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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Eisenbahnschienen und -schwellen.
auf der Georgs-Marienbahn eingeführt. Auch bei den Schwellen ging
man zur Verwendung des Flusseisens über.

Ende 1888 waren in Deutschland schon 10632558 Stück Quer-
schwellen verlegt; in England nur 70 Meilen (113 km), dagegen in
Britisch-Ostindien 9244,5 Meilen, in Holland 517,05 km, in Belgien
185,85 km, in der Schweiz 639,4 km, in Algier 202 km und in Australien
290 km. Die eisernen Schwellen empfahlen sich überall da, wo Holz-
schwellen teuer oder nicht haltbar waren.

Nach einer Aufstellung von E. Russel Tratman von 1890
betrug die gesamte Bahnlänge mit eisernem Oberbau damals 39900 km
(= 13,21 Prozent der Eisenbahnen der Erde), davon hatten 5850 km
Langschwellen, 17800 km Querschwellen. Auf Deutschland entfielen
14139 km (etwa ein Drittel), auf Grossbritannien nur 113 km, dagegen
auf Britisch-Ostindien 14850 km, auf Südamerika 6098 km, auf Afrika
2077 km.

Nach Einführung der Stahlschienen hatte man anfänglich danach
gestrebt, das Schienengewicht zu verringern, so z. B. in Preussen von
37 auf 33 kg pro laufenden Meter. Dies erwies sich aber als un-
vorteilhaft. Die stärkere Inanspruchnahme verlangte auch einen
stärkeren Oberbau. C. B. Sandberg in London empfahl 1886 eine
schwere Schiene mit breitem Kopf und schmalem Fuss, die in fluss-
eisernen Unterlagsplatten befestigt war. Diese sogenannten Goliath-
schienen, wovon der laufende Meter 52 kg wog, wurden zuerst im
März 1887 von Cockerill in Seraing gewalzt und in Belgien mit gutem
Erfolg eingeführt. Daraufhin erhöhte man auch in Frankreich und
Amerika das Schienengewicht, beispielsweise auf der französischen
Nordbahn auf 43 kg pro laufenden Meter, dann auf der Paris-Lyon-
Mittelmeerbahn auf 47 kg. In England hatte man schon früher
Schienen von 40 bis 45 kg Gewicht pro laufenden Meter eingeführt.

Die guten Erfolge, welche man Ende der achtziger Jahre mit
dem weicheren Flussstahl von dem Siemens-Martin- und dem Thomas-
prozess erzielt hatte, veranlassten die preussische Regierung und andere
deutsche Eisenbahnverwaltungen, die untere Grenze der Zerreissfestig-
keit für Schienenmaterial von 50 auf 45 kg pro Quadratmillimeter
herabzusetzen, indem man gleichzeitig die Vorschriften über die "Wert-
ziffer", d. h. die konstante Summe der absoluten Festigkeit und der
prozentualen Querschnittsverminderung beim Zerreissen fallen liess.

Seit Anfang der achtziger Jahre wurde Thomasflusseisen für
Eisenbahnschienen verwendet, so z. B. 1882 auf der Gotthardbahn. Das
anfängliche Vorurteil gegen das neue Material schwand mit der zu-

Eisenbahnschienen und -schwellen.
auf der Georgs-Marienbahn eingeführt. Auch bei den Schwellen ging
man zur Verwendung des Fluſseisens über.

Ende 1888 waren in Deutschland schon 10632558 Stück Quer-
schwellen verlegt; in England nur 70 Meilen (113 km), dagegen in
Britisch-Ostindien 9244,5 Meilen, in Holland 517,05 km, in Belgien
185,85 km, in der Schweiz 639,4 km, in Algier 202 km und in Australien
290 km. Die eisernen Schwellen empfahlen sich überall da, wo Holz-
schwellen teuer oder nicht haltbar waren.

Nach einer Aufstellung von E. Russel Tratman von 1890
betrug die gesamte Bahnlänge mit eisernem Oberbau damals 39900 km
(= 13,21 Prozent der Eisenbahnen der Erde), davon hatten 5850 km
Langschwellen, 17800 km Querschwellen. Auf Deutschland entfielen
14139 km (etwa ein Drittel), auf Groſsbritannien nur 113 km, dagegen
auf Britisch-Ostindien 14850 km, auf Südamerika 6098 km, auf Afrika
2077 km.

