Beckmann, Johann: Anleitung zur Technologie. Göttingen, 1777.Strumpfwirkerey. §. 1. Namen des wohlthätigen Erfinders diesesWerkzeugs gewiß melden kan! Die Franzo- sen geben vor, er sey ein Franzos gewesen, der aber, weil er in Paris keine Belohnung erhalten können, nach England gegangen, und daselbst wohl aufgenommen sey. Viele Jah- re nachher habe ein anderer Franzos, namens Jean Hindret, und dieser Namen scheint nicht einmal französisch zu seyn, den Stuhl in Eng- land gesehn, und alle Theile desselben so ge- nau beobachtet, daß er ihn, nach seiner Rück- kunft in Frankreich, vollkommen nachgemacht, und darauf im Jahre 1656 zu Paris das erste Privilegium zur Strumpfstrickerey, und zwar nur in Seide, erhalten habe. Aber viel wahr- scheinlicher ist die Behauptung der Engländer, daß William Lee, ein Magister aus St. Jo- hanns Collegio in Cambridge, im Jahre 1589 den Stuhl erfunden habe, wie wohl einige Engländer auch zugeben wollen, daß er ihn zuerst in Frankreich bekant gemacht habe, weil er in England nicht die gehörige Achtung habe erhalten können. Gewiß ist es gleich- wohl, daß die Strumpfstrickerstühle lange Zeit in England allein gebräuchlich gewesen und geheim gehalten worden sind. Gewiß ist es auch, daß der Venetianische Gesandte, An- tonio Correr, den ersten Stuhl und die ersten Strumpfwirker heimlich im Jahre 1614 aus England nach Venedig geschaft hat, und daß wir Deutsche dieses Werkzeug kaum seit 100 Jahren kennen und nutzen. Die neueste Ver- besserung oder Veränderung ist vor einigen Jahren von Unwin in England angegeben, und von der Londoner ökonomischen Gesell- schaft belohnt worden. 4. De-
Strumpfwirkerey. §. 1. Namen des wohlthaͤtigen Erfinders dieſesWerkzeugs gewiß melden kan! Die Franzo- ſen geben vor, er ſey ein Franzos geweſen, der aber, weil er in Paris keine Belohnung erhalten koͤnnen, nach England gegangen, und daſelbſt wohl aufgenommen ſey. Viele Jah- re nachher habe ein anderer Franzos, namens Jean Hindret, und dieſer Namen ſcheint nicht einmal franzoͤſiſch zu ſeyn, den Stuhl in Eng- land geſehn, und alle Theile deſſelben ſo ge- nau beobachtet, daß er ihn, nach ſeiner Ruͤck- kunft in Frankreich, vollkommen nachgemacht, und darauf im Jahre 1656 zu Paris das erſte Privilegium zur Strumpfſtrickerey, und zwar nur in Seide, erhalten habe. Aber viel wahr- ſcheinlicher iſt die Behauptung der Englaͤnder, daß William Lee, ein Magiſter aus St. Jo- hanns Collegio in Cambridge, im Jahre 1589 den Stuhl erfunden habe, wie wohl einige Englaͤnder auch zugeben wollen, daß er ihn zuerſt in Frankreich bekant gemacht habe, weil er in England nicht die gehoͤrige Achtung habe erhalten koͤnnen. Gewiß iſt es gleich- wohl, daß die Strumpfſtrickerſtuͤhle lange Zeit in England allein gebraͤuchlich geweſen und geheim gehalten worden ſind. Gewiß iſt es auch, daß der Venetianiſche Geſandte, An- tonio Correr, den erſten Stuhl und die erſten Strumpfwirker heimlich im Jahre 1614 aus England nach Venedig geſchaft hat, und daß wir Deutſche dieſes Werkzeug kaum ſeit 100 Jahren kennen und nutzen. Die neueſte Ver- beſſerung oder Veraͤnderung iſt vor einigen Jahren von Unwin in England angegeben, und von der Londoner oͤkonomiſchen Geſell- ſchaft belohnt worden. 4. De-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <list> <item><pb facs="#f0103" n="43"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Strumpfwirkerey.</hi> §. 1.