Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Umgebungen. Das Klima. I.
sie ein kleines Capital erspart haben. Sie dienen theils in den
Häusern der Europäer, theils auf den Werften und in den Pflan-
zungen, sind tüchtige Arbeiter und von der äussersten Genügsam-
keit. Alle übrigen hier verkehrenden Nationen leben diesem oder
jenem Zweige des Handels, -- unter den Parsen und den indischen
Arabern giebt es reiche und angesehene Kaufleute.

In der nächsten Umgebung der Stadt durchkreuzen sich nach
allen Richtungen gut gehaltene Wege und bequeme Fahrstrassen.
Sie schlängeln sich zwischen den Hügeln hinan, auf denen die
Wohnhäuser der wohlhabenden Europäer im üppigsten Grün wie
begraben liegen; man geniesst dort der herrlichsten Luft und der
anmuthigsten Aussichten auf das Meer und die umliegenden Inseln.
Die eingeborenen Malaien scheinen ihren Aufenthalt vorzugsweise
in der Niederung zu wählen; dicht am Wasser, ja in Sumpf und
Morast stehen ihre dunkelen Rohr- und Palmenhütten auf hohen
Pfählen wie auf Stelzen, höchst malerisch für das Auge, aber un-
heimliche Wohnstätten. Im Ganzen macht Singapore einen freund-
lichen Eindruck; die Europäer rühmen den Aufenthalt und das
heilsame, wenn auch erschlaffende Klima. Die Luft ist immer warm,
doch selten übermässig heiss, dabei in Folge der fast täglichen
starken Regengüsse mit Feuchtigkeit geschwängert, aber Dank den
häufigen Gewittern und dem fortwährenden Luftzuge rein und ge-
sund. Fast immer lagern schwere Wolkenmassen am Horizont; die
Schiffe auf der Rhede und alle entfernten Gegenstände erscheinen
bei Sonnenschein wie verschleiert, in Nebelduft schwimmend. Den
Europäer macht die schwere nasse Luft unendlich träge; alle Poren
der Haut sind geöffnet, man befindet sich, da die atmosphärische
Feuchtigkeit keine Verdunstung zulässt, wie in einem fortwährenden
Bade und meidet gern jede körperliche Anstrengung. Der Sonne
setzen sich die ansässigen Europäer gar nicht aus; man fährt in
verschlossenen Wagen, oder mit weiss überzogenem Regenschirm
bewaffnet. Die Frauen scheinen sich gar keine Bewegung zu
machen, und haben eine auffallend weisse, durchsichtige Hautfarbe.
Kühl ist nur der Morgen, daher die Europäer meist früh vor sechs
aufstehen, um vor dem Frühstück einen Spazierritt zu machen und
ein Bad zu nehmen, -- dazu sind mehrere Zimmer im Erdgeschosse
jedes Hauses bestimmt, wo grosse Kübel mit Wasser stehen. Der
Fussboden ist von Stein und zum Ablaufen eingerichtet, man
schöpft aus den Kübeln und begiesst sich den Körper. Eine

Die Umgebungen. Das Klima. I.
sie ein kleines Capital erspart haben. Sie dienen theils in den
Häusern der Europäer, theils auf den Werften und in den Pflan-
zungen, sind tüchtige Arbeiter und von der äussersten Genügsam-
keit. Alle übrigen hier verkehrenden Nationen leben diesem oder
jenem Zweige des Handels, — unter den Parsen und den indischen
Arabern giebt es reiche und angesehene Kaufleute.

In der nächsten Umgebung der Stadt durchkreuzen sich nach
allen Richtungen gut gehaltene Wege und bequeme Fahrstrassen.
Sie schlängeln sich zwischen den Hügeln hinan, auf denen die
Wohnhäuser der wohlhabenden Europäer im üppigsten Grün wie
begraben liegen; man geniesst dort der herrlichsten Luft und der
anmuthigsten Aussichten auf das Meer und die umliegenden Inseln.
Die eingeborenen Malaien scheinen ihren Aufenthalt vorzugsweise
in der Niederung zu wählen; dicht am Wasser, ja in Sumpf und
Morast stehen ihre dunkelen Rohr- und Palmenhütten auf hohen
Pfählen wie auf Stelzen, höchst malerisch für das Auge, aber un-
heimliche Wohnstätten. Im Ganzen macht Singapore einen freund-
lichen Eindruck; die Europäer rühmen den Aufenthalt und das
heilsame, wenn auch erschlaffende Klima. Die Luft ist immer warm,
doch selten übermässig heiss, dabei in Folge der fast täglichen
starken Regengüsse mit Feuchtigkeit geschwängert, aber Dank den
häufigen Gewittern und dem fortwährenden Luftzuge rein und ge-
sund. Fast immer lagern schwere Wolkenmassen am Horizont; die
Schiffe auf der Rhede und alle entfernten Gegenstände erscheinen
bei Sonnenschein wie verschleiert, in Nebelduft schwimmend. Den
Europäer macht die schwere nasse Luft unendlich träge; alle Poren
der Haut sind geöffnet, man befindet sich, da die atmosphärische
Feuchtigkeit keine Verdunstung zulässt, wie in einem fortwährenden
Bade und meidet gern jede körperliche Anstrengung. Der Sonne
setzen sich die ansässigen Europäer gar nicht aus; man fährt in
verschlossenen Wagen, oder mit weiss überzogenem Regenschirm
bewaffnet. Die Frauen scheinen sich gar keine Bewegung zu
machen, und haben eine auffallend weisse, durchsichtige Hautfarbe.
Kühl ist nur der Morgen, daher die Europäer meist früh vor sechs
aufstehen, um vor dem Frühstück einen Spazierritt zu machen und
ein Bad zu nehmen, — dazu sind mehrere Zimmer im Erdgeschosse
jedes Hauses bestimmt, wo grosse Kübel mit Wasser stehen. Der
Fussboden ist von Stein und zum Ablaufen eingerichtet, man
schöpft aus den Kübeln und begiesst sich den Körper. Eine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0230" n="200"/><fw place="top" type="header">Die Umgebungen. Das Klima. I.</fw><lb/>
sie ein kleines Capital erspart haben. Sie dienen theils in den<lb/>
Häusern der Europäer, theils auf den Werften und in den Pflan-<lb/>
zungen, sind tüchtige Arbeiter und von der äussersten Genügsam-<lb/>
keit. Alle übrigen hier verkehrenden Nationen leben diesem oder<lb/>
jenem Zweige des Handels, &#x2014; unter den Parsen und den indischen<lb/>
Arabern giebt es reiche und angesehene Kaufleute.</p><lb/>
          <p>In der nächsten Umgebung der Stadt durchkreuzen sich nach<lb/>
allen Richtungen gut gehaltene Wege und bequeme Fahrstrassen.<lb/>
Sie schlängeln sich zwischen den Hügeln hinan, auf denen die<lb/>
Wohnhäuser der wohlhabenden Europäer im üppigsten Grün wie<lb/>
begraben liegen; man geniesst dort der herrlichsten Luft und der<lb/>
anmuthigsten Aussichten auf das Meer und die umliegenden Inseln.<lb/>
Die eingeborenen Malaien scheinen ihren Aufenthalt vorzugsweise<lb/>
in der Niederung zu wählen; dicht am Wasser, ja in Sumpf und<lb/>
Morast stehen ihre dunkelen Rohr- und Palmenhütten auf hohen<lb/>
Pfählen wie auf Stelzen, höchst malerisch für das Auge, aber un-<lb/>
heimliche Wohnstätten. Im Ganzen macht <placeName>Singapore</placeName> einen freund-<lb/>
lichen Eindruck; die Europäer rühmen den Aufenthalt und das<lb/>
heilsame, wenn auch erschlaffende Klima. Die Luft ist immer warm,<lb/>
doch selten übermässig heiss, dabei in Folge der fast täglichen<lb/>
starken Regengüsse mit Feuchtigkeit geschwängert, aber Dank den<lb/>
häufigen Gewittern und dem fortwährenden Luftzuge rein und ge-<lb/>
sund. Fast immer lagern schwere Wolkenmassen am Horizont; die<lb/>
Schiffe auf der Rhede und alle entfernten Gegenstände erscheinen<lb/>
bei Sonnenschein wie verschleiert, in Nebelduft schwimmend. Den<lb/>
Europäer macht die schwere nasse Luft unendlich träge; alle Poren<lb/>
der Haut sind geöffnet, man befindet sich, da die atmosphärische<lb/>
Feuchtigkeit keine Verdunstung zulässt, wie in einem fortwährenden<lb/>
Bade und meidet gern jede körperliche Anstrengung. Der Sonne<lb/>
setzen sich die ansässigen Europäer gar nicht aus; man fährt in<lb/>
verschlossenen Wagen, oder mit weiss überzogenem Regenschirm<lb/>
bewaffnet. Die Frauen scheinen sich gar keine Bewegung zu<lb/>
machen, und haben eine auffallend weisse, durchsichtige Hautfarbe.<lb/>
Kühl ist nur der Morgen, daher die Europäer meist früh vor sechs<lb/>
aufstehen, um vor dem Frühstück einen Spazierritt zu machen und<lb/>
ein Bad zu nehmen, &#x2014; dazu sind mehrere Zimmer im Erdgeschosse<lb/>
jedes Hauses bestimmt, wo grosse Kübel mit Wasser stehen. Der<lb/>
Fussboden ist von Stein und zum Ablaufen eingerichtet, man<lb/>
schöpft aus den Kübeln und begiesst sich den Körper. Eine<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[200/0230] Die Umgebungen. Das Klima. I. sie ein kleines Capital erspart haben. Sie dienen theils in den Häusern der Europäer, theils auf den Werften und in den Pflan- zungen, sind tüchtige Arbeiter und von der äussersten Genügsam- keit. Alle übrigen hier verkehrenden Nationen leben diesem oder jenem Zweige des Handels, — unter den Parsen und den indischen Arabern giebt es reiche und angesehene Kaufleute. In der nächsten Umgebung der Stadt durchkreuzen sich nach allen Richtungen gut gehaltene Wege und bequeme Fahrstrassen. Sie schlängeln sich zwischen den Hügeln hinan, auf denen die Wohnhäuser der wohlhabenden Europäer im üppigsten Grün wie begraben liegen; man geniesst dort der herrlichsten Luft und der anmuthigsten Aussichten auf das Meer und die umliegenden Inseln. Die eingeborenen Malaien scheinen ihren Aufenthalt vorzugsweise in der Niederung zu wählen; dicht am Wasser, ja in Sumpf und Morast stehen ihre dunkelen Rohr- und Palmenhütten auf hohen Pfählen wie auf Stelzen, höchst malerisch für das Auge, aber un- heimliche Wohnstätten. Im Ganzen macht Singapore einen freund- lichen Eindruck; die Europäer rühmen den Aufenthalt und das heilsame, wenn auch erschlaffende Klima. Die Luft ist immer warm, doch selten übermässig heiss, dabei in Folge der fast täglichen starken Regengüsse mit Feuchtigkeit geschwängert, aber Dank den häufigen Gewittern und dem fortwährenden Luftzuge rein und ge- sund. Fast immer lagern schwere Wolkenmassen am Horizont; die Schiffe auf der Rhede und alle entfernten Gegenstände erscheinen bei Sonnenschein wie verschleiert, in Nebelduft schwimmend. Den Europäer macht die schwere nasse Luft unendlich träge; alle Poren der Haut sind geöffnet, man befindet sich, da die atmosphärische Feuchtigkeit keine Verdunstung zulässt, wie in einem fortwährenden Bade und meidet gern jede körperliche Anstrengung. Der Sonne setzen sich die ansässigen Europäer gar nicht aus; man fährt in verschlossenen Wagen, oder mit weiss überzogenem Regenschirm bewaffnet. Die Frauen scheinen sich gar keine Bewegung zu machen, und haben eine auffallend weisse, durchsichtige Hautfarbe. Kühl ist nur der Morgen, daher die Europäer meist früh vor sechs aufstehen, um vor dem Frühstück einen Spazierritt zu machen und ein Bad zu nehmen, — dazu sind mehrere Zimmer im Erdgeschosse jedes Hauses bestimmt, wo grosse Kübel mit Wasser stehen. Der Fussboden ist von Stein und zum Ablaufen eingerichtet, man schöpft aus den Kübeln und begiesst sich den Körper. Eine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/230
Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/230>, abgerufen am 05.05.2024.