Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

Bild:
<< vorherige Seite

Cement- und Tiegelgussstahl.
Eisenindustrie günstiger geworden. Seit 1887 mehrten sich denn auch
die Versuche der Darstellung von Nickelstahl im grossen.

John Fr. Hall zu Newbury stellte 1888 nach seinem Patent
(Engl. Pat. Nr. 3410 vom 6. März 1888) Nickelstahl mit angeblich 2,5
bis 50 Prozent Nickelgehalt dar. Von grösserer Wichtigkeit war das
Patent von Henri Schneider zu le Creuzot in demselben Jahre
(Engl. Pat. 1888, Nr. 14150) für Darstellung von Nickelstahl im
Martinofen. Hiernach schmolz er ein Gemenge von 36 Tln. Nickel,
36 Tln. Stahl, 3 Tln. Kohlenstoff und 2 Tln. Mangan, welches
zur Verhinderung der Oxydation mit Anthrazit überdeckt wurde,
auf dem Herd eines Flammofens und setzte nach dem Einschmelzen
der Mischung Eisen und Stahl nach Bedarf zu. Der Stahl floss ruhig
und die gegossenen Blöcke waren sauber und glatt. Haupterfordernis
war die Reinheit des verwendeten Nickels.

Die allgemeine Aufmerksamkeit wurde besonders von James Riley
zu Glasgow auf den Nickelstahl gelenkt durch einen vortrefflichen Vor-
trag über die Nickeleisenlegierungen auf dem Frühjahrsmeeting des
Iron and Steel Institute 1889. Er hob hervor, dass sich Nickelstahl
bei genügender Hitze ebensowohl im Martinofen als im Tiegelschmelz-
ofen darstellen lasse, dass die geschmolzene Legierung dünnflüssiger
sei als reiner Stahl und sich gut giessen lasse. Die Legierung mit
Nickel erfolge leicht in jedem beliebigen Verhältnis. Ein Zusatz von
4,7 Prozent Nickel erhöhe die Elasticitätsgrenze von 24,8 auf 38,8 kg,
die Bruchgrenze von 46 auf 62,1 kg pro Quadratmillimeter, ohne die
Dehnung und Kontraktion erheblich zu beeinflussen. Mit steigendem
Nickelgehalt bis 20 Prozent nehme die Härte zu und zeige bei diesem
Gehalt ein sehr hohes Maximum; darüber hinaus werden die Eisen-
Nickellegierungen wieder weicher. Ein Nickelstahl mit 25 Prozent
Nickel zeige viele besondere und beachtenswerte Eigenschaften, er
sei sehr dehnbar und fest und leide wenig unter dem Einfluss der
Atmosphärilien.

Wegen des hohen Preises des Nickels waren aber vorläufig für
die Praxis nur die Legierungen bis zu etwa 5 Prozent von Wichtig-
keit, welche auch schon hervorragende Eigenschaften in Bezug auf
Härte, Widerstandsfähigkeit und Haltbarkeit in der Atmosphäre und
im Seewasser zeigen. Verwendung fand der Nickelstahl zunächst
ausschliesslich für Kriegsmaterial, so z. B. in Creusot für Panzer-
platten, Kanonen und Gewehrläufe. Zu diesem Zweck fand der Nickel-
stahl auch in England, Amerika und Deutschland Verwendung. In
den Vereinigten Staaten wurden 1891 auf den Homestead-Steel-

Cement- und Tiegelguſsstahl.
Eisenindustrie günstiger geworden. Seit 1887 mehrten sich denn auch
die Versuche der Darstellung von Nickelstahl im groſsen.

John Fr. Hall zu Newbury stellte 1888 nach seinem Patent
(Engl. Pat. Nr. 3410 vom 6. März 1888) Nickelstahl mit angeblich 2,5
bis 50 Prozent Nickelgehalt dar. Von gröſserer Wichtigkeit war das
Patent von Henri Schneider zu le Creuzot in demselben Jahre
(Engl. Pat. 1888, Nr. 14150) für Darstellung von Nickelstahl im
Martinofen. Hiernach schmolz er ein Gemenge von 36 Tln. Nickel,
36 Tln. Stahl, 3 Tln. Kohlenstoff und 2 Tln. Mangan, welches
zur Verhinderung der Oxydation mit Anthrazit überdeckt wurde,
auf dem Herd eines Flammofens und setzte nach dem Einschmelzen
der Mischung Eisen und Stahl nach Bedarf zu. Der Stahl floſs ruhig
und die gegossenen Blöcke waren sauber und glatt. Haupterfordernis
war die Reinheit des verwendeten Nickels.

