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Becker, Bernhard: Wie Arbeiterwohnungen gut und gesund einzurichten und zu erhalten seien. Basel, 1860.

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Grunde ein lauteres Wasser tost. Hier, in diesem Städtetobel
gehen Menschen hin und her, rauchen Tabak, athmen schlechte
Luft aus und verunreinigen die Häuser. Sonne sieht man
an beiden Orten gleich viel. Man soll bauen, daß Luft und
Licht auf beiden Seiten der Häuserreihen Zutritt haben. Wenn
so die Straßen breit sind, von Zeit zu Zeit ein großer freier
Platz kommt, ein großer Luftbehälter, der mit Rasen und Bäu-
men bepflanzt ist, wenn durch reichliche Wasserzufuhr alle stin-
kenden und faulenden Abfälle und Flüssigkeiten weggeführt
werden, wenn in den Häusern selber Reinlichkeit herrscht, so
kann in der größten Stadt das Leben so gesund sein als auf
dem Lande; sie ist dann eben nichts anders als ein dicht be-
völkertes, mit Häusern dicht besetztes Stück Land und anderes
sollte die Stadt nie sein. Jn solcher Stadt, wenn die Sonne
von oben auf die Dächer, an die Wände, auf das Straßen-
pflaster scheint, wird die Luft erwärmt, sie steigt in die Höhe,
nimmt Verbrauchtes und Schädliches mit sich; ab dem Lande
strömt durch weite geräumige Gassen die kühlere, schwerere aber
reine Luft herbei. Es entsteht ein Hin- und Herwogen; wenn
jede Luftart ihre besondere Farbe hätte, es gäbe ein Spiel, wie
wenn Wagen in raschem Laufe aneinander vorbeigleiten und
doch keiner dem andern einen Schaden zufügt. Aber wenn die
Straßen enge sind und da und dort, auf jedem Schritt wieder
ein Stock Häuser sich quer in den Weg stellt, so geht es dann
der Luft freilich wie Fremden in Weltstädten, wenn sie die
Sprache nicht kennen und nicht wissen, ob sie zu Fuß gehen
wollen oder fahren und stehen, während unterdessen die Fuhr-
werke an ihnen vorbeisausen. Es entsteht Stockung; die alte
schlechte Luft kann nicht weg und neue frische kommt keine hinzu.

Aber wenn du also nicht ganz frei bist, daß du das
Jdeale erreichen kannst, so suche doch als ein gescheidter Mann
das Mögliche; stelle dein Haus wenigstens so sehr in's Freie,
als dir nach Umständen und Geld möglich ist. Steht das Haus
schon, wie die meisten das wohl thun werden, so räume wenig-
stens das Schädliche, Störende, Häßliche weg, darüber du zu
verfügen hast. Verkaufe nicht um eines lumpigen Profitchens
willen dein Gütchen, dein Gärtchen um dein Haus herum. Jm

Grunde ein lauteres Waſſer tost. Hier, in dieſem Städtetobel
gehen Menſchen hin und her, rauchen Tabak, athmen ſchlechte
Luft aus und verunreinigen die Häuſer. Sonne ſieht man
an beiden Orten gleich viel. Man ſoll bauen, daß Luft und
Licht auf beiden Seiten der Häuſerreihen Zutritt haben. Wenn
ſo die Straßen breit ſind, von Zeit zu Zeit ein großer freier
Platz kommt, ein großer Luftbehälter, der mit Raſen und Bäu-
men bepflanzt iſt, wenn durch reichliche Waſſerzufuhr alle ſtin-
kenden und faulenden Abfälle und Flüſſigkeiten weggeführt
werden, wenn in den Häuſern ſelber Reinlichkeit herrſcht, ſo
kann in der größten Stadt das Leben ſo geſund ſein als auf
dem Lande; ſie iſt dann eben nichts anders als ein dicht be-
völkertes, mit Häuſern dicht beſetztes Stück Land und anderes
ſollte die Stadt nie ſein. Jn ſolcher Stadt, wenn die Sonne
von oben auf die Dächer, an die Wände, auf das Straßen-
pflaſter ſcheint, wird die Luft erwärmt, ſie ſteigt in die Höhe,
nimmt Verbrauchtes und Schädliches mit ſich; ab dem Lande
ſtrömt durch weite geräumige Gaſſen die kühlere, ſchwerere aber
reine Luft herbei. Es entſteht ein Hin- und Herwogen; wenn
jede Luftart ihre beſondere Farbe hätte, es gäbe ein Spiel, wie
wenn Wagen in raſchem Laufe aneinander vorbeigleiten und
doch keiner dem andern einen Schaden zufügt. Aber wenn die
Straßen enge ſind und da und dort, auf jedem Schritt wieder
ein Stock Häuſer ſich quer in den Weg ſtellt, ſo geht es dann
der Luft freilich wie Fremden in Weltſtädten, wenn ſie die
Sprache nicht kennen und nicht wiſſen, ob ſie zu Fuß gehen
wollen oder fahren und ſtehen, während unterdeſſen die Fuhr-
werke an ihnen vorbeiſauſen. Es entſteht Stockung; die alte
ſchlechte Luft kann nicht weg und neue friſche kommt keine hinzu.

