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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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I. Besuch bei Tumangung.
geblieben und geniessen des grössten Vertrauens; trotzdem hält
man es seit 1858 für gerathen, nur die dienstthuenden Mannschaften
bewaffnet gehen zu lassen; alle übrigen müssen ihre Waffen in einem
grossen Saale der Caserne niederlegen. Das Regiment besteht aus
zehn Compagnieen zu hundert Mann; zwei davon sind in Labuan
auf Borneo stationirt. Die Verantwortlichkeit für die Truppen in
Singapore fällt auf sechs englische Officiere; alle übrigen Subalternen
sind avancirte Sepoys.

Am 7. August machte der Gesandte in Begleitung der Capitäne7. August.
Sundewall und Jachmann und vieler anderen Expeditionsmitglieder
dem bei Newharbour, etwa drei englische Meilen von der Stadt
wohnenden Tumangung von Dzohor einen Besuch. Er ist der Sohn
des Mannes, welcher den Engländern zuerst einen Küstenstrich zur
Niederlassung auf der Insel abtrat, ein alter, fast zahnloser Herr
in malaiischer Tracht, welche besonders durch das bunte, lose
um den Kopf geknüpfte Baumwollentuch und den Sarong auffällt.
Aehnlich, doch mit europäischen Zuthaten, kleiden sich seine
beiden englisch redenden Söhne, welche den Gesandten am Ein-
gange des Hauses empfingen, schöne junge Männer im Alter von
27 und 24 Jahren mit ächt malaiischen träumerischen Zügen. Der
Tumangung kam seinen Gästen oben an der Treppe entgegen, führte
sie in einen englisch eingerichteten Salon und zeigte mit grosser
Selbstgefälligkeit eine Sammlung kostbarer Krise, -- so heissen die
malaiischen Dolche. Die Klinge ist geflammt und oben sehr breit,
das Heft kurz, von hartem Holze, und sitzt im stumpfen Winkel
an der Klinge. Die meisten sind vergiftet, jede Wunde soll tödtlich
sein. Die Dolche des Tumangung hatten sehr schöne Klingen deren
Stahl eine Art Damast zeigte, und waren reich mit Edelsteinen
besetzt, ebenso einige kurze Lanzen die zur Tigerjagd gebraucht
werden, von schöner Zeichnung und auserlesener Arbeit. -- Der
Tumangung spricht nur malaiisch; der hanseatische Consul hatte die
Güte, bei der Conversation zu dolmetschen. -- Unbeirrt durch die
Anwesenheit der Fremden flatterten durch die offenen Fenster viele
Schwalben aus und ein und verschwanden in einen an die Wohn-
räume stossenden Gang, dessen Decke ganz mit ihren Nestern bedeckt
war. Wir erfuhren, dass es die Art sei, welche die essbaren
Nester baut, und dass der Hausherr sie seinem Gaumen zu Liebe
hierher gewöhnt habe. Ueber der Treppe hing ein Käfig mit
einer unscheinbaren Taube von seltener Art, die nach malaiischem

I. Besuch bei Tumanguṅg.
geblieben und geniessen des grössten Vertrauens; trotzdem hält
man es seit 1858 für gerathen, nur die dienstthuenden Mannschaften
bewaffnet gehen zu lassen; alle übrigen müssen ihre Waffen in einem
grossen Saale der Caserne niederlegen. Das Regiment besteht aus
zehn Compagnieen zu hundert Mann; zwei davon sind in Labuan
auf Borneo stationirt. Die Verantwortlichkeit für die Truppen in
Singapore fällt auf sechs englische Officiere; alle übrigen Subalternen
sind avancirte Sepoys.