Die allgemeine Aufmerksamkeit wurde besonders von James Riley
zu Glasgow auf den Nickelstahl gelenkt durch einen vortrefflichen Vor-
trag über die Nickeleisenlegierungen auf dem Frühjahrsmeeting des
Iron and Steel Institute 1889. Er hob hervor, daſs sich Nickelstahl
bei genügender Hitze ebensowohl im Martinofen als im Tiegelschmelz-
ofen darstellen lasse, daſs die geschmolzene Legierung dünnflüssiger
sei als reiner Stahl und sich gut gieſsen lasse. Die Legierung mit
Nickel erfolge leicht in jedem beliebigen Verhältnis. Ein Zusatz von
4,7 Prozent Nickel erhöhe die Elasticitätsgrenze von 24,8 auf 38,8 kg,
die Bruchgrenze von 46 auf 62,1 kg pro Quadratmillimeter, ohne die
Dehnung und Kontraktion erheblich zu beeinflussen. Mit steigendem
Nickelgehalt bis 20 Prozent nehme die Härte zu und zeige bei diesem
Gehalt ein sehr hohes Maximum; darüber hinaus werden die Eisen-
Nickellegierungen wieder weicher. Ein Nickelstahl mit 25 Prozent
Nickel zeige viele besondere und beachtenswerte Eigenschaften, er
sei sehr dehnbar und fest und leide wenig unter dem Einfluſs der
Atmosphärilien.

