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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Geschichtsquellen.
und enthalten nicht so viel des Wunderbaren und Sagenhaften als
die Geschichte gleichnamiger Zeitalter bei den westlichen Völkern.

Die Schrift, und zwar zunächst die chinesische ideographische,
wurde zu Ende des dritten Jahrhunderts n. Chr. in Japan einge-
führt. Vor dieser Zeit sollen alle Gesetze und Verordnungen durch
öffentliches Ausrufen publicirt und durch mündliche Ueberlieferung
fortgepflanzt worden sein, ebenso das Andenken an wichtige Staats-
begebenheiten. Die Zeitbestimmungen aber wurden durch Ein-
kerbungen in Balken und durch Knoten, die man in Seile machte,
der Nachwelt übergeben. Die Thatsache, dass von Japan aus eine
Gesandtschaft nach Korea ging, um die chinesische Schrift und
Gelehrte von dort zu holen, lässt auf den Bildungsgrad schliessen,
den das Volk im dritten Jahrhundert n. Chr. erreicht hatte.

Von dem ersten Geschichtswerke -- Reichsarchive werden
schon viel früher erwähnt -- berichten die Annalen unter dem vier-
unddreissigsten Mikado um 600 n. Chr. Diese Arbeit geht in die
frühesten Zeiten zurück und wird als Berichtigung und neue
Redaction älterer Werke bezeichnet. Von der Zeit scheinen die
Aufzeichnungen regelmässig fortgeführt worden zu sein 14). Die
japanische Litteratur ist reich an historischen Monographieen über
einzelne Landestheile, Familien und merkwürdige Entwickelungs-
phasen, aber den Europäern ist noch wenig davon bekannt geworden.
-- Mit den chinesischen Geschichtswerken stimmen die japanischen,
wo es sich um Berührung der beiden Völker handelt, in Bezug auf
Data und Thatsachen meist im wesentlichen überein, aber ihre
Auffassung der Begebenheiten ist häufig sehr verschieden.

Die Nachrichten der Kaiserannalen über das Ende des sechs-
zehnten und den Anfang des siebzehnten Jahrhunderts sind sehr
lückenhaft und unvollständig, sie hätten sonst manchen zarten und
für die neue Siogun-Dynastie empfindlichen Punct berühren müssen.
Ueber diesen Zeitraum, einen der wichtigsten und merkwürdigsten

14) Im Jahre 713 wurde das Buch Fo-to-ki vollendet, eine ausführliche Be-
schreibung von Japan mit geschichtlichen Nachrichten. Um 720 erschien eine Geschichte
des Reiches in 30 Bänden, darauf in den Jahren 791, 840, 850, 858 und 887 aus-
führliche Werke über die eben vergangenen Perioden, welche an einander anknüpfen,
in je 30 bis 50 Bänden. Die sechs Werke bilden zusammen die grosse japanische
Chronik. An diesen Aufzeichnungen, welche sorgfältig fortgeführt wurden, arbeiteten
hohe Staatsbeamte im Verein mit Gelehrten. S. Hoffmann Japanische Grammatik
(Leyden 1857) -- und Klaproth zu den Kaiserannalen.

Geschichtsquellen.
und enthalten nicht so viel des Wunderbaren und Sagenhaften als
die Geschichte gleichnamiger Zeitalter bei den westlichen Völkern.

Die Schrift, und zwar zunächst die chinesische ideographische,
wurde zu Ende des dritten Jahrhunderts n. Chr. in Japan einge-
führt. Vor dieser Zeit sollen alle Gesetze und Verordnungen durch
öffentliches Ausrufen publicirt und durch mündliche Ueberlieferung
fortgepflanzt worden sein, ebenso das Andenken an wichtige Staats-
begebenheiten. Die Zeitbestimmungen aber wurden durch Ein-
kerbungen in Balken und durch Knoten, die man in Seile machte,
der Nachwelt übergeben. Die Thatsache, dass von Japan aus eine
Gesandtschaft nach Korea ging, um die chinesische Schrift und
Gelehrte von dort zu holen, lässt auf den Bildungsgrad schliessen,
den das Volk im dritten Jahrhundert n. Chr. erreicht hatte.

Von dem ersten Geschichtswerke — Reichsarchive werden
schon viel früher erwähnt — berichten die Annalen unter dem vier-
unddreissigsten Mikado um 600 n. Chr. Diese Arbeit geht in die
frühesten Zeiten zurück und wird als Berichtigung und neue
Redaction älterer Werke bezeichnet. Von der Zeit scheinen die
Aufzeichnungen regelmässig fortgeführt worden zu sein 14). Die
japanische Litteratur ist reich an historischen Monographieen über
einzelne Landestheile, Familien und merkwürdige Entwickelungs-
phasen, aber den Europäern ist noch wenig davon bekannt geworden.
— Mit den chinesischen Geschichtswerken stimmen die japanischen,
wo es sich um Berührung der beiden Völker handelt, in Bezug auf
Data und Thatsachen meist im wesentlichen überein, aber ihre
Auffassung der Begebenheiten ist häufig sehr verschieden.

