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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Beschaffenheit der Insel. I.
unentbehrlich geworden. Einen eigentlichen Hafen hat es nicht;
grössere Schiffe müssen in beträchtlicher Entfernung vom Ufer lie-
gen, doch ist der Ankergrund überall gut, und die Rhede durch
die vorliegenden Inseln geschützt so dass selbst bei stürmischem
Wetter der Seegang mässig bleibt. Von grosser Bedeutung für die
Colonie ist eine kleine Bucht mit felsigen Ufern geworden, die in
geringer Entfernung westlich von der Stadt liegt; von der Rhede
aus führt ein schmales Fahrwasser dahin. Diese Bucht ist von
allen Seiten umschlossen, und so tief, dass die grössten Schiffe
sich an die Bollwerke legen können; sie erscheint mit ihren grünen
hügeligen Ufern wie ein stiller Landsee, nur die mächtigen Schiffe
lassen die Nähe des Meeres ahnen. Hier hat die "Peninsular and
Oriental Steam Navigation Company" -- deren langen Namen die
Engländer "the P. and O." aussprechen -- welche die englische
Post durch ganz Ostindien, und nach Mauritius, China und Australien
besorgt, eine Niederlassung gegründet, wo Kohlendepots, Trocken-
docks, grosse Magazine für Schiffsbedarf, und alle zur Ausbesserung
von Schiffen und Maschinen erforderlichen Anstalten zu finden sind.
Die stattlichen Vorrathshäuser und Werkstätten contrastiren sonder-
bar mit den malerisch verfallenen Hütten malaiischer Fischer,
welche hier und da das Ufer säumen. -- Der Ort heisst New-
harbour
.

Die ganze Insel ist hügelig, von einigen Flüsschen durch-
schnitten und mit undurchdringlichem Walde bedeckt. Vom Fest-
lande trennt sie nur ein schmaler Meeresarm, welchen die Tiger
mit Leichtigkeit durchschwimmen; sie finden in dem Waldesdickicht
einen sicheren Zufluchtsort und sind durchaus nicht von der Insel
auszurotten. Hunderte von Menschen fallen ihnen jährlich zum
Opfer, vor Allen Chinesen, die jetzt den grössten Theil der Be-
völkerung ausmachen und sich auch auf dem Festlande -- als
Pfeffer- und Gambiapflanzer -- schon in grosser Anzahl nieder-
gelassen haben. Nach Berichten zuverlässiger Pflanzer waren in
jenen Ansiedelungen in dem kurzen Zeitraume vom Januar 1859 bis
zum April 1860 mehr als 1500 chinesische Arbeiter von ihnen ver-
zehrt worden. Auf der Insel selbst rechnet man ihre jährliche
Beute auf etwa 400, auch hier meist Chinesen, und die Unsicherheit
soll in der letzten Zeit, obgleich die Regierung 100 Dollar für
jedes Tigerfell zahlt, eher zu- als abgenommen haben. Die Land-
leute sind bei ihren Feldarbeiten, wo sie oft Stunden lang nah

Beschaffenheit der Insel. I.
unentbehrlich geworden. Einen eigentlichen Hafen hat es nicht;
grössere Schiffe müssen in beträchtlicher Entfernung vom Ufer lie-
gen, doch ist der Ankergrund überall gut, und die Rhede durch
die vorliegenden Inseln geschützt so dass selbst bei stürmischem
Wetter der Seegang mässig bleibt. Von grosser Bedeutung für die
Colonie ist eine kleine Bucht mit felsigen Ufern geworden, die in
geringer Entfernung westlich von der Stadt liegt; von der Rhede
aus führt ein schmales Fahrwasser dahin. Diese Bucht ist von
allen Seiten umschlossen, und so tief, dass die grössten Schiffe
sich an die Bollwerke legen können; sie erscheint mit ihren grünen
hügeligen Ufern wie ein stiller Landsee, nur die mächtigen Schiffe
lassen die Nähe des Meeres ahnen. Hier hat die »Peninsular and
Oriental Steam Navigation Company« — deren langen Namen die
Engländer »the P. and O.« aussprechen — welche die englische
Post durch ganz Ostindien, und nach Mauritius, China und Australien
besorgt, eine Niederlassung gegründet, wo Kohlendepots, Trocken-
docks, grosse Magazine für Schiffsbedarf, und alle zur Ausbesserung
von Schiffen und Maschinen erforderlichen Anstalten zu finden sind.
Die stattlichen Vorrathshäuser und Werkstätten contrastiren sonder-
bar mit den malerisch verfallenen Hütten malaiischer Fischer,
welche hier und da das Ufer säumen. — Der Ort heisst New-
harbour
.

