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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Aelteste Geschichte.
verschlossen hatte. Es ist zwar anzunehmen, dass sich, seitdem in
der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts das System der Abschliessung
nach aussen und der allgemeinen Beaufsichtigung seine volle Aus-
bildung erreichte, bis zum Eindringen der Amerikaner im Jahre 1854
in den politischen Zuständen wenig geändert hat; aber leider besitzen
wir auch aus der Zeit der Entwickelung des neuen Systemes über
die inneren Einrichtungen keine ausführlichen Angaben, denn die
Missionare, welche die äusseren Begebnisse und die Umwälzungen,
von denen sie Zeugen waren, sehr eingehend beschreiben, geben über
diesen Punct fast gar keine Rechenschaft.



Dsin-Mu der Göttersohn eroberte, von Süden kommend, das
ganze Reich, und schlug in der Landschaft Yamatto 17) den Sitz
seiner Herrschaft auf. Seine Proclamirung als Kaiser des ganzen
660 v. Chr.Landes (660 v. Chr.) ist der Ausgangspunct der japanischen Zeit-
rechnung. Er wird als der erste genannt, der ein Haus baute 18),
während bis dahin die Eingeborenen in Erdhöhlen gewohnt hätten.
Von seiner Leibwache rühmt sich der japanische Adel abzustammen.

Die Nachrichten über die folgenden Mikado's sind dürftig und
beschränken sich auf die Erzählungen von Kriegen gegen die Yebi's,
von wunderbaren Naturphänomenen und Erbstreitigkeiten um die
Thronfolge. Von dem zehnten Mikado wird berichtet, dass er vier
Siogun's, Feldherren zur Bekriegung der wilden Eingeborenen in
den abgelegenen Provinzen ernannt habe. Unter seiner Regierung
33 v. Chr.(33 v. Chr.) kamen zum ersten Male Koreaner nach Japan: die
Annalen erwähnen ihrer als einer tributbringenden Gesandtschaft,
doch scheinen es nur Einwanderer gewesen zu sein, welche, den

17) Yamatto heisst wörtlich Bergland. In alter Zeit soll diese Benennung für
ganz Japan gebraucht worden sein. Im engeren Sinne bezeichnet es den Kern der
Halbinsel, welche in der Mitte der Längenrichtung von Nippon nach Süden heraus-
springt. Die Mikado's residirten durch viele Generationen in verschiedenen Theilen
dieser Landschaft.
18) Das Andenken seiner Wohnung wird in dem berühmten Tempel des Ten-
zio-dai-sin
bewahrt, der in den ersten Jahren der christlichen Zeitrechnung in der
Landschaft Isye erbaut wurde. Er ist der berühmteste Wallfahrtsort des ganzen
Landes und soll eine getreue Copie der alt-japanischen Holz- und Strohbauten sein.
Eine Tochter des Gründers, des elften Mikado, wurde dort Oberpriesterin, auch
ihre Nachfolgerinnen waren aus dem Geschlechte der Erbkaiser. Die Landschaft
Isye grenzt östlich an Yamatto.

Aelteste Geschichte.
verschlossen hatte. Es ist zwar anzunehmen, dass sich, seitdem in
der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts das System der Abschliessung
nach aussen und der allgemeinen Beaufsichtigung seine volle Aus-
bildung erreichte, bis zum Eindringen der Amerikaner im Jahre 1854
in den politischen Zuständen wenig geändert hat; aber leider besitzen
wir auch aus der Zeit der Entwickelung des neuen Systemes über
die inneren Einrichtungen keine ausführlichen Angaben, denn die
Missionare, welche die äusseren Begebnisse und die Umwälzungen,
von denen sie Zeugen waren, sehr eingehend beschreiben, geben über
diesen Punct fast gar keine Rechenschaft.



Dsin-Mu der Göttersohn eroberte, von Süden kommend, das
ganze Reich, und schlug in der Landschaft Yamatto 17) den Sitz
seiner Herrschaft auf. Seine Proclamirung als Kaiser des ganzen
660 v. Chr.Landes (660 v. Chr.) ist der Ausgangspunct der japanischen Zeit-
rechnung. Er wird als der erste genannt, der ein Haus baute 18),
während bis dahin die Eingeborenen in Erdhöhlen gewohnt hätten.
Von seiner Leibwache rühmt sich der japanische Adel abzustammen.