Die Nachrichten der Kaiserannalen über das Ende des sechs-
zehnten und den Anfang des siebzehnten Jahrhunderts sind sehr
lückenhaft und unvollständig, sie hätten sonst manchen zarten und
für die neue Siogun-Dynastie empfindlichen Punct berühren müssen.
Ueber diesen Zeitraum, einen der wichtigsten und merkwürdigsten

14) Im Jahre 713 wurde das Buch Fo-to-ki vollendet, eine ausführliche Be-
schreibung von Japan mit geschichtlichen Nachrichten. Um 720 erschien eine Geschichte
des Reiches in 30 Bänden, darauf in den Jahren 791, 840, 850, 858 und 887 aus-
führliche Werke über die eben vergangenen Perioden, welche an einander anknüpfen,
in je 30 bis 50 Bänden. Die sechs Werke bilden zusammen die grosse japanische
Chronik. An diesen Aufzeichnungen, welche sorgfältig fortgeführt wurden, arbeiteten
hohe Staatsbeamte im Verein mit Gelehrten. S. Hoffmann Japanische Grammatik
(Leyden 1857) — und Klaproth zu den Kaiserannalen.
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[16/0046] Geschichtsquellen. und enthalten nicht so viel des Wunderbaren und Sagenhaften als die Geschichte gleichnamiger Zeitalter bei den westlichen Völkern. Die Schrift, und zwar zunächst die chinesische ideographische, wurde zu Ende des dritten Jahrhunderts n. Chr. in Japan einge- führt. Vor dieser Zeit sollen alle Gesetze und Verordnungen durch öffentliches Ausrufen publicirt und durch mündliche Ueberlieferung fortgepflanzt worden sein, ebenso das Andenken an wichtige Staats- begebenheiten. Die Zeitbestimmungen aber wurden durch Ein- kerbungen in Balken und durch Knoten, die man in Seile machte, der Nachwelt übergeben. Die Thatsache, dass von Japan aus eine Gesandtschaft nach Korea ging, um die chinesische Schrift und Gelehrte von dort zu holen, lässt auf den Bildungsgrad schliessen, den das Volk im dritten Jahrhundert n. Chr. erreicht hatte. Von dem ersten Geschichtswerke — Reichsarchive werden schon viel früher erwähnt — berichten die Annalen unter dem vier- unddreissigsten Mikado um 600 n. Chr. Diese Arbeit geht in die frühesten Zeiten zurück und wird als Berichtigung und neue Redaction älterer Werke bezeichnet. Von der Zeit scheinen die Aufzeichnungen regelmässig fortgeführt worden zu sein 14). Die japanische Litteratur ist reich an historischen Monographieen über einzelne Landestheile, Familien und merkwürdige Entwickelungs- phasen, aber den Europäern ist noch wenig davon bekannt geworden. — Mit den chinesischen Geschichtswerken stimmen die japanischen, wo es sich um Berührung der beiden Völker handelt, in Bezug auf Data und Thatsachen meist im wesentlichen überein, aber ihre Auffassung der Begebenheiten ist häufig sehr verschieden. Die Nachrichten der Kaiserannalen über das Ende des sechs- zehnten und den Anfang des siebzehnten Jahrhunderts sind sehr lückenhaft und unvollständig, sie hätten sonst manchen zarten und für die neue Siogun-Dynastie empfindlichen Punct berühren müssen. Ueber diesen Zeitraum, einen der wichtigsten und merkwürdigsten 14) Im Jahre 713 wurde das Buch Fo-to-ki vollendet, eine ausführliche Be- schreibung von Japan mit geschichtlichen Nachrichten. Um 720 erschien eine Geschichte des Reiches in 30 Bänden, darauf in den Jahren 791, 840, 850, 858 und 887 aus- führliche Werke über die eben vergangenen Perioden, welche an einander anknüpfen, in je 30 bis 50 Bänden. Die sechs Werke bilden zusammen die grosse japanische Chronik. An diesen Aufzeichnungen, welche sorgfältig fortgeführt wurden, arbeiteten hohe Staatsbeamte im Verein mit Gelehrten. S. Hoffmann Japanische Grammatik (Leyden 1857) — und Klaproth zu den Kaiserannalen.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/46>, abgerufen am 25.04.2024.