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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Stellung des Jyeyas. -- Die Lage der Christen.
Jyeyas Jenen nicht zugleich mit den besiegten Regenten beseitigte.
Der gehässige Meineid musste wo möglich vermieden werden; aber
der hohe Sinn des Fide-yori und seiner Mutter liess ihm keine
Wahl, er musste sie vernichten oder selbst das Feld räumen. Dass
im letzten Falle Japan wieder eine Beute blutiger Fehden geworden
wäre, ist wahrscheinlich, denn Fide-yori war zu jung und uner-
fahren, um die Fürsten unter so schwierigen Verhältnissen in Zaum
zu halten. Er wurde von seinem Vormunde in dem Augenblick
überfallen, da ihn dieser seinem Eide gemäss in die Herrschaft
hätte einsetzen sollen.

Fide-tada und seine nächsten Nachfolger waren bedeutende
Regenten; sie wussten das politische System, durch welches Taiko-
sama
und Jyeyas dem Lande Einheit und Frieden gaben, weiter
auszubilden, ihre Macht zu consolidiren und die Dynastie fest zu
begründen. Jyeyas steht den Japanern noch heute als ein mit
tiefster Weisheit begabter Heros da. Er heisst der Friedensfürst,
und in der That haben seine Einrichtungen dem Lande nun über
zwei Jahrhunderte den Frieden bewahrt. Seine Gesetze galten bis
in die neueste Zeit als unverletzlich und unwiderruflich.



Die Aussichten der Christen schienen sich nach Taiko-sama's
Tode Anfangs günstig gestalten zu wollen. Ihr Einfluss war bei der
Unsicherheit der Verhältnisse nicht zu verachten: die kampfgeübten
Truppen des Fürsten von Fiugo und ein grosser Theil der Bewohner
von Kiusiu waren Christen, einzelne Gemeinden gab es in allen
Theilen des Reiches und die Bekehrung hatte noch immer glänzenden
Fortgang. Jyeyas gab weitreichende Versprechungen und erklärte,
die Religionsedicte des Taiko-sama nur deshalb jetzt noch nicht
widerrufen zu können, weil es sonst scheinen möchte, als verachte
er dessen Ansehn. Die Geistlichen legten ihre Amtstracht wieder
an, öffneten die Kirchen und tauften und predigten ohne belästigt
zu werden. Der in den politischen Angelegenheiten des Landes
gewiegte Ordens-Visitator Valignan hielt sich damals viel in der
Nähe des Hofes auf, um die Conjuncturen zu erspähen und die
Christen ihrem Interesse gemäss zu leiten. Recht entschieden nahmen
sie niemals Parthei: im Regentenkriege schlugen sich die christlichen
Fürsten von Kiusiu nach langem Schwanken auf die Seite des
Jyeyas, während der Fürst von Fiugo mit seinen Truppen gegen

Stellung des Jyeyas. — Die Lage der Christen.
Jyeyas Jenen nicht zugleich mit den besiegten Regenten beseitigte.
Der gehässige Meineid musste wo möglich vermieden werden; aber
der hohe Sinn des Fide-yori und seiner Mutter liess ihm keine
Wahl, er musste sie vernichten oder selbst das Feld räumen. Dass
im letzten Falle Japan wieder eine Beute blutiger Fehden geworden
wäre, ist wahrscheinlich, denn Fide-yori war zu jung und uner-
fahren, um die Fürsten unter so schwierigen Verhältnissen in Zaum
zu halten. Er wurde von seinem Vormunde in dem Augenblick
überfallen, da ihn dieser seinem Eide gemäss in die Herrschaft
hätte einsetzen sollen.

Fide-tada und seine nächsten Nachfolger waren bedeutende
Regenten; sie wussten das politische System, durch welches Taïko-
sama
und Jyeyas dem Lande Einheit und Frieden gaben, weiter
auszubilden, ihre Macht zu consolidiren und die Dynastie fest zu
begründen. Jyeyas steht den Japanern noch heute als ein mit
tiefster Weisheit begabter Heros da. Er heisst der Friedensfürst,
und in der That haben seine Einrichtungen dem Lande nun über
zwei Jahrhunderte den Frieden bewahrt. Seine Gesetze galten bis
in die neueste Zeit als unverletzlich und unwiderruflich.