Nach Einführung der Stahlschienen hatte man anfänglich danach
gestrebt, das Schienengewicht zu verringern, so z. B. in Preuſsen von
37 auf 33 kg pro laufenden Meter. Dies erwies sich aber als un-
vorteilhaft. Die stärkere Inanspruchnahme verlangte auch einen
stärkeren Oberbau. C. B. Sandberg in London empfahl 1886 eine
schwere Schiene mit breitem Kopf und schmalem Fuſs, die in fluſs-
eisernen Unterlagsplatten befestigt war. Diese sogenannten Goliath-
schienen, wovon der laufende Meter 52 kg wog, wurden zuerst im
März 1887 von Cockerill in Seraing gewalzt und in Belgien mit gutem
Erfolg eingeführt. Daraufhin erhöhte man auch in Frankreich und
Amerika das Schienengewicht, beispielsweise auf der französischen
Nordbahn auf 43 kg pro laufenden Meter, dann auf der Paris-Lyon-
Mittelmeerbahn auf 47 kg. In England hatte man schon früher
Schienen von 40 bis 45 kg Gewicht pro laufenden Meter eingeführt.

Die guten Erfolge, welche man Ende der achtziger Jahre mit
dem weicheren Fluſsstahl von dem Siemens-Martin- und dem Thomas-
prozeſs erzielt hatte, veranlaſsten die preuſsische Regierung und andere
deutsche Eisenbahnverwaltungen, die untere Grenze der Zerreiſsfestig-
keit für Schienenmaterial von 50 auf 45 kg pro Quadratmillimeter
herabzusetzen, indem man gleichzeitig die Vorschriften über die „Wert-
ziffer“, d. h. die konstante Summe der absoluten Festigkeit und der
prozentualen Querschnittsverminderung beim Zerreiſsen fallen lieſs.

Seit Anfang der achtziger Jahre wurde Thomasfluſseisen für
Eisenbahnschienen verwendet, so z. B. 1882 auf der Gotthardbahn. Das
anfängliche Vorurteil gegen das neue Material schwand mit der zu-

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[826/0842] Eisenbahnschienen und -schwellen. auf der Georgs-Marienbahn eingeführt. Auch bei den Schwellen ging man zur Verwendung des Fluſseisens über. Ende 1888 waren in Deutschland schon 10632558 Stück Quer- schwellen verlegt; in England nur 70 Meilen (113 km), dagegen in Britisch-Ostindien 9244,5 Meilen, in Holland 517,05 km, in Belgien 185,85 km, in der Schweiz 639,4 km, in Algier 202 km und in Australien 290 km. Die eisernen Schwellen empfahlen sich überall da, wo Holz- schwellen teuer oder nicht haltbar waren. Nach einer Aufstellung von E. Russel Tratman von 1890 betrug die gesamte Bahnlänge mit eisernem Oberbau damals 39900 km (= 13,21 Prozent der Eisenbahnen der Erde), davon hatten 5850 km Langschwellen, 17800 km Querschwellen. Auf Deutschland entfielen 14139 km (etwa ein Drittel), auf Groſsbritannien nur 113 km, dagegen auf Britisch-Ostindien 14850 km, auf Südamerika 6098 km, auf Afrika 2077 km. Nach Einführung der Stahlschienen hatte man anfänglich danach gestrebt, das Schienengewicht zu verringern, so z. B. in Preuſsen von 37 auf 33 kg pro laufenden Meter. Dies erwies sich aber als un- vorteilhaft. Die stärkere Inanspruchnahme verlangte auch einen stärkeren Oberbau. C. B. Sandberg in London empfahl 1886 eine schwere Schiene mit breitem Kopf und schmalem Fuſs, die in fluſs- eisernen Unterlagsplatten befestigt war. Diese sogenannten Goliath- schienen, wovon der laufende Meter 52 kg wog, wurden zuerst im März 1887 von Cockerill in Seraing gewalzt und in Belgien mit gutem Erfolg eingeführt. Daraufhin erhöhte man auch in Frankreich und Amerika das Schienengewicht, beispielsweise auf der französischen Nordbahn auf 43 kg pro laufenden Meter, dann auf der Paris-Lyon- Mittelmeerbahn auf 47 kg. In England hatte man schon früher Schienen von 40 bis 45 kg Gewicht pro laufenden Meter eingeführt. Die guten Erfolge, welche man Ende der achtziger Jahre mit dem weicheren Fluſsstahl von dem Siemens-Martin- und dem Thomas- prozeſs erzielt hatte, veranlaſsten die preuſsische Regierung und andere deutsche Eisenbahnverwaltungen, die untere Grenze der Zerreiſsfestig- keit für Schienenmaterial von 50 auf 45 kg pro Quadratmillimeter herabzusetzen, indem man gleichzeitig die Vorschriften über die „Wert- ziffer“, d. h. die konstante Summe der absoluten Festigkeit und der prozentualen Querschnittsverminderung beim Zerreiſsen fallen lieſs. Seit Anfang der achtziger Jahre wurde Thomasfluſseisen für Eisenbahnschienen verwendet, so z. B. 1882 auf der Gotthardbahn. Das anfängliche Vorurteil gegen das neue Material schwand mit der zu-

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 826. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/842>, abgerufen am 01.06.2024.