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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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V. Senzoko. Ausflug nach Odsi.
südliche Abhang der Höhe bietet reiche Aussichten auf das Dorf
und die fruchtbare Ebene.

Von Ikegami gelangt man westlich über Hügelreihen nach
einem kleinen Landsee, der sich im Herbst mit Tausenden wilder
Enten bevölkert; auch hier und im weiten Umkreise von Yeddo darf
ihnen Niemand nachstellen. Die Landschaft ist reich an gefiederter
Staffage, namentlich Reihern und Kranichen, die bedächtig im
Sumpfe der Reisfelder watend den Fröschen und Fischen lauern;
im Winter treiben sich dort ganze Schaaren wilder Gänse herum,
die Bauern sollen sie zuweilen mit Angeln fangen. -- Am Landsee
von Senzoko liegen wieder stattliche buddistische Tempel und gegen-
über unter himmelhohen Cryptomerien versteckt eine bescheidene
Mia, deren Gegenwart nur das rothe hölzerne Toori 12) am Ufer
verräth. Einige ländliche Theehäuser sind malerich an das Wasser
gebaut, in dem sich von allen Seiten grüne Wipfel spiegeln, -- der
Ort hat etwas überaus liebliches und friedliches und wurde häufig
das Ziel unserer Ritte. Der directe Weg nach Yeddo führt über
das früher beschriebene Hügelland, durch Dörfer, Hohlwege und
Bambusgehölze.

Am 28. September machten wir einen Ausflug nach dem28. Septbr.
nordwestlich von Yeddo gelegenen Dorfe Odsi, einem beliebten
Vergnügungsort mit eleganten Theehäusern. Der Gesandte hatte
dazu mehrere Officiere von den Schiffen eingeladen, so dass unsere
Cavalcade mit zehn Jakuninen aus dreissig Reitern bestand. Es
regnete am frühen Morgen, klärte sich aber auf, als wir gegen
neun Uhr abritten; der Tag blieb nebelig mit gelegentlichen Sonnen-
blicken, die Luft war milde und angenehm. Heusken führte uns
zunächst durch die südwestlichen Vorstädte und durch ländliche
Gegenden, dann nach der westlichen Ecke des Soto-Siro, -- das
wir nach Norden durchschnitten, -- und an den Palästen der

12) Toori heisst ein Portal aus zwei gegeneinander geneigten Säulen, die oben
durch zwei Queerbalken verbunden sind. Man findet es bei den meisten japanischen
Tempeln, bald gross, bald klein, von Holz, lackirt oder kupferbeschlagen, häufig
auch von Stein. Zwischen den Queerbalken ist zuweilen eine Tafel mit dem Namen
des Tempels angebracht. Die Form des Toori ist unveränderlich und durch hohes
Alter sanctionirt; die geneigten Säulen, die Schweifung des oberen und die auch bei
steinernen Portalen dieser Art vorkommenden Keile am unteren Queerbalken beweisen,
dass ihre Form ursprünglich auf der Holzconstruction beruht. S. "Ansichten aus
Japan, China und Siam" Blatt 1 und 5.
I. 22

V. Senzoko. Ausflug nach Odsi.
südliche Abhang der Höhe bietet reiche Aussichten auf das Dorf
und die fruchtbare Ebene.

Von Ikegami gelangt man westlich über Hügelreihen nach
einem kleinen Landsee, der sich im Herbst mit Tausenden wilder
Enten bevölkert; auch hier und im weiten Umkreise von Yeddo darf
ihnen Niemand nachstellen. Die Landschaft ist reich an gefiederter
Staffage, namentlich Reihern und Kranichen, die bedächtig im
Sumpfe der Reisfelder watend den Fröschen und Fischen lauern;
im Winter treiben sich dort ganze Schaaren wilder Gänse herum,
die Bauern sollen sie zuweilen mit Angeln fangen. — Am Landsee
von Senzoko liegen wieder stattliche buddistische Tempel und gegen-
über unter himmelhohen Cryptomerien versteckt eine bescheidene
Mia, deren Gegenwart nur das rothe hölzerne Toori 12) am Ufer
verräth. Einige ländliche Theehäuser sind malerich an das Wasser
gebaut, in dem sich von allen Seiten grüne Wipfel spiegeln, — der
Ort hat etwas überaus liebliches und friedliches und wurde häufig
das Ziel unserer Ritte. Der directe Weg nach Yeddo führt über
das früher beschriebene Hügelland, durch Dörfer, Hohlwege und
Bambusgehölze.