</fw><lb/> Namen des wohlthaͤtigen Erfinders dieſes<lb/> Werkzeugs gewiß melden kan! Die Franzo-<lb/> ſen geben vor, er ſey ein Franzos geweſen,<lb/> der aber, weil er in Paris keine Belohnung<lb/> erhalten koͤnnen, nach England gegangen, und<lb/> daſelbſt wohl aufgenommen ſey. Viele Jah-<lb/> re nachher habe ein anderer Franzos, namens<lb/><hi rendition="#fr">Jean Hindret,</hi> und dieſer Namen ſcheint nicht<lb/> einmal franzoͤſiſch zu ſeyn, den Stuhl in Eng-<lb/> land geſehn, und alle Theile deſſelben ſo ge-<lb/> nau beobachtet, daß er ihn, nach ſeiner Ruͤck-<lb/> kunft in Frankreich, vollkommen nachgemacht,<lb/> und darauf im Jahre 1656 zu Paris das erſte<lb/> Privilegium zur Strumpfſtrickerey, und zwar<lb/> nur in Seide, erhalten habe. Aber viel wahr-<lb/> ſcheinlicher iſt die Behauptung der Englaͤnder,<lb/> daß <hi rendition="#fr">William Lee,</hi> ein Magiſter aus St. Jo-<lb/> hanns Collegio in Cambridge, im Jahre 1589<lb/> den Stuhl erfunden habe, wie wohl einige<lb/> Englaͤnder auch zugeben wollen, daß er ihn<lb/> zuerſt in Frankreich bekant gemacht habe,<lb/> weil er in England nicht die gehoͤrige Achtung<lb/> habe erhalten koͤnnen. Gewiß iſt es gleich-<lb/> wohl, daß die Strumpfſtrickerſtuͤhle lange<lb/> Zeit in England allein gebraͤuchlich geweſen<lb/> und geheim gehalten worden ſind. Gewiß iſt<lb/> es auch, daß der Venetianiſche Geſandte, <hi rendition="#fr">An-<lb/> tonio Correr,</hi> den erſten Stuhl und die erſten<lb/> Strumpfwirker heimlich im Jahre 1614 aus<lb/> England nach Venedig geſchaft hat, und daß<lb/> wir Deutſche dieſes Werkzeug kaum ſeit 100<lb/> Jahren kennen und nutzen. Die neueſte Ver-<lb/> beſſerung oder Veraͤnderung iſt vor einigen<lb/> Jahren von <hi rendition="#fr">Unwin</hi> in England angegeben,<lb/> und von der Londoner oͤkonomiſchen Geſell-<lb/> ſchaft belohnt worden.</item> </list><lb/> <fw place="bottom" type="catch">4. De-</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [43/0103]
Strumpfwirkerey. §. 1.
Namen des wohlthaͤtigen Erfinders dieſes
Werkzeugs gewiß melden kan! Die Franzo-
ſen geben vor, er ſey ein Franzos geweſen,
der aber, weil er in Paris keine Belohnung
erhalten koͤnnen, nach England gegangen, und
daſelbſt wohl aufgenommen ſey. Viele Jah-
re nachher habe ein anderer Franzos, namens
Jean Hindret, und dieſer Namen ſcheint nicht
einmal franzoͤſiſch zu ſeyn, den Stuhl in Eng-
land geſehn, und alle Theile deſſelben ſo ge-
nau beobachtet, daß er ihn, nach ſeiner Ruͤck-
kunft in Frankreich, vollkommen nachgemacht,
und darauf im Jahre 1656 zu Paris das erſte
Privilegium zur Strumpfſtrickerey, und zwar
nur in Seide, erhalten habe. Aber viel wahr-
ſcheinlicher iſt die Behauptung der Englaͤnder,
daß William Lee, ein Magiſter aus St. Jo-
hanns Collegio in Cambridge, im Jahre 1589
den Stuhl erfunden habe, wie wohl einige
Englaͤnder auch zugeben wollen, daß er ihn
zuerſt in Frankreich bekant gemacht habe,
weil er in England nicht die gehoͤrige Achtung
habe erhalten koͤnnen. Gewiß iſt es gleich-
wohl, daß die Strumpfſtrickerſtuͤhle lange
Zeit in England allein gebraͤuchlich geweſen
und geheim gehalten worden ſind. Gewiß iſt
es auch, daß der Venetianiſche Geſandte, An-
tonio Correr, den erſten Stuhl und die erſten
Strumpfwirker heimlich im Jahre 1614 aus
England nach Venedig geſchaft hat, und daß
wir Deutſche dieſes Werkzeug kaum ſeit 100
Jahren kennen und nutzen. Die neueſte Ver-
beſſerung oder Veraͤnderung iſt vor einigen
Jahren von Unwin in England angegeben,
und von der Londoner oͤkonomiſchen Geſell-
ſchaft belohnt worden.
4. De-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |