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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Die Stellung des Jyeyas.
die sich ursprünglich aus dem Mikado-Geschlecht herleitet und dem
Reiche schon zwei Herrscherdynastieen gegeben hatte, steht er
mit seiner Jugend77) in der Zeit der blutigsten Fehden und sieht
alle Phasen und Uebergänge der politischen Entwickelung von der
tiefsten Zerrüttung und Anarchie bis zum wohlgeordneten Staate
an sich vorübergehen. Er verbündet sich dem Nobu-nanga, der
für den Siogun Yosi-aki eintritt, unterwirft sich ihm, da er die
Herrschaft an sich reisst, und benutzt dessen Gunst, um seine
eigene Macht, die sich ursprünglich nur auf das kleine Fürstenthum
Mikawa erstreckte, über einen grossen Theil des Kuanto auszu-
dehnen. Ohne sich durch hervorragende Thaten ausgezeichnet zu
haben, steht er unter Taiko-sama als der bedeutendste und ein-
flussreichste Mann des Reiches da. Beim Tode des Letzteren fällt
ihm in seinem sechsundfunfzigsten Jahre die oberste Gewalt zu,
nach der er früher nicht gestrebt zn haben scheint. Taiko-Sama
wusste, dass er allein fähig war, das Reich zusammen zu halten;
wich aber Jyeyas seinen Mitregenten, so verfiel das Land wieder
der tiefsten Zerrüttung.

Die dynastischen Verhältnisse dieser Periode sind wieder
sehr merkwürdig. In Miako hält ein machtloser Erbkaiser Hof, in
Osaka der als rechtmässiger Erbe der Herrschaft anerkannte Sohn
des Taiko-sama, in Surunga der wirkliche Machthaber Minamoto-
no-Jyeyas
, in Yeddo dessen Sohn und erklärter Erbe, der Siogun
Fide-tada
. Um ihn sammelte sein Vater alle Stützen und Boll-
werke der Herrschermacht: sein Hof wird von den Europäern, die
ihn besuchten, als überaus glänzend und viel prächtiger als der
des Jyeyas geschildert. -- So allgemein die auf seiner göttlichen
Abstammung beruhende Würde des Mikado, eben so allgemein war
das Erbrecht des Fide-yori auf den Herrschertitel, aber auch die
thatsächliche Macht des Jyeyas als legal anerkannt. Er regierte
das Land als Minister des Fide-yori, wie die Fosio über ein Jahr-
hundert lang Japan als Minister der Nachkommen des Yori-tomo
unumschränkt beherrschten. Eine ähnliche Stellung hätten vielleicht
Jyeyas und sein Geschlecht den Nachkommen des Taiko-sama
gegenüber eingenommen, wenn sich Fide-yori mit dem Herrscher-
titel und dem Glanze des Hofes begnügt hätte. Dahin deuten alle
Anzeichen. Man begreift sonst nicht, warum der tief blickende

77) Sein Geburtsjahr 1542 fällt ungefähr mit der ersten Ankunft der Portugiesen
zusammen.

Die Stellung des Jyeyas.
die sich ursprünglich aus dem Mikado-Geschlecht herleitet und dem
Reiche schon zwei Herrscherdynastieen gegeben hatte, steht er
mit seiner Jugend77) in der Zeit der blutigsten Fehden und sieht
alle Phasen und Uebergänge der politischen Entwickelung von der
tiefsten Zerrüttung und Anarchie bis zum wohlgeordneten Staate
an sich vorübergehen. Er verbündet sich dem Nobu-naṅga, der
für den Siogun Yosi-aki eintritt, unterwirft sich ihm, da er die
Herrschaft an sich reisst, und benutzt dessen Gunst, um seine
eigene Macht, die sich ursprünglich nur auf das kleine Fürstenthum
Mikawa erstreckte, über einen grossen Theil des Kuanto auszu-
dehnen. Ohne sich durch hervorragende Thaten ausgezeichnet zu
haben, steht er unter Taïko-sama als der bedeutendste und ein-
flussreichste Mann des Reiches da. Beim Tode des Letzteren fällt
ihm in seinem sechsundfunfzigsten Jahre die oberste Gewalt zu,
nach der er früher nicht gestrebt zn haben scheint. Taïko-Sama
wusste, dass er allein fähig war, das Reich zusammen zu halten;
wich aber Jyeyas seinen Mitregenten, so verfiel das Land wieder
der tiefsten Zerrüttung.