Am 28. September machten wir einen Ausflug nach dem28. Septbr.
nordwestlich von Yeddo gelegenen Dorfe Odsi, einem beliebten
Vergnügungsort mit eleganten Theehäusern. Der Gesandte hatte
dazu mehrere Officiere von den Schiffen eingeladen, so dass unsere
Cavalcade mit zehn Jakuninen aus dreissig Reitern bestand. Es
regnete am frühen Morgen, klärte sich aber auf, als wir gegen
neun Uhr abritten; der Tag blieb nebelig mit gelegentlichen Sonnen-
blicken, die Luft war milde und angenehm. Heusken führte uns
zunächst durch die südwestlichen Vorstädte und durch ländliche
Gegenden, dann nach der westlichen Ecke des Soto-Siro, — das
wir nach Norden durchschnitten, — und an den Palästen der

12) Toori heisst ein Portal aus zwei gegeneinander geneigten Säulen, die oben
durch zwei Queerbalken verbunden sind. Man findet es bei den meisten japanischen
Tempeln, bald gross, bald klein, von Holz, lackirt oder kupferbeschlagen, häufig
auch von Stein. Zwischen den Queerbalken ist zuweilen eine Tafel mit dem Namen
des Tempels angebracht. Die Form des Toori ist unveränderlich und durch hohes
Alter sanctionirt; die geneigten Säulen, die Schweifung des oberen und die auch bei
steinernen Portalen dieser Art vorkommenden Keile am unteren Queerbalken beweisen,
dass ihre Form ursprünglich auf der Holzconstruction beruht. S. »Ansichten aus
Japan, China und Siam« Blatt 1 und 5.
I. 22
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[337/0367] V. Senzoko. Ausflug nach Odsi. südliche Abhang der Höhe bietet reiche Aussichten auf das Dorf und die fruchtbare Ebene. Von Ikegami gelangt man westlich über Hügelreihen nach einem kleinen Landsee, der sich im Herbst mit Tausenden wilder Enten bevölkert; auch hier und im weiten Umkreise von Yeddo darf ihnen Niemand nachstellen. Die Landschaft ist reich an gefiederter Staffage, namentlich Reihern und Kranichen, die bedächtig im Sumpfe der Reisfelder watend den Fröschen und Fischen lauern; im Winter treiben sich dort ganze Schaaren wilder Gänse herum, die Bauern sollen sie zuweilen mit Angeln fangen. — Am Landsee von Senzoko liegen wieder stattliche buddistische Tempel und gegen- über unter himmelhohen Cryptomerien versteckt eine bescheidene Mia, deren Gegenwart nur das rothe hölzerne Toori 12) am Ufer verräth. Einige ländliche Theehäuser sind malerich an das Wasser gebaut, in dem sich von allen Seiten grüne Wipfel spiegeln, — der Ort hat etwas überaus liebliches und friedliches und wurde häufig das Ziel unserer Ritte. Der directe Weg nach Yeddo führt über das früher beschriebene Hügelland, durch Dörfer, Hohlwege und Bambusgehölze. Am 28. September machten wir einen Ausflug nach dem nordwestlich von Yeddo gelegenen Dorfe Odsi, einem beliebten Vergnügungsort mit eleganten Theehäusern. Der Gesandte hatte dazu mehrere Officiere von den Schiffen eingeladen, so dass unsere Cavalcade mit zehn Jakuninen aus dreissig Reitern bestand. Es regnete am frühen Morgen, klärte sich aber auf, als wir gegen neun Uhr abritten; der Tag blieb nebelig mit gelegentlichen Sonnen- blicken, die Luft war milde und angenehm. Heusken führte uns zunächst durch die südwestlichen Vorstädte und durch ländliche Gegenden, dann nach der westlichen Ecke des Soto-Siro, — das wir nach Norden durchschnitten, — und an den Palästen der 28. Septbr. 12) Toori heisst ein Portal aus zwei gegeneinander geneigten Säulen, die oben durch zwei Queerbalken verbunden sind. Man findet es bei den meisten japanischen Tempeln, bald gross, bald klein, von Holz, lackirt oder kupferbeschlagen, häufig auch von Stein. Zwischen den Queerbalken ist zuweilen eine Tafel mit dem Namen des Tempels angebracht. Die Form des Toori ist unveränderlich und durch hohes Alter sanctionirt; die geneigten Säulen, die Schweifung des oberen und die auch bei steinernen Portalen dieser Art vorkommenden Keile am unteren Queerbalken beweisen, dass ihre Form ursprünglich auf der Holzconstruction beruht. S. »Ansichten aus Japan, China und Siam« Blatt 1 und 5. I. 22

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/367>, abgerufen am 28.07.2024.