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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Das Auftreten der fremden Kaufleute.
den Vorschriften der Geistlichen im schärfsten Widerspruch stehende
Zügellosigkeit trug viel dazu bei, die Religion der Fremden bei den
Besseren der Nation in Missachtung zu bringen. Dann die Ueber-
hebung der Europäer, die, je geringeren Standes und Bildungs-
grades, desto erhabener über jeden nicht ganz Weisshäutigen sich
dünken. Das hoffährtige Auftreten der portugiesischen und spa-
nischen Kaufleute machte den allerschlimmsten Eindruck; ihre
Gespreiztheit, ihre Waffen und prächtige Kleidung waren den Edelen
verhasst und gaben in deren Augen dem Volke ein schlechtes Bei-
spiel. Der Handelstand gilt einmal in Japan für einen der niedrigsten;
Kaufleute dürfen keine Waffen tragen, müssen sich einfach und
nach vorgeschriebenem Schnitt kleiden, und bescheiden, ja demüthig
gegen den Geringsten aus der Adelsclasse betragen. Die Etiquette
ist für alle Stände streng geregelt. Die Formen der Ehrerbietung
gegen Höherstehende, wie sie sich von uralter Zeit her in Japan
eingelebt haben, sind nach europäischen Begriffen erniedrigend,
wegwerfend, aber dort entzieht sich ihnen Niemand; die vornehmsten
Lehnsfürsten erweisen sie ohne Bedenken dem Mikado, dem Siogun,
es sind eben alte Formen, die in der That die Bedeutung nicht
haben, welche wir ihnen beilegen. Die gänzliche Missachtung dieser
Gebräuche von Seiten der Europäer und vorzüglich der Kaufleute
hat die Japaner zu allen Zeiten gereizt und erbittert. Dass sie
selbst Fremden von Rang und Stellung gern die gebührenden Ehren
erweisen, dass sie sich sogar, wenn auch nach einigem Kampfe,
meistens bequemen, von den landesüblichen Formen abzuweichen
und Manches nach ihren Begriffen Unanständige dulden, um den
Gewohnheiten der Fremden Rechnung zu tragen und sie zufrieden zu
stellen, hat sich bei vielen Gelegenheiten gezeigt. Ein Brüsquiren
ihrer eigenen Sitten kann die stolze Nation aber auch heute noch
nicht ertragen.

Die gänzliche Ausrottung des Christenthumes und die gänz-
liche
Ausschliessung der Fremden wurden theils durch die Er-
fahrung veranlasst, dass man sich ihres Einflusses nur durch
dieses Mittel ganz erwehren konnte, theils durch die japanische
Anschauung überhaupt, die keine Ausnahme duldet und jedes
einmal anerkannte Princip mit der grössten Strenge bis zum Extrem
durchführt. Dass trotzdem eine Ausnahme zu Gunsten der Hol-
länder gemacht wurde, hatte seinen Grund lediglich darin, dass
diese sich fast unbedingt in Alles fügten und die gewissermaassen

Das Auftreten der fremden Kaufleute.
den Vorschriften der Geistlichen im schärfsten Widerspruch stehende
Zügellosigkeit trug viel dazu bei, die Religion der Fremden bei den
Besseren der Nation in Missachtung zu bringen. Dann die Ueber-
hebung der Europäer, die, je geringeren Standes und Bildungs-
grades, desto erhabener über jeden nicht ganz Weisshäutigen sich
dünken. Das hoffährtige Auftreten der portugiesischen und spa-
nischen Kaufleute machte den allerschlimmsten Eindruck; ihre
Gespreiztheit, ihre Waffen und prächtige Kleidung waren den Edelen
verhasst und gaben in deren Augen dem Volke ein schlechtes Bei-
spiel. Der Handelstand gilt einmal in Japan für einen der niedrigsten;
Kaufleute dürfen keine Waffen tragen, müssen sich einfach und
nach vorgeschriebenem Schnitt kleiden, und bescheiden, ja demüthig
gegen den Geringsten aus der Adelsclasse betragen. Die Etiquette
ist für alle Stände streng geregelt. Die Formen der Ehrerbietung
gegen Höherstehende, wie sie sich von uralter Zeit her in Japan
eingelebt haben, sind nach europäischen Begriffen erniedrigend,
wegwerfend, aber dort entzieht sich ihnen Niemand; die vornehmsten
Lehnsfürsten erweisen sie ohne Bedenken dem Mikado, dem Siogun,
es sind eben alte Formen, die in der That die Bedeutung nicht
haben, welche wir ihnen beilegen. Die gänzliche Missachtung dieser
Gebräuche von Seiten der Europäer und vorzüglich der Kaufleute
hat die Japaner zu allen Zeiten gereizt und erbittert. Dass sie
selbst Fremden von Rang und Stellung gern die gebührenden Ehren
erweisen, dass sie sich sogar, wenn auch nach einigem Kampfe,
meistens bequemen, von den landesüblichen Formen abzuweichen
und Manches nach ihren Begriffen Unanständige dulden, um den
Gewohnheiten der Fremden Rechnung zu tragen und sie zufrieden zu
stellen, hat sich bei vielen Gelegenheiten gezeigt. Ein Brüsquiren
ihrer eigenen Sitten kann die stolze Nation aber auch heute noch
nicht ertragen.