Wegen des hohen Preises des Nickels waren aber vorläufig für
die Praxis nur die Legierungen bis zu etwa 5 Prozent von Wichtig-
keit, welche auch schon hervorragende Eigenschaften in Bezug auf
Härte, Widerstandsfähigkeit und Haltbarkeit in der Atmosphäre und
im Seewasser zeigen. Verwendung fand der Nickelstahl zunächst
ausschlieſslich für Kriegsmaterial, so z. B. in Creusot für Panzer-
platten, Kanonen und Gewehrläufe. Zu diesem Zweck fand der Nickel-
stahl auch in England, Amerika und Deutschland Verwendung. In
den Vereinigten Staaten wurden 1891 auf den Homestead-Steel-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0762" n="746"/><fw place="top" type="header">Cement- und Tiegelgu&#x017F;sstahl.</fw><lb/>
Eisenindustrie günstiger geworden. Seit 1887 mehrten sich denn auch<lb/>
die Versuche der Darstellung von Nickelstahl im gro&#x017F;sen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#g">John Fr. Hall</hi> zu Newbury stellte 1888 nach seinem Patent<lb/>
(Engl. Pat. Nr. 3410 vom 6. März 1888) Nickelstahl mit angeblich 2,5<lb/>
bis 50 Prozent Nickelgehalt dar. Von grö&#x017F;serer Wichtigkeit war das<lb/>
Patent von <hi rendition="#g">Henri Schneider</hi> zu le Creuzot in demselben Jahre<lb/>
(Engl. Pat. 1888, Nr. 14150) für Darstellung von Nickelstahl im<lb/>
Martinofen. Hiernach schmolz er ein Gemenge von 36 Tln. Nickel,<lb/>
36 Tln. Stahl, 3 Tln. Kohlenstoff und 2 Tln. Mangan, welches<lb/>
zur Verhinderung der Oxydation mit Anthrazit überdeckt wurde,<lb/>
auf dem Herd eines Flammofens und setzte nach dem Einschmelzen<lb/>
der Mischung Eisen und Stahl nach Bedarf zu. Der Stahl flo&#x017F;s ruhig<lb/>
und die gegossenen Blöcke waren sauber und glatt. Haupterfordernis<lb/>
war die Reinheit des verwendeten Nickels.</p><lb/>
          <p>Die allgemeine Aufmerksamkeit wurde besonders von <hi rendition="#g">James Riley</hi><lb/>
zu Glasgow auf den Nickelstahl gelenkt durch einen vortrefflichen Vor-<lb/>
trag über die Nickeleisenlegierungen auf dem Frühjahrsmeeting des<lb/>
Iron and Steel Institute 1889. Er hob hervor, da&#x017F;s sich Nickelstahl<lb/>
bei genügender Hitze ebensowohl im Martinofen als im Tiegelschmelz-<lb/>
ofen darstellen lasse, da&#x017F;s die geschmolzene Legierung dünnflüssiger<lb/>
sei als reiner Stahl und sich gut gie&#x017F;sen lasse. Die Legierung mit<lb/>
Nickel erfolge leicht in jedem beliebigen Verhältnis. Ein Zusatz von<lb/>
4,7 Prozent Nickel erhöhe die Elasticitätsgrenze von 24,8 auf 38,8 kg,<lb/>
die Bruchgrenze von 46 auf 62,1 kg pro Quadratmillimeter, ohne die<lb/>
Dehnung und Kontraktion erheblich zu beeinflussen. Mit steigendem<lb/>
Nickelgehalt bis 20 Prozent nehme die Härte zu und zeige bei diesem<lb/>
Gehalt ein sehr hohes Maximum; darüber hinaus werden die Eisen-<lb/>
Nickellegierungen wieder weicher. Ein Nickelstahl mit 25 Prozent<lb/>
Nickel zeige viele besondere und beachtenswerte Eigenschaften, er<lb/>
sei sehr dehnbar und fest und leide wenig unter dem Einflu&#x017F;s der<lb/>
Atmosphärilien.</p><lb/>
          <p>Wegen des hohen Preises des Nickels waren aber vorläufig für<lb/>
die Praxis nur die Legierungen bis zu etwa 5 Prozent von Wichtig-<lb/>
keit, welche auch schon hervorragende Eigenschaften in Bezug auf<lb/>
Härte, Widerstandsfähigkeit und Haltbarkeit in der Atmosphäre und<lb/>
im Seewasser zeigen. Verwendung fand der Nickelstahl zunächst<lb/>
ausschlie&#x017F;slich für Kriegsmaterial, so z. B. in Creusot für Panzer-<lb/>
platten, Kanonen und Gewehrläufe. Zu diesem Zweck fand der Nickel-<lb/>
stahl auch in England, Amerika und Deutschland Verwendung. In<lb/>
den Vereinigten Staaten wurden 1891 auf den Homestead-Steel-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[746/0762] Cement- und Tiegelguſsstahl. Eisenindustrie günstiger geworden. Seit 1887 mehrten sich denn auch die Versuche der Darstellung von Nickelstahl im groſsen. John Fr. Hall zu Newbury stellte 1888 nach seinem Patent (Engl. Pat. Nr. 3410 vom 6. März 1888) Nickelstahl mit angeblich 2,5 bis 50 Prozent Nickelgehalt dar. Von gröſserer Wichtigkeit war das Patent von Henri Schneider zu le Creuzot in demselben Jahre (Engl. Pat. 1888, Nr. 14150) für Darstellung von Nickelstahl im Martinofen. Hiernach schmolz er ein Gemenge von 36 Tln. Nickel, 36 Tln. Stahl, 3 Tln. Kohlenstoff und 2 Tln. Mangan, welches zur Verhinderung der Oxydation mit Anthrazit überdeckt wurde, auf dem Herd eines Flammofens und setzte nach dem Einschmelzen der Mischung Eisen und Stahl nach Bedarf zu. Der Stahl floſs ruhig und die gegossenen Blöcke waren sauber und glatt. Haupterfordernis war die Reinheit des verwendeten Nickels. Die allgemeine Aufmerksamkeit wurde besonders von James Riley zu Glasgow auf den Nickelstahl gelenkt durch einen vortrefflichen Vor- trag über die Nickeleisenlegierungen auf dem Frühjahrsmeeting des Iron and Steel Institute 1889. Er hob hervor, daſs sich Nickelstahl bei genügender Hitze ebensowohl im Martinofen als im Tiegelschmelz- ofen darstellen lasse, daſs die geschmolzene Legierung dünnflüssiger sei als reiner Stahl und sich gut gieſsen lasse. Die Legierung mit Nickel erfolge leicht in jedem beliebigen Verhältnis. Ein Zusatz von 4,7 Prozent Nickel erhöhe die Elasticitätsgrenze von 24,8 auf 38,8 kg, die Bruchgrenze von 46 auf 62,1 kg pro Quadratmillimeter, ohne die Dehnung und Kontraktion erheblich zu beeinflussen. Mit steigendem Nickelgehalt bis 20 Prozent nehme die Härte zu und zeige bei diesem Gehalt ein sehr hohes Maximum; darüber hinaus werden die Eisen- Nickellegierungen wieder weicher. Ein Nickelstahl mit 25 Prozent Nickel zeige viele besondere und beachtenswerte Eigenschaften, er sei sehr dehnbar und fest und leide wenig unter dem Einfluſs der Atmosphärilien. Wegen des hohen Preises des Nickels waren aber vorläufig für die Praxis nur die Legierungen bis zu etwa 5 Prozent von Wichtig- keit, welche auch schon hervorragende Eigenschaften in Bezug auf Härte, Widerstandsfähigkeit und Haltbarkeit in der Atmosphäre und im Seewasser zeigen. Verwendung fand der Nickelstahl zunächst ausschlieſslich für Kriegsmaterial, so z. B. in Creusot für Panzer- platten, Kanonen und Gewehrläufe. Zu diesem Zweck fand der Nickel- stahl auch in England, Amerika und Deutschland Verwendung. In den Vereinigten Staaten wurden 1891 auf den Homestead-Steel-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/762
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 746. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/762>, abgerufen am 23.11.2024.