Aber wenn du alſo nicht ganz frei biſt, daß du das
Jdeale erreichen kannſt, ſo ſuche doch als ein geſcheidter Mann
das Mögliche; ſtelle dein Haus wenigſtens ſo ſehr in's Freie,
als dir nach Umſtänden und Geld möglich iſt. Steht das Haus
ſchon, wie die meiſten das wohl thun werden, ſo räume wenig-
ſtens das Schädliche, Störende, Häßliche weg, darüber du zu
verfügen haſt. Verkaufe nicht um eines lumpigen Profitchens
willen dein Gütchen, dein Gärtchen um dein Haus herum. Jm

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[35/0035] Grunde ein lauteres Waſſer tost. Hier, in dieſem Städtetobel gehen Menſchen hin und her, rauchen Tabak, athmen ſchlechte Luft aus und verunreinigen die Häuſer. Sonne ſieht man an beiden Orten gleich viel. Man ſoll bauen, daß Luft und Licht auf beiden Seiten der Häuſerreihen Zutritt haben. Wenn ſo die Straßen breit ſind, von Zeit zu Zeit ein großer freier Platz kommt, ein großer Luftbehälter, der mit Raſen und Bäu- men bepflanzt iſt, wenn durch reichliche Waſſerzufuhr alle ſtin- kenden und faulenden Abfälle und Flüſſigkeiten weggeführt werden, wenn in den Häuſern ſelber Reinlichkeit herrſcht, ſo kann in der größten Stadt das Leben ſo geſund ſein als auf dem Lande; ſie iſt dann eben nichts anders als ein dicht be- völkertes, mit Häuſern dicht beſetztes Stück Land und anderes ſollte die Stadt nie ſein. Jn ſolcher Stadt, wenn die Sonne von oben auf die Dächer, an die Wände, auf das Straßen- pflaſter ſcheint, wird die Luft erwärmt, ſie ſteigt in die Höhe, nimmt Verbrauchtes und Schädliches mit ſich; ab dem Lande ſtrömt durch weite geräumige Gaſſen die kühlere, ſchwerere aber reine Luft herbei. Es entſteht ein Hin- und Herwogen; wenn jede Luftart ihre beſondere Farbe hätte, es gäbe ein Spiel, wie wenn Wagen in raſchem Laufe aneinander vorbeigleiten und doch keiner dem andern einen Schaden zufügt. Aber wenn die Straßen enge ſind und da und dort, auf jedem Schritt wieder ein Stock Häuſer ſich quer in den Weg ſtellt, ſo geht es dann der Luft freilich wie Fremden in Weltſtädten, wenn ſie die Sprache nicht kennen und nicht wiſſen, ob ſie zu Fuß gehen wollen oder fahren und ſtehen, während unterdeſſen die Fuhr- werke an ihnen vorbeiſauſen. Es entſteht Stockung; die alte ſchlechte Luft kann nicht weg und neue friſche kommt keine hinzu. Aber wenn du alſo nicht ganz frei biſt, daß du das Jdeale erreichen kannſt, ſo ſuche doch als ein geſcheidter Mann das Mögliche; ſtelle dein Haus wenigſtens ſo ſehr in's Freie, als dir nach Umſtänden und Geld möglich iſt. Steht das Haus ſchon, wie die meiſten das wohl thun werden, ſo räume wenig- ſtens das Schädliche, Störende, Häßliche weg, darüber du zu verfügen haſt. Verkaufe nicht um eines lumpigen Profitchens willen dein Gütchen, dein Gärtchen um dein Haus herum. Jm

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Zitationshilfe: Becker, Bernhard: Wie Arbeiterwohnungen gut und gesund einzurichten und zu erhalten seien. Basel, 1860, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/becker_arbeiter_1860/35>, abgerufen am 27.11.2024.