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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Pflanzen. Thiere.
Festlandes zu sein. Camelien, Cryptomerien und viele andere Ge-
schlechter werden als Japan eigenthümlich und eingeboren angesehen.
Neben den einheimischen Gewächsen haben sich auch viele fremd-
ländische eingebürgert, so unter anderen der Theestrauch, die
Orange 6), der Tabak 7), der Maulbeerbaum. Die Japaner sind Meister
in der Baumzucht und vielen anderen Zweigen des Feld- und Garten-
baues, und haben sich zu allen Zeiten bemüht, fremde Nutzpflanzen
in ihrem Lande zu acclimatisiren. Der Charakter der Flora ist
schwer zu beschreiben, sie enthält Elemente aus allen Zonen: aus
der kalten die Nadelhölzer -- Japan ist reicher an Coniferen-Arten
als irgend ein Land der Welt -- aus der gemässigten viele unseren
Laubbäumen verwandte Gattungen, aus der subtropischen die immer-
grünen Laubhölzer, aus der tropischen vor allen Bambus, Palmen,
Cicadeen. Analog ist die Vegetation der Sträucher und Stauden-
gewächse und die überaus reiche Cryptogamen-Flora.

Weniger mannichfaltig ist die japanische Thierwelt; der
überall verbreitete Anbau mag ihrer Verbreitung hinderlich sein.
Eigenthümlichen Zügen begegnen wir auch hier: der Riesenmolch,
der Kupferfasan und einige andere Arten kommen nur in Japan vor.
Im allgemeinen ist die Fauna die der gemässigten Zone; Affen giebt
es nur im Süden des Reiches, die Raubthiere aus dem Katzen-
geschlechte fehlen wie bei uns fast ganz. An Fischen und See-
thieren haben die japanischen Gewässer einen Reichthum und eine
Mannichfaltigkeit wie wenige andere: kalte und warme Meeresströme

6) Ueber die Einführung der Orange wird eine Anecdote erzählt, welche dem
japanischen Charakter ganz gemäss ist. Der Mikado, der von den goldenen Früchten
gehört hat, sendet einen Vertrauten aus seiner Umgebung nach China, um den Baum
zu holen. Dieser bleibt zehn Jahre aus, kehrt endlich mit dem Orangenbaum glücklich
nach Japan zurück, findet aber seinen Herrn nicht mehr und entleibt sich aus Gram
auf dessen Grabe. -- Der Held dieser Sage ist Tatsima Mori, ein Sprössling des
koreanischen Prinzen Amano Fiboko von Sinra, der um 27 n. Chr. an der Spitze
einer Einwanderung nach Japan kam. Er überreichte dem Mikado geheimnissvolle
Geschenke -- einen kleinen Säbel, eine steinerne Pike, Opfergeräthe, Spiegel und
Edelsteine, welche bei dem Mikado-Hause blieben, für Geisterschätze und sehr heilig
gehalten wurden. Vielleicht sind dies die späteren Reichsinsignien, deren Ursprung
man auf die oberste japanische Gottheit zurückführt. -- Tatsima Mori's Tod setzen
die Annalen in das Jahr 71 n. Chr.
7) Der Tabak ist von den Portugiesen eingeführt und seit lange im allgemeinsten
Gebrauch. Die Japaner haben zugleich mit der Pflanze auch ihren Namen von den
Europäern angenommen.

Pflanzen. Thiere.
Festlandes zu sein. Camelien, Cryptomerien und viele andere Ge-
schlechter werden als Japan eigenthümlich und eingeboren angesehen.
Neben den einheimischen Gewächsen haben sich auch viele fremd-
ländische eingebürgert, so unter anderen der Theestrauch, die
Orange 6), der Tabak 7), der Maulbeerbaum. Die Japaner sind Meister
in der Baumzucht und vielen anderen Zweigen des Feld- und Garten-
baues, und haben sich zu allen Zeiten bemüht, fremde Nutzpflanzen
in ihrem Lande zu acclimatisiren. Der Charakter der Flora ist
schwer zu beschreiben, sie enthält Elemente aus allen Zonen: aus
der kalten die Nadelhölzer — Japan ist reicher an Coniferen-Arten
als irgend ein Land der Welt — aus der gemässigten viele unseren
Laubbäumen verwandte Gattungen, aus der subtropischen die immer-
grünen Laubhölzer, aus der tropischen vor allen Bambus, Palmen,
Cicadeen. Analog ist die Vegetation der Sträucher und Stauden-
gewächse und die überaus reiche Cryptogamen-Flora.

