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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Grossbritannien.
sind und mit Verständnis und Geschick an dem Fortschritt der Eisen-
industrie nicht nur Englands, sondern der Welt gearbeitet haben.

Ein grosses Förderungsmittel hierfür waren die Bildungsanstalten,
besonders die durch den Prinzen Albert ins Leben gerufene Berg-
akademie, die Royal School of Mines in London, die besonders in
dem im Jahre 1887 gestorbenen John Percy einen so vortrefflichen
Lehrer der Metallurgie und ganz besonders der Eisenhüttenkunde
hatte. Viele der bekannten und hervorragenden Eisenindustriellen
Grossbritanniens sind seine Schüler gewesen.

Ein anderes wichtiges Förderungsmittel war ein höchst segens-
reiches Vereinsleben. Die Vereine haben von jeher in dem wissen-
schaftlichen Leben Englands eine grosse Rolle gespielt. Es war dies
durch die Verhältnisse bedingt. Die beiden alten Universitäten
Oxford und Cambridge bewahrten ihren einseitigen Charakter als
Hochschulen klassischer Bildung und ihre mittelalterlichen Einrich-
tungen. Dem praktischen Leben standen sie vornehm fern. Der
Staat betrachtete es nicht als seine Aufgabe, neue und moderne
Bildungsanstalten zu schaffen, und überliess dies den Städten und
Grafschaften oder Privaten. Ohne das eifrige Bemühen des Prinzen
Albert wäre auch die Bergakademie nicht als Staatsanstalt (govern-
ment school) begründet worden. -- Auf diesem Wege konnten also
grosse Schöpfungen, nationale Hochschulen kaum entstehen. Durch
den Mangel an solchen konnte das wissenschaftliche Streben nur in
Vereinen sich bethätigen, was dem englischen Wesen und Charakter
auch besonders entsprach. In diesen Vereinen, die wie die Royal Society,
die Society for the advancement of science, die Geographical society
schon lange bestehen, fand das wissenschaftliche Leben Englands einen
teilweisen Ersatz für das, was unsere deutschen Hochschulen bieten.
Solchen Vereinen anzugehören gilt als eine Ehre und als ein Zeichen
von Bildung. Die bequeme Form des Vereins lässt sich jeder Art von
Bestrebung anpassen und das geschah denn auch in reichem --
manchmal überreichem Masse.

Vereine für die Eisenindustrie sind erst in den letzten 40 Jahren
entstanden. Älter sind die Gesellschaften der Zivilingenieure und
der Maschinenbauer, der Bergingenieure (Soc. of civil engineers, Soc.
of mechanic engineers, Soc. of mining engineers), in denen aber
die Eisenhüttenkunde nur nebenher Berücksichtigung fand. Um so
wichtiger war daher die Gründung des Iron and Steel Institute
durch eine Reihe hervorragender Metallurgen unter dem Vorsitz
des Herzogs von Devonshire im Jahre 1869. Es wurde rasch der

Groſsbritannien.
sind und mit Verständnis und Geschick an dem Fortschritt der Eisen-
industrie nicht nur Englands, sondern der Welt gearbeitet haben.

Ein groſses Förderungsmittel hierfür waren die Bildungsanstalten,
besonders die durch den Prinzen Albert ins Leben gerufene Berg-
akademie, die Royal School of Mines in London, die besonders in
dem im Jahre 1887 gestorbenen John Percy einen so vortrefflichen
Lehrer der Metallurgie und ganz besonders der Eisenhüttenkunde
hatte. Viele der bekannten und hervorragenden Eisenindustriellen
Groſsbritanniens sind seine Schüler gewesen.

