nehmenden Erfahrung: natürlich musste auf Reinheit und Gleich- mässigkeit des Flusseisens, dessen Phosphorgehalt 0,1 Prozent nicht übersteigen durfte, gesehen werden. Die deutschen Eisenbahnver- waltungen verlangten deshalb Probeabnahme von jeder Charge.
Seitdem durch Darbys Rückkohlungsprozess auch die Möglichkeit, dem Thomasflusseisen eine beliebige grössere Härte zu erteilen, ge- geben war, lag kein Grund mehr vor, dasselbe als Schienenmaterial zu beanstanden. Dennoch geschah dies in Österreich-Ungarn bis 1895, wogegen sich Professor Tetmajer in einem vorzüglichen Gutachten 1) wendete. Er wies an zahlreichen Erfahrungen, besonders auch auf Schweizer Bahnen, die Vortrefflichkeit der Eisenbahnschienen aus Thomas-Flusseisen nach. Als Durchschnittsgehalt derselben auf Schweizer Bahnen giebt er an: Kohlenstoff 0,263, Silicium 0,09, Mangan 0,762, Phosphor 0,073, Schwefel 0,043 Prozent. Die Grenzen der Zugfestigkeit und Dehnung betrugen im Mittel für erstere 57,9 bis 64,9 kg pro Quadratmillimeter, für letztere 22,9 bis 39,9 Prozent. Im Vergleich mit Bessemerstahlschienen zeigten die aus Thomasfluss- eisen auffallend wenig Bruch im Betriebe.
Die Frage, ob für die Schienenfabrikation Zweiwalzenstrassen mit Reversiermaschinen oder Dreiwalzenstrassen vorzuziehen seien, wurde vielfach erörtert. Ein Trio hat in derselben Zeit eine grössere Pro- duktion. Kann es kontinuierlich betrieben werden, so ist es auch ökonomisch vorteilhafter, ist dies aber nicht der Fall, so veranlasst das Leerlaufen unnützen Dampfverbrauch und ist in diesem Falle der Betrieb mit Reversiermaschine vorzuziehen.
Die Produktion der Schienenwalzwerke erfuhr eine enorme Steige- rung durch die mechanische Bedienung, die besonders in den Ver- einigten Staaten von Nordamerika ausgebildet wurde 2). Das neue Schienenwalzwerk der Edgar Thomson-Stahlwerke walzte im Oktober 1894 36200 Tonnen Schienen und in einer 24stündigen Schicht 1945 Tonnen, dabei war die Produktion nur durch die Leistungs- fähigkeit des Stahlwerks beschränkt.
Welche Bedeutung und welchen Umfang der Bedarf an Eisen- bahnschienen für die Eisenindustrie erlangt hatte, wird man aus nach- folgenden Tabellen, in denen die Zunahme der Eisenbahnlinien der Erde von Anfang an, besonders aber seit 1876 zusammengestellt ist, erkennen.
1) Siehe Stahl und Eisen 1895, S. 179.
2) Die bekanntesten Beispiele dafür lieferten das neue Schienenwalzwerk der Edgar-Thomson-Stahlwerke, siehe Stahl u. Eisen 1897, S. 183, und das zu South Chicago, siehe Stahl u. Eisen 1898, S. 1023.
Eisenbahnschienen und -schwellen.
nehmenden Erfahrung: natürlich muſste auf Reinheit und Gleich- mäſsigkeit des Fluſseisens, dessen Phosphorgehalt 0,1 Prozent nicht übersteigen durfte, gesehen werden. Die deutschen Eisenbahnver- waltungen verlangten deshalb Probeabnahme von jeder Charge.
Seitdem durch Darbys Rückkohlungsprozeſs auch die Möglichkeit, dem Thomasfluſseisen eine beliebige gröſsere Härte zu erteilen, ge- geben war, lag kein Grund mehr vor, dasselbe als Schienenmaterial zu beanstanden. Dennoch geschah dies in Österreich-Ungarn bis 1895, wogegen sich Professor Tetmajer in einem vorzüglichen Gutachten 1) wendete. Er wies an zahlreichen Erfahrungen, besonders auch auf Schweizer Bahnen, die Vortrefflichkeit der Eisenbahnschienen aus Thomas-Fluſseisen nach. Als Durchschnittsgehalt derselben auf Schweizer Bahnen giebt er an: Kohlenstoff 0,263, Silicium 0,09, Mangan 0,762, Phosphor 0,073, Schwefel 0,043 Prozent. Die Grenzen der Zugfestigkeit und Dehnung betrugen im Mittel für erstere 57,9 bis 64,9 kg pro Quadratmillimeter, für letztere 22,9 bis 39,9 Prozent. Im Vergleich mit Bessemerstahlschienen zeigten die aus Thomasfluſs- eisen auffallend wenig Bruch im Betriebe.