Weniger mannichfaltig ist die japanische Thierwelt; der
überall verbreitete Anbau mag ihrer Verbreitung hinderlich sein.
Eigenthümlichen Zügen begegnen wir auch hier: der Riesenmolch,
der Kupferfasan und einige andere Arten kommen nur in Japan vor.
Im allgemeinen ist die Fauna die der gemässigten Zone; Affen giebt
es nur im Süden des Reiches, die Raubthiere aus dem Katzen-
geschlechte fehlen wie bei uns fast ganz. An Fischen und See-
thieren haben die japanischen Gewässer einen Reichthum und eine
Mannichfaltigkeit wie wenige andere: kalte und warme Meeresströme

6) Ueber die Einführung der Orange wird eine Anecdote erzählt, welche dem
japanischen Charakter ganz gemäss ist. Der Mikado, der von den goldenen Früchten
gehört hat, sendet einen Vertrauten aus seiner Umgebung nach China, um den Baum
zu holen. Dieser bleibt zehn Jahre aus, kehrt endlich mit dem Orangenbaum glücklich
nach Japan zurück, findet aber seinen Herrn nicht mehr und entleibt sich aus Gram
auf dessen Grabe. — Der Held dieser Sage ist Tatsima Mori, ein Sprössling des
koreanischen Prinzen Amano Fiboko von Sinra, der um 27 n. Chr. an der Spitze
einer Einwanderung nach Japan kam. Er überreichte dem Mikado geheimnissvolle
Geschenke — einen kleinen Säbel, eine steinerne Pike, Opfergeräthe, Spiegel und
Edelsteine, welche bei dem Mikado-Hause blieben, für Geisterschätze und sehr heilig
gehalten wurden. Vielleicht sind dies die späteren Reichsinsignien, deren Ursprung
man auf die oberste japanische Gottheit zurückführt. — Tatsima Mori’s Tod setzen
die Annalen in das Jahr 71 n. Chr.
7) Der Tabak ist von den Portugiesen eingeführt und seit lange im allgemeinsten
Gebrauch. Die Japaner haben zugleich mit der Pflanze auch ihren Namen von den
Europäern angenommen.
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[9/0039] Pflanzen. Thiere. Festlandes zu sein. Camelien, Cryptomerien und viele andere Ge- schlechter werden als Japan eigenthümlich und eingeboren angesehen. Neben den einheimischen Gewächsen haben sich auch viele fremd- ländische eingebürgert, so unter anderen der Theestrauch, die Orange 6), der Tabak 7), der Maulbeerbaum. Die Japaner sind Meister in der Baumzucht und vielen anderen Zweigen des Feld- und Garten- baues, und haben sich zu allen Zeiten bemüht, fremde Nutzpflanzen in ihrem Lande zu acclimatisiren. Der Charakter der Flora ist schwer zu beschreiben, sie enthält Elemente aus allen Zonen: aus der kalten die Nadelhölzer — Japan ist reicher an Coniferen-Arten als irgend ein Land der Welt — aus der gemässigten viele unseren Laubbäumen verwandte Gattungen, aus der subtropischen die immer- grünen Laubhölzer, aus der tropischen vor allen Bambus, Palmen, Cicadeen. Analog ist die Vegetation der Sträucher und Stauden- gewächse und die überaus reiche Cryptogamen-Flora. Weniger mannichfaltig ist die japanische Thierwelt; der überall verbreitete Anbau mag ihrer Verbreitung hinderlich sein. Eigenthümlichen Zügen begegnen wir auch hier: der Riesenmolch, der Kupferfasan und einige andere Arten kommen nur in Japan vor. Im allgemeinen ist die Fauna die der gemässigten Zone; Affen giebt es nur im Süden des Reiches, die Raubthiere aus dem Katzen- geschlechte fehlen wie bei uns fast ganz. An Fischen und See- thieren haben die japanischen Gewässer einen Reichthum und eine Mannichfaltigkeit wie wenige andere: kalte und warme Meeresströme 6) Ueber die Einführung der Orange wird eine Anecdote erzählt, welche dem japanischen Charakter ganz gemäss ist. Der Mikado, der von den goldenen Früchten gehört hat, sendet einen Vertrauten aus seiner Umgebung nach China, um den Baum zu holen. Dieser bleibt zehn Jahre aus, kehrt endlich mit dem Orangenbaum glücklich nach Japan zurück, findet aber seinen Herrn nicht mehr und entleibt sich aus Gram auf dessen Grabe. — Der Held dieser Sage ist Tatsima Mori, ein Sprössling des koreanischen Prinzen Amano Fiboko von Sinra, der um 27 n. Chr. an der Spitze einer Einwanderung nach Japan kam. Er überreichte dem Mikado geheimnissvolle Geschenke — einen kleinen Säbel, eine steinerne Pike, Opfergeräthe, Spiegel und Edelsteine, welche bei dem Mikado-Hause blieben, für Geisterschätze und sehr heilig gehalten wurden. Vielleicht sind dies die späteren Reichsinsignien, deren Ursprung man auf die oberste japanische Gottheit zurückführt. — Tatsima Mori’s Tod setzen die Annalen in das Jahr 71 n. Chr. 7) Der Tabak ist von den Portugiesen eingeführt und seit lange im allgemeinsten Gebrauch. Die Japaner haben zugleich mit der Pflanze auch ihren Namen von den Europäern angenommen.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/39>, abgerufen am 29.03.2024.