Die Aussichten der Christen schienen sich nach Taïko-sama’s
Tode Anfangs günstig gestalten zu wollen. Ihr Einfluss war bei der
Unsicherheit der Verhältnisse nicht zu verachten: die kampfgeübten
Truppen des Fürsten von Fiugo und ein grosser Theil der Bewohner
von Kiusiu waren Christen, einzelne Gemeinden gab es in allen
Theilen des Reiches und die Bekehrung hatte noch immer glänzenden
Fortgang. Jyeyas gab weitreichende Versprechungen und erklärte,
die Religionsedicte des Taïko-sama nur deshalb jetzt noch nicht
widerrufen zu können, weil es sonst scheinen möchte, als verachte
er dessen Ansehn. Die Geistlichen legten ihre Amtstracht wieder
an, öffneten die Kirchen und tauften und predigten ohne belästigt
zu werden. Der in den politischen Angelegenheiten des Landes
gewiegte Ordens-Visitator Valignan hielt sich damals viel in der
Nähe des Hofes auf, um die Conjuncturen zu erspähen und die
Christen ihrem Interesse gemäss zu leiten. Recht entschieden nahmen
sie niemals Parthei: im Regentenkriege schlugen sich die christlichen
Fürsten von Kiusiu nach langem Schwanken auf die Seite des
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[76/0106] Stellung des Jyeyas. — Die Lage der Christen. Jyeyas Jenen nicht zugleich mit den besiegten Regenten beseitigte. Der gehässige Meineid musste wo möglich vermieden werden; aber der hohe Sinn des Fide-yori und seiner Mutter liess ihm keine Wahl, er musste sie vernichten oder selbst das Feld räumen. Dass im letzten Falle Japan wieder eine Beute blutiger Fehden geworden wäre, ist wahrscheinlich, denn Fide-yori war zu jung und uner- fahren, um die Fürsten unter so schwierigen Verhältnissen in Zaum zu halten. Er wurde von seinem Vormunde in dem Augenblick überfallen, da ihn dieser seinem Eide gemäss in die Herrschaft hätte einsetzen sollen. Fide-tada und seine nächsten Nachfolger waren bedeutende Regenten; sie wussten das politische System, durch welches Taïko- sama und Jyeyas dem Lande Einheit und Frieden gaben, weiter auszubilden, ihre Macht zu consolidiren und die Dynastie fest zu begründen. Jyeyas steht den Japanern noch heute als ein mit tiefster Weisheit begabter Heros da. Er heisst der Friedensfürst, und in der That haben seine Einrichtungen dem Lande nun über zwei Jahrhunderte den Frieden bewahrt. Seine Gesetze galten bis in die neueste Zeit als unverletzlich und unwiderruflich. Die Aussichten der Christen schienen sich nach Taïko-sama’s Tode Anfangs günstig gestalten zu wollen. Ihr Einfluss war bei der Unsicherheit der Verhältnisse nicht zu verachten: die kampfgeübten Truppen des Fürsten von Fiugo und ein grosser Theil der Bewohner von Kiusiu waren Christen, einzelne Gemeinden gab es in allen Theilen des Reiches und die Bekehrung hatte noch immer glänzenden Fortgang. Jyeyas gab weitreichende Versprechungen und erklärte, die Religionsedicte des Taïko-sama nur deshalb jetzt noch nicht widerrufen zu können, weil es sonst scheinen möchte, als verachte er dessen Ansehn. Die Geistlichen legten ihre Amtstracht wieder an, öffneten die Kirchen und tauften und predigten ohne belästigt zu werden. Der in den politischen Angelegenheiten des Landes gewiegte Ordens-Visitator Valignan hielt sich damals viel in der Nähe des Hofes auf, um die Conjuncturen zu erspähen und die Christen ihrem Interesse gemäss zu leiten. Recht entschieden nahmen sie niemals Parthei: im Regentenkriege schlugen sich die christlichen Fürsten von Kiusiu nach langem Schwanken auf die Seite des Jyeyas, während der Fürst von Fiugo mit seinen Truppen gegen

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/106>, abgerufen am 23.11.2024.