Die Nachrichten über die folgenden Mikado’s sind dürftig und
beschränken sich auf die Erzählungen von Kriegen gegen die Yebi’s,
von wunderbaren Naturphänomenen und Erbstreitigkeiten um die
Thronfolge. Von dem zehnten Mikado wird berichtet, dass er vier
Siogun’s, Feldherren zur Bekriegung der wilden Eingeborenen in
den abgelegenen Provinzen ernannt habe. Unter seiner Regierung
33 v. Chr.(33 v. Chr.) kamen zum ersten Male Koreaner nach Japan: die
Annalen erwähnen ihrer als einer tributbringenden Gesandtschaft,
doch scheinen es nur Einwanderer gewesen zu sein, welche, den

17) Yamatto heisst wörtlich Bergland. In alter Zeit soll diese Benennung für
ganz Japan gebraucht worden sein. Im engeren Sinne bezeichnet es den Kern der
Halbinsel, welche in der Mitte der Längenrichtung von Nippon nach Süden heraus-
springt. Die Mikado’s residirten durch viele Generationen in verschiedenen Theilen
dieser Landschaft.
18) Das Andenken seiner Wohnung wird in dem berühmten Tempel des Ten-
zio-daï-sin
bewahrt, der in den ersten Jahren der christlichen Zeitrechnung in der
Landschaft Isye erbaut wurde. Er ist der berühmteste Wallfahrtsort des ganzen
Landes und soll eine getreue Copie der alt-japanischen Holz- und Strohbauten sein.
Eine Tochter des Gründers, des elften Mikado, wurde dort Oberpriesterin, auch
ihre Nachfolgerinnen waren aus dem Geschlechte der Erbkaiser. Die Landschaft
Isye grenzt östlich an Yamatto.
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[18/0048] Aelteste Geschichte. verschlossen hatte. Es ist zwar anzunehmen, dass sich, seitdem in der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts das System der Abschliessung nach aussen und der allgemeinen Beaufsichtigung seine volle Aus- bildung erreichte, bis zum Eindringen der Amerikaner im Jahre 1854 in den politischen Zuständen wenig geändert hat; aber leider besitzen wir auch aus der Zeit der Entwickelung des neuen Systemes über die inneren Einrichtungen keine ausführlichen Angaben, denn die Missionare, welche die äusseren Begebnisse und die Umwälzungen, von denen sie Zeugen waren, sehr eingehend beschreiben, geben über diesen Punct fast gar keine Rechenschaft. Dsin-Mu der Göttersohn eroberte, von Süden kommend, das ganze Reich, und schlug in der Landschaft Yamatto 17) den Sitz seiner Herrschaft auf. Seine Proclamirung als Kaiser des ganzen Landes (660 v. Chr.) ist der Ausgangspunct der japanischen Zeit- rechnung. Er wird als der erste genannt, der ein Haus baute 18), während bis dahin die Eingeborenen in Erdhöhlen gewohnt hätten. Von seiner Leibwache rühmt sich der japanische Adel abzustammen. 660 v. Chr. Die Nachrichten über die folgenden Mikado’s sind dürftig und beschränken sich auf die Erzählungen von Kriegen gegen die Yebi’s, von wunderbaren Naturphänomenen und Erbstreitigkeiten um die Thronfolge. Von dem zehnten Mikado wird berichtet, dass er vier Siogun’s, Feldherren zur Bekriegung der wilden Eingeborenen in den abgelegenen Provinzen ernannt habe. Unter seiner Regierung (33 v. Chr.) kamen zum ersten Male Koreaner nach Japan: die Annalen erwähnen ihrer als einer tributbringenden Gesandtschaft, doch scheinen es nur Einwanderer gewesen zu sein, welche, den 33 v. Chr. 17) Yamatto heisst wörtlich Bergland. In alter Zeit soll diese Benennung für ganz Japan gebraucht worden sein. Im engeren Sinne bezeichnet es den Kern der Halbinsel, welche in der Mitte der Längenrichtung von Nippon nach Süden heraus- springt. Die Mikado’s residirten durch viele Generationen in verschiedenen Theilen dieser Landschaft. 18) Das Andenken seiner Wohnung wird in dem berühmten Tempel des Ten- zio-daï-sin bewahrt, der in den ersten Jahren der christlichen Zeitrechnung in der Landschaft Isye erbaut wurde. Er ist der berühmteste Wallfahrtsort des ganzen Landes und soll eine getreue Copie der alt-japanischen Holz- und Strohbauten sein. Eine Tochter des Gründers, des elften Mikado, wurde dort Oberpriesterin, auch ihre Nachfolgerinnen waren aus dem Geschlechte der Erbkaiser. Die Landschaft Isye grenzt östlich an Yamatto.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/48>, abgerufen am 23.11.2024.