[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.Golownin und Rikord. Das Auftreten der Engländer. dennoch weiss er ihre liebevolle Sorgfalt, ihre Grossmuth und Ge-duld, ihr sich immer gleich bleibendes Benehmen nicht genug zu preisen; er bricht in seiner kunstvollen Schilderung ein über das andere Mal in Ausrufe der Verwunderung aus, welche die fast aus- nahmslose Humanität des Charakters durch alle Stände, die auf- opfernde Freundschaft des Statthalters von Matsmai und einiger anderen Beamten in vollem Maasse verdienen. Er lässt den japa- nischen Institutionen und ihrer Handhabung alle Gerechtigkeit wider- fahren und giebt im Ganzen ein so treues Bild der dortigen Zustände mit allen ihren Sonderbarkeiten und Widersprüchen, wie kaum ein anderer Schriftsteller. Rikord's Bericht ist besonders anziehend durch die Schilderung seines Umganges mit dem ehrlichen Takatai- Kafi, der ihn bereitwillig nach Kamtschatka begleitet und sich ihm auf das innigste anschliesst. Da Rikord bei der Rückkehr nach Yeso 1813 Miene macht, seinen japanischen Freund mit Gewalt an Bord zurückzuhalten, fasst dieser den Entschluss ihn und sich selbst um- zubringen -- denn das japanische Ehrgefühl duldet keinen Zwang162); er gesteht aber sofort sein Vorhaben aus freien Stücken, als Rikord zu seinem freundschaftlichen Benehmen zurückkehrt und ihm die Freiheit giebt zu landen, -- und bietet nun Alles auf, um einen glücklichen Ausgang herbeizuführen. -- Die Russen und die Japaner schieden damals mit den wohlwollendsten Gesinnungen von einander. Gegen den englischen Namen herrschte um diese Zeit in Im October 1808 war ein Schiff unter niederländischer Flagge 162) Takatai war bei seiner Gefangennehmung von Rikord sehr höflich behandelt worden, und hatte sich sogleich bereit erklärt, ihn nach Kamtschatka zu begleiten, so dass hier wenigstens anscheinend kein Zwang geübt wurde. I. 11
Golownin und Rikord. Das Auftreten der Engländer. dennoch weiss er ihre liebevolle Sorgfalt, ihre Grossmuth und Ge-duld, ihr sich immer gleich bleibendes Benehmen nicht genug zu preisen; er bricht in seiner kunstvollen Schilderung ein über das andere Mal in Ausrufe der Verwunderung aus, welche die fast aus- nahmslose Humanität des Charakters durch alle Stände, die auf- opfernde Freundschaft des Statthalters von Matsmaï und einiger anderen Beamten in vollem Maasse verdienen. Er lässt den japa- nischen Institutionen und ihrer Handhabung alle Gerechtigkeit wider- fahren und giebt im Ganzen ein so treues Bild der dortigen Zustände mit allen ihren Sonderbarkeiten und Widersprüchen, wie kaum ein anderer Schriftsteller. Rikord’s Bericht ist besonders anziehend durch die Schilderung seines Umganges mit dem ehrlichen Takataï- Kafi, der ihn bereitwillig nach Kamtschatka begleitet und sich ihm auf das innigste anschliesst. Da Rikord bei der Rückkehr nach Yeso 1813 Miene macht, seinen japanischen Freund mit Gewalt an Bord zurückzuhalten, fasst dieser den Entschluss ihn und sich selbst um- zubringen — denn das japanische Ehrgefühl duldet keinen Zwang162); er gesteht aber sofort sein Vorhaben aus freien Stücken, als Rikord zu seinem freundschaftlichen Benehmen zurückkehrt und ihm die Freiheit giebt zu landen, — und bietet nun Alles auf, um einen glücklichen Ausgang herbeizuführen. — Die Russen und die Japaner schieden damals mit den wohlwollendsten Gesinnungen von einander. Gegen den englischen Namen herrschte um diese Zeit in Im October 1808 war ein Schiff unter niederländischer Flagge 162) Takataï war bei seiner Gefangennehmung von Rikord sehr höflich behandelt worden, und hatte sich sogleich bereit erklärt, ihn nach Kamtschatka zu begleiten, so dass hier wenigstens anscheinend kein Zwang geübt wurde. I. 11
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Golownin und Rikord. Das Auftreten der Engländer.
dennoch weiss er ihre liebevolle Sorgfalt, ihre Grossmuth und Ge-
duld, ihr sich immer gleich bleibendes Benehmen nicht genug zu
preisen; er bricht in seiner kunstvollen Schilderung ein über das
andere Mal in Ausrufe der Verwunderung aus, welche die fast aus-
nahmslose Humanität des Charakters durch alle Stände, die auf-
opfernde Freundschaft des Statthalters von Matsmaï und einiger
anderen Beamten in vollem Maasse verdienen. Er lässt den japa-
nischen Institutionen und ihrer Handhabung alle Gerechtigkeit wider-
fahren und giebt im Ganzen ein so treues Bild der dortigen Zustände
mit allen ihren Sonderbarkeiten und Widersprüchen, wie kaum ein
anderer Schriftsteller. Rikord’s Bericht ist besonders anziehend
durch die Schilderung seines Umganges mit dem ehrlichen Takataï-
Kafi, der ihn bereitwillig nach Kamtschatka begleitet und sich ihm
auf das innigste anschliesst. Da Rikord bei der Rückkehr nach Yeso
1813 Miene macht, seinen japanischen Freund mit Gewalt an Bord
zurückzuhalten, fasst dieser den Entschluss ihn und sich selbst um-
zubringen — denn das japanische Ehrgefühl duldet keinen Zwang 162);
er gesteht aber sofort sein Vorhaben aus freien Stücken, als Rikord
zu seinem freundschaftlichen Benehmen zurückkehrt und ihm die
Freiheit giebt zu landen, — und bietet nun Alles auf, um einen
glücklichen Ausgang herbeizuführen. — Die Russen und die Japaner
schieden damals mit den wohlwollendsten Gesinnungen von einander.
Gegen den englischen Namen herrschte um diese Zeit in
Japan die grösste Erbitterung.
Im October 1808 war ein Schiff unter niederländischer Flagge
in die Bucht von Naṅgasaki eingelaufen. Da es die gewöhnliche
Jahreszeit der Ankunft der holländischen Schiffe war, so sandte der
Statthalter nach gewohnter Weise seine Beamten in Begleitung zweier
Holländer von der Factorei zur Empfangnahme der Papiere hinaus.
Als sie sich dem einlaufenden Schiffe näherten, kam ihnen ein Boot
desselben entgegen, aus welchem sie holländisch angeredet wurden:
gleich darauf aber sprangen dessen Matrosen in ihr Fahrzeug, packten
die beiden Holländer und schleppten sie an Bord; die erschrockenen
Japaner gewahrten nun, dass sie es mit einem fremden Kriegsschiff
zu thun hatten, und kehrten eilig nach Naṅgasaki zurück. Der
Statthalter war sehr aufgebracht, und forderte von seinen Beamten,
162) Takataï war bei seiner Gefangennehmung von Rikord sehr höflich behandelt
worden, und hatte sich sogleich bereit erklärt, ihn nach Kamtschatka zu begleiten,
so dass hier wenigstens anscheinend kein Zwang geübt wurde.
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