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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
Produktion von 70000 bis 100000 Pfund Roheisen in 24 Stunden
und machte eine Hüttenreise von 12 Jahren. Ein Patent, um das
Lürmann im März 1867 nachgesucht hatte, wurde ihm nach den damals
in Preussen herrschenden Grundsätzen nicht erteilt, weil an der an-
gegebenen Vorrichtung etwas Patentfähiges nicht zu finden sei, indem
niemand behindert werden könne, das bekannte Prinzip der Wasser-
kühlung auf irgend einen Teil des Ofens anzuwenden. Dies war der
damalige Standpunkt der preussischen Regierung gegenüber den
Erfindern! Hatte diese doch aus ähnlichen Gründen dem Bessemer-
prozess, einer der grössten Erfindungen dieses Jahrhunderts, die Patent-
fähigkeit verweigert. In allen übrigen Kulturstaaten wurde dagegen
Lürmanns Erfindung patentiert. In Amerika fand dieselbe rasch
Eingang, so dass bereits 1867 mehrere Hochöfen der Vereinigten
Staaten mit Lürmanns Schlackenform versehen wurden; so beispiels-
weise an dem Lehigh Crane Eisenwerk zu Catasaqua in Pennsyl-
vanien, wo sie sich sehr gut bewährte. Auch der preussische Staat
sah sich in seiner Eigenschaft als Eisenindustrieller veranlasst,
der Lürmannschen Erfindung besondere Beachtung zuzuwenden.
Es wurde eine königliche Kommission ernannt, welche die Vorteile
der Lürmannschen Schlackenform auf der Königshütte in Ober-
schlesien prüfte und in ihrem Gutachten vom 19. Dezember 1868
dieselben anerkannte. Infolgedessen wurde sie alsbald auf ver-
schiedenen königlichen und privaten Eisenhüttenwerken eingeführt
und überall traten Kohlenersparung, gleichmässigerer Ofengang
und erhöhte Produktion ein. Sie gestattete eine stärkere Wind-
pressung, da man nicht mehr befürchten musste, dass durch dieselbe
der Vorherd durchbrach, wie dies früher oft geschehen war. Weitere
Vorteile bestanden darin, dass die Schlacke nur bis zu einem gewissen
Punkt stieg, dass die Betriebsunterbrechungen durch das Aufbrechen
vermieden wurden, dass keine Abkühlung durch Abstellen des Windes
stattfand. Durch das Wegfallen des Wallsteins war der Abstich
leichter, da das Stichloch viel näher der Ofenmitte lag, die Arbeit
wurde vermindert, der Ofen weniger angegriffen, infolgedessen längere
Kampagnen möglich waren.

Die Einrichtung der Lürmannschen Schlackenform und der
damit verbundenen abgeänderten Ofenzustellung ist in Fig. 53 dar-
gestellt. Das Bild zeigt die Umwandlung des Vorherdes. Der Wall-
stein ist beseitigt, statt dessen ist unter dem Tümpeleisen A eine
starke, mit Wasser gekühlte Verschlussplatte C, an welcher sich das
Eisenabstichloch G befindet, aufgestellt.


Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb.
Produktion von 70000 bis 100000 Pfund Roheisen in 24 Stunden
und machte eine Hüttenreise von 12 Jahren. Ein Patent, um das
Lürmann im März 1867 nachgesucht hatte, wurde ihm nach den damals
in Preuſsen herrschenden Grundsätzen nicht erteilt, weil an der an-
gegebenen Vorrichtung etwas Patentfähiges nicht zu finden sei, indem
niemand behindert werden könne, das bekannte Prinzip der Wasser-
kühlung auf irgend einen Teil des Ofens anzuwenden. Dies war der
damalige Standpunkt der preuſsischen Regierung gegenüber den
Erfindern! Hatte diese doch aus ähnlichen Gründen dem Bessemer-
prozeſs, einer der gröſsten Erfindungen dieses Jahrhunderts, die Patent-
fähigkeit verweigert. In allen übrigen Kulturstaaten wurde dagegen
Lürmanns Erfindung patentiert. In Amerika fand dieselbe rasch
Eingang, so daſs bereits 1867 mehrere Hochöfen der Vereinigten
Staaten mit Lürmanns Schlackenform versehen wurden; so beispiels-
weise an dem Lehigh Crane Eisenwerk zu Catasaqua in Pennsyl-
vanien, wo sie sich sehr gut bewährte. Auch der preuſsische Staat
sah sich in seiner Eigenschaft als Eisenindustrieller veranlaſst,
der Lürmannschen Erfindung besondere Beachtung zuzuwenden.
Es wurde eine königliche Kommission ernannt, welche die Vorteile
der Lürmannschen Schlackenform auf der Königshütte in Ober-
schlesien prüfte und in ihrem Gutachten vom 19. Dezember 1868
dieselben anerkannte. Infolgedessen wurde sie alsbald auf ver-
schiedenen königlichen und privaten Eisenhüttenwerken eingeführt
und überall traten Kohlenersparung, gleichmäſsigerer Ofengang
und erhöhte Produktion ein. Sie gestattete eine stärkere Wind-
pressung, da man nicht mehr befürchten muſste, daſs durch dieselbe
der Vorherd durchbrach, wie dies früher oft geschehen war. Weitere
Vorteile bestanden darin, daſs die Schlacke nur bis zu einem gewissen
Punkt stieg, daſs die Betriebsunterbrechungen durch das Aufbrechen
vermieden wurden, daſs keine Abkühlung durch Abstellen des Windes
stattfand. Durch das Wegfallen des Wallsteins war der Abstich
leichter, da das Stichloch viel näher der Ofenmitte lag, die Arbeit
wurde vermindert, der Ofen weniger angegriffen, infolgedessen längere
Kampagnen möglich waren.

