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Beckmann, Johann: Anleitung zur Technologie. Göttingen, 1777.

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Einleitung. §. 8.
1. Einige Künste hat man gar aus dieser Klasse
ausheben, und über alle hinaus rücken wollen,
nämlich diejenigen, welche einige Gelehrsam-
keit, sonderlich Kentniß der Geschichte und
der Fabellehre verlangen, sich mehr als ande-
re mit der Nachahmung der Natur beschäfti-
gen, und mehr das schöne und angenehme,
als das unentbehrliche verfertigen. Jch mey-
ne die so genanten schönen Künste, z. B.
Malerey, Bildhauerey, Steinschneiderkunst
u. s. w. Jhr Lob ist so weit getrieben, daß
man eine Zeitlang ihre Kentniß allein der Ach-
tung der Grossen und der Gelehrten werth ge-
halten hat, bis man endlich empfand, daß
im Staate erst das unentbehrliche und nützli-
che, hernach das schöne, oder wenigstens bey-
des mit gleichem Eifer, zu suchen sey. Die
schönen Künste sind Zöglinge des Ueberflusses,
und dieser entspringt aus denen Gewerben,
die man ehemals verachtete. Jn dem Thei-
le des Erdbodens, Europas und Deutsch-
lands, der am längsten und glücklichsten Land-
wirthschaft, Bergbau, Fabriken, Manufac-
turen, Handwerke und Handlung getrieben
hat, sind auch die schönen Künste am ehrsten
aufgekeimt und aufgewachsen. Je näher der
übrige Theil jenem in Betreibung der ge-
nanten Gewerbe kömt, desto näher kömt er
ihm auch in den schönen Künsten. Aber die-
se ehr als jene verlangen, daß hiesse Blumen
brechen wollen, ehr man gesäet habe. Nach
der oben gegebenen Erklärung gehören die schö-
nen Künste allerdings zu den Handwerken,
und meine Achtung für letztere ist zu groß,
als daß ich jene durch dieses Geständniß nur
um eine Stuffe herunter zu setzen, oder ihre
Verehrer, zu denen ich auch gehöre, zu belei-
digen glauben solte.
2. En
Einleitung. §. 8.
1. Einige Kuͤnſte hat man gar aus dieſer Klaſſe
ausheben, und uͤber alle hinaus ruͤcken wollen,
naͤmlich diejenigen, welche einige Gelehrſam-
keit, ſonderlich Kentniß der Geſchichte und
der Fabellehre verlangen, ſich mehr als ande-
re mit der Nachahmung der Natur beſchaͤfti-
gen, und mehr das ſchoͤne und angenehme,
als das unentbehrliche verfertigen. Jch mey-
ne die ſo genanten ſchoͤnen Kuͤnſte, z. B.
Malerey, Bildhauerey, Steinſchneiderkunſt
u. ſ. w. Jhr Lob iſt ſo weit getrieben, daß
man eine Zeitlang ihre Kentniß allein der Ach-
tung der Groſſen und der Gelehrten werth ge-
halten hat, bis man endlich empfand, daß
im Staate erſt das unentbehrliche und nuͤtzli-
che, hernach das ſchoͤne, oder wenigſtens bey-
des mit gleichem Eifer, zu ſuchen ſey. Die
ſchoͤnen Kuͤnſte ſind Zoͤglinge des Ueberfluſſes,
und dieſer entſpringt aus denen Gewerben,
die man ehemals verachtete. Jn dem Thei-
le des Erdbodens, Europas und Deutſch-
lands, der am laͤngſten und gluͤcklichſten Land-
wirthſchaft, Bergbau, Fabriken, Manufac-
turen, Handwerke und Handlung getrieben
hat, ſind auch die ſchoͤnen Kuͤnſte am ehrſten
aufgekeimt und aufgewachſen. Je naͤher der
uͤbrige Theil jenem in Betreibung der ge-
nanten Gewerbe koͤmt, deſto naͤher koͤmt er
ihm auch in den ſchoͤnen Kuͤnſten. Aber die-
ſe ehr als jene verlangen, daß hieſſe Blumen
brechen wollen, ehr man geſaͤet habe. Nach
der oben gegebenen Erklaͤrung gehoͤren die ſchoͤ-
nen Kuͤnſte allerdings zu den Handwerken,
und meine Achtung fuͤr letztere iſt zu groß,
als daß ich jene durch dieſes Geſtaͤndniß nur
um eine Stuffe herunter zu ſetzen, oder ihre
Verehrer, zu denen ich auch gehoͤre, zu belei-
digen glauben ſolte.
2. En
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[IX/0033] Einleitung. §. 8. 1. Einige Kuͤnſte hat man gar aus dieſer Klaſſe ausheben, und uͤber alle hinaus ruͤcken wollen, naͤmlich diejenigen, welche einige Gelehrſam- keit, ſonderlich Kentniß der Geſchichte und der Fabellehre verlangen, ſich mehr als ande- re mit der Nachahmung der Natur beſchaͤfti- gen, und mehr das ſchoͤne und angenehme, als das unentbehrliche verfertigen. Jch mey- ne die ſo genanten ſchoͤnen Kuͤnſte, z. B. Malerey, Bildhauerey, Steinſchneiderkunſt u. ſ. w. Jhr Lob iſt ſo weit getrieben, daß man eine Zeitlang ihre Kentniß allein der Ach- tung der Groſſen und der Gelehrten werth ge- halten hat, bis man endlich empfand, daß im Staate erſt das unentbehrliche und nuͤtzli- che, hernach das ſchoͤne, oder wenigſtens bey- des mit gleichem Eifer, zu ſuchen ſey. Die ſchoͤnen Kuͤnſte ſind Zoͤglinge des Ueberfluſſes, und dieſer entſpringt aus denen Gewerben, die man ehemals verachtete. Jn dem Thei- le des Erdbodens, Europas und Deutſch- lands, der am laͤngſten und gluͤcklichſten Land- wirthſchaft, Bergbau, Fabriken, Manufac- turen, Handwerke und Handlung getrieben hat, ſind auch die ſchoͤnen Kuͤnſte am ehrſten aufgekeimt und aufgewachſen. Je naͤher der uͤbrige Theil jenem in Betreibung der ge- nanten Gewerbe koͤmt, deſto naͤher koͤmt er ihm auch in den ſchoͤnen Kuͤnſten. Aber die- ſe ehr als jene verlangen, daß hieſſe Blumen brechen wollen, ehr man geſaͤet habe. Nach der oben gegebenen Erklaͤrung gehoͤren die ſchoͤ- nen Kuͤnſte allerdings zu den Handwerken, und meine Achtung fuͤr letztere iſt zu groß, als daß ich jene durch dieſes Geſtaͤndniß nur um eine Stuffe herunter zu ſetzen, oder ihre Verehrer, zu denen ich auch gehoͤre, zu belei- digen glauben ſolte. 2. En

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Zitationshilfe: Beckmann, Johann: Anleitung zur Technologie. Göttingen, 1777, S. IX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beckmann_technologie_1777/33>, abgerufen am 19.04.2024.