Die gänzliche Ausrottung des Christenthumes und die gänz-
liche
Ausschliessung der Fremden wurden theils durch die Er-
fahrung veranlasst, dass man sich ihres Einflusses nur durch
dieses Mittel ganz erwehren konnte, theils durch die japanische
Anschauung überhaupt, die keine Ausnahme duldet und jedes
einmal anerkannte Princip mit der grössten Strenge bis zum Extrem
durchführt. Dass trotzdem eine Ausnahme zu Gunsten der Hol-
länder gemacht wurde, hatte seinen Grund lediglich darin, dass
diese sich fast unbedingt in Alles fügten und die gewissermaassen

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[100/0130] Das Auftreten der fremden Kaufleute. den Vorschriften der Geistlichen im schärfsten Widerspruch stehende Zügellosigkeit trug viel dazu bei, die Religion der Fremden bei den Besseren der Nation in Missachtung zu bringen. Dann die Ueber- hebung der Europäer, die, je geringeren Standes und Bildungs- grades, desto erhabener über jeden nicht ganz Weisshäutigen sich dünken. Das hoffährtige Auftreten der portugiesischen und spa- nischen Kaufleute machte den allerschlimmsten Eindruck; ihre Gespreiztheit, ihre Waffen und prächtige Kleidung waren den Edelen verhasst und gaben in deren Augen dem Volke ein schlechtes Bei- spiel. Der Handelstand gilt einmal in Japan für einen der niedrigsten; Kaufleute dürfen keine Waffen tragen, müssen sich einfach und nach vorgeschriebenem Schnitt kleiden, und bescheiden, ja demüthig gegen den Geringsten aus der Adelsclasse betragen. Die Etiquette ist für alle Stände streng geregelt. Die Formen der Ehrerbietung gegen Höherstehende, wie sie sich von uralter Zeit her in Japan eingelebt haben, sind nach europäischen Begriffen erniedrigend, wegwerfend, aber dort entzieht sich ihnen Niemand; die vornehmsten Lehnsfürsten erweisen sie ohne Bedenken dem Mikado, dem Siogun, es sind eben alte Formen, die in der That die Bedeutung nicht haben, welche wir ihnen beilegen. Die gänzliche Missachtung dieser Gebräuche von Seiten der Europäer und vorzüglich der Kaufleute hat die Japaner zu allen Zeiten gereizt und erbittert. Dass sie selbst Fremden von Rang und Stellung gern die gebührenden Ehren erweisen, dass sie sich sogar, wenn auch nach einigem Kampfe, meistens bequemen, von den landesüblichen Formen abzuweichen und Manches nach ihren Begriffen Unanständige dulden, um den Gewohnheiten der Fremden Rechnung zu tragen und sie zufrieden zu stellen, hat sich bei vielen Gelegenheiten gezeigt. Ein Brüsquiren ihrer eigenen Sitten kann die stolze Nation aber auch heute noch nicht ertragen. Die gänzliche Ausrottung des Christenthumes und die gänz- liche Ausschliessung der Fremden wurden theils durch die Er- fahrung veranlasst, dass man sich ihres Einflusses nur durch dieses Mittel ganz erwehren konnte, theils durch die japanische Anschauung überhaupt, die keine Ausnahme duldet und jedes einmal anerkannte Princip mit der grössten Strenge bis zum Extrem durchführt. Dass trotzdem eine Ausnahme zu Gunsten der Hol- länder gemacht wurde, hatte seinen Grund lediglich darin, dass diese sich fast unbedingt in Alles fügten und die gewissermaassen

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/130>, abgerufen am 24.11.2024.