Am 7. August machte der Gesandte in Begleitung der Capitäne7. August.
Sundewall und Jachmann und vieler anderen Expeditionsmitglieder
dem bei Newharbour, etwa drei englische Meilen von der Stadt
wohnenden Tumanguṅg von Džohor einen Besuch. Er ist der Sohn
des Mannes, welcher den Engländern zuerst einen Küstenstrich zur
Niederlassung auf der Insel abtrat, ein alter, fast zahnloser Herr
in malaiischer Tracht, welche besonders durch das bunte, lose
um den Kopf geknüpfte Baumwollentuch und den Sarong auffällt.
Aehnlich, doch mit europäischen Zuthaten, kleiden sich seine
beiden englisch redenden Söhne, welche den Gesandten am Ein-
gange des Hauses empfingen, schöne junge Männer im Alter von
27 und 24 Jahren mit ächt malaiischen träumerischen Zügen. Der
Tumanguṅg kam seinen Gästen oben an der Treppe entgegen, führte
sie in einen englisch eingerichteten Salon und zeigte mit grosser
Selbstgefälligkeit eine Sammlung kostbarer Krise, — so heissen die
malaiischen Dolche. Die Klinge ist geflammt und oben sehr breit,
das Heft kurz, von hartem Holze, und sitzt im stumpfen Winkel
an der Klinge. Die meisten sind vergiftet, jede Wunde soll tödtlich
sein. Die Dolche des Tumanguṅg hatten sehr schöne Klingen deren
Stahl eine Art Damast zeigte, und waren reich mit Edelsteinen
besetzt, ebenso einige kurze Lanzen die zur Tigerjagd gebraucht
werden, von schöner Zeichnung und auserlesener Arbeit. — Der
Tumanguṅg spricht nur malaiisch; der hanseatische Consul hatte die
Güte, bei der Conversation zu dolmetschen. — Unbeirrt durch die
Anwesenheit der Fremden flatterten durch die offenen Fenster viele
Schwalben aus und ein und verschwanden in einen an die Wohn-
räume stossenden Gang, dessen Decke ganz mit ihren Nestern bedeckt
war. Wir erfuhren, dass es die Art sei, welche die essbaren
Nester baut, und dass der Hausherr sie seinem Gaumen zu Liebe
hierher gewöhnt habe. Ueber der Treppe hing ein Käfig mit
einer unscheinbaren Taube von seltener Art, die nach malaiischem

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[213/0243] I. Besuch bei Tumanguṅg. geblieben und geniessen des grössten Vertrauens; trotzdem hält man es seit 1858 für gerathen, nur die dienstthuenden Mannschaften bewaffnet gehen zu lassen; alle übrigen müssen ihre Waffen in einem grossen Saale der Caserne niederlegen. Das Regiment besteht aus zehn Compagnieen zu hundert Mann; zwei davon sind in Labuan auf Borneo stationirt. Die Verantwortlichkeit für die Truppen in Singapore fällt auf sechs englische Officiere; alle übrigen Subalternen sind avancirte Sepoys. Am 7. August machte der Gesandte in Begleitung der Capitäne Sundewall und Jachmann und vieler anderen Expeditionsmitglieder dem bei Newharbour, etwa drei englische Meilen von der Stadt wohnenden Tumanguṅg von Džohor einen Besuch. Er ist der Sohn des Mannes, welcher den Engländern zuerst einen Küstenstrich zur Niederlassung auf der Insel abtrat, ein alter, fast zahnloser Herr in malaiischer Tracht, welche besonders durch das bunte, lose um den Kopf geknüpfte Baumwollentuch und den Sarong auffällt. Aehnlich, doch mit europäischen Zuthaten, kleiden sich seine beiden englisch redenden Söhne, welche den Gesandten am Ein- gange des Hauses empfingen, schöne junge Männer im Alter von 27 und 24 Jahren mit ächt malaiischen träumerischen Zügen. Der Tumanguṅg kam seinen Gästen oben an der Treppe entgegen, führte sie in einen englisch eingerichteten Salon und zeigte mit grosser Selbstgefälligkeit eine Sammlung kostbarer Krise, — so heissen die malaiischen Dolche. Die Klinge ist geflammt und oben sehr breit, das Heft kurz, von hartem Holze, und sitzt im stumpfen Winkel an der Klinge. Die meisten sind vergiftet, jede Wunde soll tödtlich sein. Die Dolche des Tumanguṅg hatten sehr schöne Klingen deren Stahl eine Art Damast zeigte, und waren reich mit Edelsteinen besetzt, ebenso einige kurze Lanzen die zur Tigerjagd gebraucht werden, von schöner Zeichnung und auserlesener Arbeit. — Der Tumanguṅg spricht nur malaiisch; der hanseatische Consul hatte die Güte, bei der Conversation zu dolmetschen. — Unbeirrt durch die Anwesenheit der Fremden flatterten durch die offenen Fenster viele Schwalben aus und ein und verschwanden in einen an die Wohn- räume stossenden Gang, dessen Decke ganz mit ihren Nestern bedeckt war. Wir erfuhren, dass es die Art sei, welche die essbaren Nester baut, und dass der Hausherr sie seinem Gaumen zu Liebe hierher gewöhnt habe. Ueber der Treppe hing ein Käfig mit einer unscheinbaren Taube von seltener Art, die nach malaiischem 7. August.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/243>, abgerufen am 06.05.2024.