte es noch mehrere Jahrzehnte bis die dortigen
Verhältnisse eine feste Gestaltung gewannen. Im Jahre 249 führten

19) Damals gab es drei selbstständige Reiche in China, nämlich Weï, Tšu und U. —
Merkwürdig ist, dass die vom Reiche Weï nach Japan geschickte Gegengesandtschaft
dem Mikado ein Königsdiplom und andere Embleme japanischer Vasallenschaft
überbrachte.
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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/49>, abgerufen am 29.03.2024.