Die dynastischen Verhältnisse dieser Periode sind wieder
sehr merkwürdig. In Miako hält ein machtloser Erbkaiser Hof, in
Osaka der als rechtmässiger Erbe der Herrschaft anerkannte Sohn
des Taïko-sama, in Suruṅga der wirkliche Machthaber Minamoto-
no-Jyeyas
, in Yeddo dessen Sohn und erklärter Erbe, der Siogun
Fide-tada
. Um ihn sammelte sein Vater alle Stützen und Boll-
werke der Herrschermacht: sein Hof wird von den Europäern, die
ihn besuchten, als überaus glänzend und viel prächtiger als der
des Jyeyas geschildert. — So allgemein die auf seiner göttlichen
Abstammung beruhende Würde des Mikado, eben so allgemein war
das Erbrecht des Fide-yori auf den Herrschertitel, aber auch die
thatsächliche Macht des Jyeyas als legal anerkannt. Er regierte
das Land als Minister des Fide-yori, wie die Fosio über ein Jahr-
hundert lang Japan als Minister der Nachkommen des Yori-tomo
unumschränkt beherrschten. Eine ähnliche Stellung hätten vielleicht
Jyeyas und sein Geschlecht den Nachkommen des Taïko-sama
gegenüber eingenommen, wenn sich Fide-yori mit dem Herrscher-
titel und dem Glanze des Hofes begnügt hätte. Dahin deuten alle
Anzeichen. Man begreift sonst nicht, warum der tief blickende

77) Sein Geburtsjahr 1542 fällt ungefähr mit der ersten Ankunft der Portugiesen
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[75/0105] Die Stellung des Jyeyas. die sich ursprünglich aus dem Mikado-Geschlecht herleitet und dem Reiche schon zwei Herrscherdynastieen gegeben hatte, steht er mit seiner Jugend 77) in der Zeit der blutigsten Fehden und sieht alle Phasen und Uebergänge der politischen Entwickelung von der tiefsten Zerrüttung und Anarchie bis zum wohlgeordneten Staate an sich vorübergehen. Er verbündet sich dem Nobu-naṅga, der für den Siogun Yosi-aki eintritt, unterwirft sich ihm, da er die Herrschaft an sich reisst, und benutzt dessen Gunst, um seine eigene Macht, die sich ursprünglich nur auf das kleine Fürstenthum Mikawa erstreckte, über einen grossen Theil des Kuanto auszu- dehnen. Ohne sich durch hervorragende Thaten ausgezeichnet zu haben, steht er unter Taïko-sama als der bedeutendste und ein- flussreichste Mann des Reiches da. Beim Tode des Letzteren fällt ihm in seinem sechsundfunfzigsten Jahre die oberste Gewalt zu, nach der er früher nicht gestrebt zn haben scheint. Taïko-Sama wusste, dass er allein fähig war, das Reich zusammen zu halten; wich aber Jyeyas seinen Mitregenten, so verfiel das Land wieder der tiefsten Zerrüttung. Die dynastischen Verhältnisse dieser Periode sind wieder sehr merkwürdig. In Miako hält ein machtloser Erbkaiser Hof, in Osaka der als rechtmässiger Erbe der Herrschaft anerkannte Sohn des Taïko-sama, in Suruṅga der wirkliche Machthaber Minamoto- no-Jyeyas, in Yeddo dessen Sohn und erklärter Erbe, der Siogun Fide-tada. Um ihn sammelte sein Vater alle Stützen und Boll- werke der Herrschermacht: sein Hof wird von den Europäern, die ihn besuchten, als überaus glänzend und viel prächtiger als der des Jyeyas geschildert. — So allgemein die auf seiner göttlichen Abstammung beruhende Würde des Mikado, eben so allgemein war das Erbrecht des Fide-yori auf den Herrschertitel, aber auch die thatsächliche Macht des Jyeyas als legal anerkannt. Er regierte das Land als Minister des Fide-yori, wie die Fosio über ein Jahr- hundert lang Japan als Minister der Nachkommen des Yori-tomo unumschränkt beherrschten. Eine ähnliche Stellung hätten vielleicht Jyeyas und sein Geschlecht den Nachkommen des Taïko-sama gegenüber eingenommen, wenn sich Fide-yori mit dem Herrscher- titel und dem Glanze des Hofes begnügt hätte. Dahin deuten alle Anzeichen. Man begreift sonst nicht, warum der tief blickende 77) Sein Geburtsjahr 1542 fällt ungefähr mit der ersten Ankunft der Portugiesen zusammen.

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/105>, abgerufen am 09.11.2024.