Die Frage, ob für die Schienenfabrikation Zweiwalzenstraſsen mit Reversiermaschinen oder Dreiwalzenstraſsen vorzuziehen seien, wurde vielfach erörtert. Ein Trio hat in derselben Zeit eine gröſsere Pro- duktion. Kann es kontinuierlich betrieben werden, so ist es auch ökonomisch vorteilhafter, ist dies aber nicht der Fall, so veranlaſst das Leerlaufen unnützen Dampfverbrauch und ist in diesem Falle der Betrieb mit Reversiermaschine vorzuziehen.
Die Produktion der Schienenwalzwerke erfuhr eine enorme Steige- rung durch die mechanische Bedienung, die besonders in den Ver- einigten Staaten von Nordamerika ausgebildet wurde 2). Das neue Schienenwalzwerk der Edgar Thomson-Stahlwerke walzte im Oktober 1894 36200 Tonnen Schienen und in einer 24stündigen Schicht 1945 Tonnen, dabei war die Produktion nur durch die Leistungs- fähigkeit des Stahlwerks beschränkt.
Welche Bedeutung und welchen Umfang der Bedarf an Eisen- bahnschienen für die Eisenindustrie erlangt hatte, wird man aus nach- folgenden Tabellen, in denen die Zunahme der Eisenbahnlinien der Erde von Anfang an, besonders aber seit 1876 zusammengestellt ist, erkennen.
1) Siehe Stahl und Eisen 1895, S. 179.
2) Die bekanntesten Beispiele dafür lieferten das neue Schienenwalzwerk der Edgar-Thomson-Stahlwerke, siehe Stahl u. Eisen 1897, S. 183, und das zu South Chicago, siehe Stahl u. Eisen 1898, S. 1023.
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Eisenbahnschienen und -schwellen.
nehmenden Erfahrung: natürlich muſste auf Reinheit und Gleich-
mäſsigkeit des Fluſseisens, dessen Phosphorgehalt 0,1 Prozent nicht
übersteigen durfte, gesehen werden. Die deutschen Eisenbahnver-
waltungen verlangten deshalb Probeabnahme von jeder Charge.
Seitdem durch Darbys Rückkohlungsprozeſs auch die Möglichkeit,
dem Thomasfluſseisen eine beliebige gröſsere Härte zu erteilen, ge-
geben war, lag kein Grund mehr vor, dasselbe als Schienenmaterial
zu beanstanden. Dennoch geschah dies in Österreich-Ungarn bis 1895,
wogegen sich Professor Tetmajer in einem vorzüglichen Gutachten 1)
wendete. Er wies an zahlreichen Erfahrungen, besonders auch auf
Schweizer Bahnen, die Vortrefflichkeit der Eisenbahnschienen aus
Thomas-Fluſseisen nach. Als Durchschnittsgehalt derselben auf
Schweizer Bahnen giebt er an: Kohlenstoff 0,263, Silicium 0,09,
Mangan 0,762, Phosphor 0,073, Schwefel 0,043 Prozent. Die Grenzen
der Zugfestigkeit und Dehnung betrugen im Mittel für erstere 57,9
bis 64,9 kg pro Quadratmillimeter, für letztere 22,9 bis 39,9 Prozent.
Im Vergleich mit Bessemerstahlschienen zeigten die aus Thomasfluſs-
eisen auffallend wenig Bruch im Betriebe.
Die Frage, ob für die Schienenfabrikation Zweiwalzenstraſsen mit
Reversiermaschinen oder Dreiwalzenstraſsen vorzuziehen seien, wurde
vielfach erörtert. Ein Trio hat in derselben Zeit eine gröſsere Pro-
duktion. Kann es kontinuierlich betrieben werden, so ist es auch
ökonomisch vorteilhafter, ist dies aber nicht der Fall, so veranlaſst
das Leerlaufen unnützen Dampfverbrauch und ist in diesem Falle der
Betrieb mit Reversiermaschine vorzuziehen.
Die Produktion der Schienenwalzwerke erfuhr eine enorme Steige-
rung durch die mechanische Bedienung, die besonders in den Ver-
einigten Staaten von Nordamerika ausgebildet wurde 2). Das neue
Schienenwalzwerk der Edgar Thomson-Stahlwerke walzte im Oktober
1894 36200 Tonnen Schienen und in einer 24stündigen Schicht
1945 Tonnen, dabei war die Produktion nur durch die Leistungs-
fähigkeit des Stahlwerks beschränkt.
Welche Bedeutung und welchen Umfang der Bedarf an Eisen-
bahnschienen für die Eisenindustrie erlangt hatte, wird man aus nach-
folgenden Tabellen, in denen die Zunahme der Eisenbahnlinien der Erde
von Anfang an, besonders aber seit 1876 zusammengestellt ist, erkennen.
1) Siehe Stahl und Eisen 1895, S. 179.
2) Die bekanntesten Beispiele dafür lieferten das neue Schienenwalzwerk der
Edgar-Thomson-Stahlwerke, siehe Stahl u. Eisen 1897, S. 183, und das zu South
Chicago, siehe Stahl u. Eisen 1898, S. 1023.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 827. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/843>, abgerufen am 22.11.2024.
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