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Beckmann, Johann: Anleitung zur Technologie. Göttingen, 1777.

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Strumpfwirkerey. §. 1.
nutzbaren Strickerey ein dankbares Andenken.
Die Franzosen meynen sie von Schottländern
erlernt zu haben; wenigstens hat die den 16
Aug. 1527 bestätigte communaute des maitres
bonnetiers au tricot
einen Schottländischen
Schutzheiligen gewählt. Die Engländer ver-
sichern, das Stricken sey in Spanien erfun-
den, bald darauf in Jtalien, aber erst im
Jahre 1561, oder wie andere wollen, im Jah-
re 1564, in England bekant geworden. Die
ersten seidenen gestrickten Strümpfe trug in
Frankreich K. Heinrich II, bey der Vermäh-
lung seiner Tochter, und in England die Kö-
niginn Elisabet. Weit älter ist die viel ein-
fältigere Kunst Netze zu stricken, oder, um
modig zu reden, Filet zu machen, woher her-
nach die noch jetzt üblichen Kunstwörter ent-
lehnt worden. Jn der Limpurger Chronik
steht: die Frauwen trugen neuwe weite Haupt-
finstern, also daß man ihre Brust und Dut-
ten beynahe halb sahe.
Diese Hauptfinstern
scheinen dem H. Möser, dem ich diese Zeilen
zu danken habe, von unserm Filet wenig oder
gar nicht verschieden gewesen zu seyn. Fin-
ster
oder Vinster hieß ein Drat. Knütten,
Knüteisen, Knütholz, Knütspan, Maschen,
Stricknadel,
sind Wörter, die schon in der
Brandenburgischen Fischer-Ordnung vom Jah-
re 1574, und in noch ältern vorkommen. Die
ersten Strumpfstricker hießen in Deutschland
Hosen-Stricker, denn ehemals machte die Be-
kleidung der Beine und Hüfte nur ein Klei-
dungsstück, und hieß Hosen. Nachher fand
man für gut sie zu theilen, und ließ dem Ober-
theile den alten Namen Hosen, Beingewandt,
woraus hernach Beinkleider geworden, hinge-
gen gab man dem Untertheile den Namen
Strumpf, truncus.
2. Den
C 5
Strumpfwirkerey. §. 1.
nutzbaren Strickerey ein dankbares Andenken.
Die Franzoſen meynen ſie von Schottlaͤndern
erlernt zu haben; wenigſtens hat die den 16
Aug. 1527 beſtaͤtigte communauté des maitres
bonnetiers au tricot
einen Schottlaͤndiſchen
Schutzheiligen gewaͤhlt. Die Englaͤnder ver-
ſichern, das Stricken ſey in Spanien erfun-
den, bald darauf in Jtalien, aber erſt im
Jahre 1561, oder wie andere wollen, im Jah-
re 1564, in England bekant geworden. Die
erſten ſeidenen geſtrickten Struͤmpfe trug in
Frankreich K. Heinrich II, bey der Vermaͤh-
lung ſeiner Tochter, und in England die Koͤ-
niginn Eliſabet. Weit aͤlter iſt die viel ein-
faͤltigere Kunſt Netze zu ſtricken, oder, um
modig zu reden, Filet zu machen, woher her-
nach die noch jetzt uͤblichen Kunſtwoͤrter ent-
lehnt worden. Jn der Limpurger Chronik
ſteht: die Frauwen trugen neuwe weite Haupt-
finſtern, alſo daß man ihre Bruſt und Dut-
ten beynahe halb ſahe.
Dieſe Hauptfinſtern
ſcheinen dem H. Moͤſer, dem ich dieſe Zeilen
zu danken habe, von unſerm Filet wenig oder
gar nicht verſchieden geweſen zu ſeyn. Fin-
ſter
oder Vinſter hieß ein Drat. Knuͤtten,
Knuͤteiſen, Knuͤtholz, Knuͤtſpan, Maſchen,
Stricknadel,
ſind Woͤrter, die ſchon in der
Brandenburgiſchen Fiſcher-Ordnung vom Jah-
re 1574, und in noch aͤltern vorkommen. Die
erſten Strumpfſtricker hießen in Deutſchland
Hoſen-Stricker, denn ehemals machte die Be-
kleidung der Beine und Huͤfte nur ein Klei-
dungsſtuͤck, und hieß Hoſen. Nachher fand
man fuͤr gut ſie zu theilen, und ließ dem Ober-
theile den alten Namen Hoſen, Beingewandt,
woraus hernach Beinkleider geworden, hinge-
gen gab man dem Untertheile den Namen
Strumpf, truncus.
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[41/0101] Strumpfwirkerey. §. 1. nutzbaren Strickerey ein dankbares Andenken. Die Franzoſen meynen ſie von Schottlaͤndern erlernt zu haben; wenigſtens hat die den 16 Aug. 1527 beſtaͤtigte communauté des maitres bonnetiers au tricot einen Schottlaͤndiſchen Schutzheiligen gewaͤhlt. Die Englaͤnder ver- ſichern, das Stricken ſey in Spanien erfun- den, bald darauf in Jtalien, aber erſt im Jahre 1561, oder wie andere wollen, im Jah- re 1564, in England bekant geworden. Die erſten ſeidenen geſtrickten Struͤmpfe trug in Frankreich K. Heinrich II, bey der Vermaͤh- lung ſeiner Tochter, und in England die Koͤ- niginn Eliſabet. Weit aͤlter iſt die viel ein- faͤltigere Kunſt Netze zu ſtricken, oder, um modig zu reden, Filet zu machen, woher her- nach die noch jetzt uͤblichen Kunſtwoͤrter ent- lehnt worden. Jn der Limpurger Chronik ſteht: die Frauwen trugen neuwe weite Haupt- finſtern, alſo daß man ihre Bruſt und Dut- ten beynahe halb ſahe. Dieſe Hauptfinſtern ſcheinen dem H. Moͤſer, dem ich dieſe Zeilen zu danken habe, von unſerm Filet wenig oder gar nicht verſchieden geweſen zu ſeyn. Fin- ſter oder Vinſter hieß ein Drat. Knuͤtten, Knuͤteiſen, Knuͤtholz, Knuͤtſpan, Maſchen, Stricknadel, ſind Woͤrter, die ſchon in der Brandenburgiſchen Fiſcher-Ordnung vom Jah- re 1574, und in noch aͤltern vorkommen. Die erſten Strumpfſtricker hießen in Deutſchland Hoſen-Stricker, denn ehemals machte die Be- kleidung der Beine und Huͤfte nur ein Klei- dungsſtuͤck, und hieß Hoſen. Nachher fand man fuͤr gut ſie zu theilen, und ließ dem Ober- theile den alten Namen Hoſen, Beingewandt, woraus hernach Beinkleider geworden, hinge- gen gab man dem Untertheile den Namen Strumpf, truncus. 2. Den C 5

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Zitationshilfe: Beckmann, Johann: Anleitung zur Technologie. Göttingen, 1777, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beckmann_technologie_1777/101>, abgerufen am 02.05.2024.