Die ganze Insel ist hügelig, von einigen Flüsschen durch-
schnitten und mit undurchdringlichem Walde bedeckt. Vom Fest-
lande trennt sie nur ein schmaler Meeresarm, welchen die Tiger
mit Leichtigkeit durchschwimmen; sie finden in dem Waldesdickicht
einen sicheren Zufluchtsort und sind durchaus nicht von der Insel
auszurotten. Hunderte von Menschen fallen ihnen jährlich zum
Opfer, vor Allen Chinesen, die jetzt den grössten Theil der Be-
völkerung ausmachen und sich auch auf dem Festlande — als
Pfeffer- und Gambiapflanzer — schon in grosser Anzahl nieder-
gelassen haben. Nach Berichten zuverlässiger Pflanzer waren in
jenen Ansiedelungen in dem kurzen Zeitraume vom Januar 1859 bis
zum April 1860 mehr als 1500 chinesische Arbeiter von ihnen ver-
zehrt worden. Auf der Insel selbst rechnet man ihre jährliche
Beute auf etwa 400, auch hier meist Chinesen, und die Unsicherheit
soll in der letzten Zeit, obgleich die Regierung 100 Dollar für
jedes Tigerfell zahlt, eher zu- als abgenommen haben. Die Land-
leute sind bei ihren Feldarbeiten, wo sie oft Stunden lang nah

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[194/0224] Beschaffenheit der Insel. I. unentbehrlich geworden. Einen eigentlichen Hafen hat es nicht; grössere Schiffe müssen in beträchtlicher Entfernung vom Ufer lie- gen, doch ist der Ankergrund überall gut, und die Rhede durch die vorliegenden Inseln geschützt so dass selbst bei stürmischem Wetter der Seegang mässig bleibt. Von grosser Bedeutung für die Colonie ist eine kleine Bucht mit felsigen Ufern geworden, die in geringer Entfernung westlich von der Stadt liegt; von der Rhede aus führt ein schmales Fahrwasser dahin. Diese Bucht ist von allen Seiten umschlossen, und so tief, dass die grössten Schiffe sich an die Bollwerke legen können; sie erscheint mit ihren grünen hügeligen Ufern wie ein stiller Landsee, nur die mächtigen Schiffe lassen die Nähe des Meeres ahnen. Hier hat die »Peninsular and Oriental Steam Navigation Company« — deren langen Namen die Engländer »the P. and O.« aussprechen — welche die englische Post durch ganz Ostindien, und nach Mauritius, China und Australien besorgt, eine Niederlassung gegründet, wo Kohlendepots, Trocken- docks, grosse Magazine für Schiffsbedarf, und alle zur Ausbesserung von Schiffen und Maschinen erforderlichen Anstalten zu finden sind. Die stattlichen Vorrathshäuser und Werkstätten contrastiren sonder- bar mit den malerisch verfallenen Hütten malaiischer Fischer, welche hier und da das Ufer säumen. — Der Ort heisst New- harbour. Die ganze Insel ist hügelig, von einigen Flüsschen durch- schnitten und mit undurchdringlichem Walde bedeckt. Vom Fest- lande trennt sie nur ein schmaler Meeresarm, welchen die Tiger mit Leichtigkeit durchschwimmen; sie finden in dem Waldesdickicht einen sicheren Zufluchtsort und sind durchaus nicht von der Insel auszurotten. Hunderte von Menschen fallen ihnen jährlich zum Opfer, vor Allen Chinesen, die jetzt den grössten Theil der Be- völkerung ausmachen und sich auch auf dem Festlande — als Pfeffer- und Gambiapflanzer — schon in grosser Anzahl nieder- gelassen haben. Nach Berichten zuverlässiger Pflanzer waren in jenen Ansiedelungen in dem kurzen Zeitraume vom Januar 1859 bis zum April 1860 mehr als 1500 chinesische Arbeiter von ihnen ver- zehrt worden. Auf der Insel selbst rechnet man ihre jährliche Beute auf etwa 400, auch hier meist Chinesen, und die Unsicherheit soll in der letzten Zeit, obgleich die Regierung 100 Dollar für jedes Tigerfell zahlt, eher zu- als abgenommen haben. Die Land- leute sind bei ihren Feldarbeiten, wo sie oft Stunden lang nah

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/224>, abgerufen am 06.05.2024.