Die Einrichtung der Lürmannschen Schlackenform und der
damit verbundenen abgeänderten Ofenzustellung ist in Fig. 53 dar-
gestellt. Das Bild zeigt die Umwandlung des Vorherdes. Der Wall-
stein ist beseitigt, statt dessen ist unter dem Tümpeleisen A eine
starke, mit Wasser gekühlte Verschluſsplatte C, an welcher sich das
Eisenabstichloch G befindet, aufgestellt.


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[63/0079] Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. Produktion von 70000 bis 100000 Pfund Roheisen in 24 Stunden und machte eine Hüttenreise von 12 Jahren. Ein Patent, um das Lürmann im März 1867 nachgesucht hatte, wurde ihm nach den damals in Preuſsen herrschenden Grundsätzen nicht erteilt, weil an der an- gegebenen Vorrichtung etwas Patentfähiges nicht zu finden sei, indem niemand behindert werden könne, das bekannte Prinzip der Wasser- kühlung auf irgend einen Teil des Ofens anzuwenden. Dies war der damalige Standpunkt der preuſsischen Regierung gegenüber den Erfindern! Hatte diese doch aus ähnlichen Gründen dem Bessemer- prozeſs, einer der gröſsten Erfindungen dieses Jahrhunderts, die Patent- fähigkeit verweigert. In allen übrigen Kulturstaaten wurde dagegen Lürmanns Erfindung patentiert. In Amerika fand dieselbe rasch Eingang, so daſs bereits 1867 mehrere Hochöfen der Vereinigten Staaten mit Lürmanns Schlackenform versehen wurden; so beispiels- weise an dem Lehigh Crane Eisenwerk zu Catasaqua in Pennsyl- vanien, wo sie sich sehr gut bewährte. Auch der preuſsische Staat sah sich in seiner Eigenschaft als Eisenindustrieller veranlaſst, der Lürmannschen Erfindung besondere Beachtung zuzuwenden. Es wurde eine königliche Kommission ernannt, welche die Vorteile der Lürmannschen Schlackenform auf der Königshütte in Ober- schlesien prüfte und in ihrem Gutachten vom 19. Dezember 1868 dieselben anerkannte. Infolgedessen wurde sie alsbald auf ver- schiedenen königlichen und privaten Eisenhüttenwerken eingeführt und überall traten Kohlenersparung, gleichmäſsigerer Ofengang und erhöhte Produktion ein. Sie gestattete eine stärkere Wind- pressung, da man nicht mehr befürchten muſste, daſs durch dieselbe der Vorherd durchbrach, wie dies früher oft geschehen war. Weitere Vorteile bestanden darin, daſs die Schlacke nur bis zu einem gewissen Punkt stieg, daſs die Betriebsunterbrechungen durch das Aufbrechen vermieden wurden, daſs keine Abkühlung durch Abstellen des Windes stattfand. Durch das Wegfallen des Wallsteins war der Abstich leichter, da das Stichloch viel näher der Ofenmitte lag, die Arbeit wurde vermindert, der Ofen weniger angegriffen, infolgedessen längere Kampagnen möglich waren. Die Einrichtung der Lürmannschen Schlackenform und der damit verbundenen abgeänderten Ofenzustellung ist in Fig. 53 dar- gestellt. Das Bild zeigt die Umwandlung des Vorherdes. Der Wall- stein ist beseitigt, statt dessen ist unter dem Tümpeleisen A eine starke, mit Wasser gekühlte Verschluſsplatte C, an welcher sich das Eisenabstichloch G befindet, aufgestellt.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/79>, abgerufen am 25.04.2024.