Ein anderes wichtiges Förderungsmittel war ein höchst segens-
reiches Vereinsleben. Die Vereine haben von jeher in dem wissen-
schaftlichen Leben Englands eine groſse Rolle gespielt. Es war dies
durch die Verhältnisse bedingt. Die beiden alten Universitäten
Oxford und Cambridge bewahrten ihren einseitigen Charakter als
Hochschulen klassischer Bildung und ihre mittelalterlichen Einrich-
tungen. Dem praktischen Leben standen sie vornehm fern. Der
Staat betrachtete es nicht als seine Aufgabe, neue und moderne
Bildungsanstalten zu schaffen, und überlieſs dies den Städten und
Grafschaften oder Privaten. Ohne das eifrige Bemühen des Prinzen
Albert wäre auch die Bergakademie nicht als Staatsanstalt (govern-
ment school) begründet worden. — Auf diesem Wege konnten also
groſse Schöpfungen, nationale Hochschulen kaum entstehen. Durch
den Mangel an solchen konnte das wissenschaftliche Streben nur in
Vereinen sich bethätigen, was dem englischen Wesen und Charakter
auch besonders entsprach. In diesen Vereinen, die wie die Royal Society,
die Society for the advancement of science, die Geographical society
schon lange bestehen, fand das wissenschaftliche Leben Englands einen
teilweisen Ersatz für das, was unsere deutschen Hochschulen bieten.
Solchen Vereinen anzugehören gilt als eine Ehre und als ein Zeichen
von Bildung. Die bequeme Form des Vereins läſst sich jeder Art von
Bestrebung anpassen und das geschah denn auch in reichem —
manchmal überreichem Maſse.

Vereine für die Eisenindustrie sind erst in den letzten 40 Jahren
entstanden. Älter sind die Gesellschaften der Zivilingenieure und
der Maschinenbauer, der Bergingenieure (Soc. of civil engineers, Soc.
of mechanic engineers, Soc. of mining engineers), in denen aber
die Eisenhüttenkunde nur nebenher Berücksichtigung fand. Um so
wichtiger war daher die Gründung des Iron and Steel Institute
durch eine Reihe hervorragender Metallurgen unter dem Vorsitz
des Herzogs von Devonshire im Jahre 1869. Es wurde rasch der

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[956/0972] Groſsbritannien. sind und mit Verständnis und Geschick an dem Fortschritt der Eisen- industrie nicht nur Englands, sondern der Welt gearbeitet haben. Ein groſses Förderungsmittel hierfür waren die Bildungsanstalten, besonders die durch den Prinzen Albert ins Leben gerufene Berg- akademie, die Royal School of Mines in London, die besonders in dem im Jahre 1887 gestorbenen John Percy einen so vortrefflichen Lehrer der Metallurgie und ganz besonders der Eisenhüttenkunde hatte. Viele der bekannten und hervorragenden Eisenindustriellen Groſsbritanniens sind seine Schüler gewesen. Ein anderes wichtiges Förderungsmittel war ein höchst segens- reiches Vereinsleben. Die Vereine haben von jeher in dem wissen- schaftlichen Leben Englands eine groſse Rolle gespielt. Es war dies durch die Verhältnisse bedingt. Die beiden alten Universitäten Oxford und Cambridge bewahrten ihren einseitigen Charakter als Hochschulen klassischer Bildung und ihre mittelalterlichen Einrich- tungen. Dem praktischen Leben standen sie vornehm fern. Der Staat betrachtete es nicht als seine Aufgabe, neue und moderne Bildungsanstalten zu schaffen, und überlieſs dies den Städten und Grafschaften oder Privaten. Ohne das eifrige Bemühen des Prinzen Albert wäre auch die Bergakademie nicht als Staatsanstalt (govern- ment school) begründet worden. — Auf diesem Wege konnten also groſse Schöpfungen, nationale Hochschulen kaum entstehen. Durch den Mangel an solchen konnte das wissenschaftliche Streben nur in Vereinen sich bethätigen, was dem englischen Wesen und Charakter auch besonders entsprach. In diesen Vereinen, die wie die Royal Society, die Society for the advancement of science, die Geographical society schon lange bestehen, fand das wissenschaftliche Leben Englands einen teilweisen Ersatz für das, was unsere deutschen Hochschulen bieten. Solchen Vereinen anzugehören gilt als eine Ehre und als ein Zeichen von Bildung. Die bequeme Form des Vereins läſst sich jeder Art von Bestrebung anpassen und das geschah denn auch in reichem — manchmal überreichem Maſse. Vereine für die Eisenindustrie sind erst in den letzten 40 Jahren entstanden. Älter sind die Gesellschaften der Zivilingenieure und der Maschinenbauer, der Bergingenieure (Soc. of civil engineers, Soc. of mechanic engineers, Soc. of mining engineers), in denen aber die Eisenhüttenkunde nur nebenher Berücksichtigung fand. Um so wichtiger war daher die Gründung des Iron and Steel Institute durch eine Reihe hervorragender Metallurgen unter dem Vorsitz des Herzogs von Devonshire im Jahre 1869. Es wurde rasch der

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 956. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/972>, abgerufen am 23.11.2024.