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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Die direkte Eisengewinnung.
60 Centner-Hämmern von Schlacke befreit zu Blöcken (blooms) ver-
schmiedet wurden. So konnte man in jedem Ofen in 24 Stunden drei
Chargen machen. Das Ausbringen aus den Erzen, die 50 bis 60 Prozent
Eisen enthielten, betrug 43 bis 46 Prozent; etwa ein Drittel des Eisens
ging in die Schlacken. Der Kohlenaufwand betrug 3,25 Tonnen auf
eine Tonne Blöcke. Diese wurden mit dem doppelten Gewicht von
Roheisen und Abfalleisen im Siemens-Stahlschmelzofen verschmolzen.
1883 befand sich das Werk in regelmässigem Betriebe.

Der chemische Zweck des Prozesses, ein von Phosphor möglichst
freies Eisen zu erhalten, wurde vollständig erreicht, ein ökonomischer
Erfolg gegenüber dem indirekten Betriebe aber nicht erzielt. Das
Produkt war zu teuer, der Schmelzverlust zu gross. Gegenüber dem
neuerfundenen Thomasverfahren konnte sich deshalb Siemens'
Niederschlagsarbeit nicht behaupten. 1882 liess Professor Sarnström
zu Nyhamma und Söderfors in Schweden Versuche mit diesem Ver-
fahren machen, jedoch ohne nachhaltigen Erfolg. 1886 war der Erz-
prozess in Amerika nur noch in Midvale im Betriebe. Die Amerikaner
verwarfen das Verfahren schon aus dem Grunde, weil es ihnen zu
langsam ging.

Friedrich Siemens suchte den Prozess in der Richtung abzu-
ändern, dass er anstatt der Luppen sofort flüssiges Eisen aus den
Erzen in einem Flammofen bei grosser Hitze schmelzen wollte. In
seinem Patent (D. R. P. Nr. 32309) vom 28. November 1884 lautet
sein Anspruch auf "die Herstellung von Flusseisen durch direktes
Einschmelzen eines fein pulverisierten Gemisches von Eisenerz, Zu-
schlägen und Kohlen in einem Flammofen mit Wärmespeichern unter
Einwirkung einer sehr hohen Temperatur, dass die Reduktion des
Erzes, die Abscheidung der Schlacken und die Ansammlung des
gebildeten flüssigen Eisens nach dem specifischen Gewicht vor sich
gehen kann". Hier liegt die Neuheit nicht in der Idee des Schmelz-
verfahrens -- denn ganz ähnliche Vorschläge hatten schon F. F. Jones
1873 in England und Fr. Lang und J. von Ehrenwerth 1875 in
Österreich gemacht --, sondern in dem dafür angewendeten Mittel,
dem Flammofen, der durch rasche Steigerung der Hitze bis zu
ausserordentlicher Höhe eine beschleunigte Reduktion und Schmelzung
des reducierten Eisens ermöglichen soll. Auf die geistreich erdachten
Flammöfen beziehen sich denn auch die weiteren Patente von 1886,
1890 und 1891 (D. R. P. Nr. 37105, 59930, 62904). Der Flammofen
ist durch einen wagerechten, ringsumlaufenden, offenen Schlitz in eine
obere und eine untere Abteilung zerlegt, der geschlossen werden kann

Die direkte Eisengewinnung.
60 Centner-Hämmern von Schlacke befreit zu Blöcken (blooms) ver-
schmiedet wurden. So konnte man in jedem Ofen in 24 Stunden drei
Chargen machen. Das Ausbringen aus den Erzen, die 50 bis 60 Prozent
Eisen enthielten, betrug 43 bis 46 Prozent; etwa ein Drittel des Eisens
ging in die Schlacken. Der Kohlenaufwand betrug 3,25 Tonnen auf
eine Tonne Blöcke. Diese wurden mit dem doppelten Gewicht von
Roheisen und Abfalleisen im Siemens-Stahlschmelzofen verschmolzen.
1883 befand sich das Werk in regelmäſsigem Betriebe.

Der chemische Zweck des Prozesses, ein von Phosphor möglichst
freies Eisen zu erhalten, wurde vollständig erreicht, ein ökonomischer
Erfolg gegenüber dem indirekten Betriebe aber nicht erzielt. Das
Produkt war zu teuer, der Schmelzverlust zu groſs. Gegenüber dem
neuerfundenen Thomasverfahren konnte sich deshalb Siemens’
Niederschlagsarbeit nicht behaupten. 1882 lieſs Professor Sarnström
zu Nyhamma und Söderfors in Schweden Versuche mit diesem Ver-
fahren machen, jedoch ohne nachhaltigen Erfolg. 1886 war der Erz-
prozeſs in Amerika nur noch in Midvale im Betriebe. Die Amerikaner
verwarfen das Verfahren schon aus dem Grunde, weil es ihnen zu
langsam ging.

Friedrich Siemens suchte den Prozeſs in der Richtung abzu-
ändern, daſs er anstatt der Luppen sofort flüssiges Eisen aus den
Erzen in einem Flammofen bei groſser Hitze schmelzen wollte. In
seinem Patent (D. R. P. Nr. 32309) vom 28. November 1884 lautet
sein Anspruch auf „die Herstellung von Fluſseisen durch direktes
Einschmelzen eines fein pulverisierten Gemisches von Eisenerz, Zu-
schlägen und Kohlen in einem Flammofen mit Wärmespeichern unter
Einwirkung einer sehr hohen Temperatur, daſs die Reduktion des
Erzes, die Abscheidung der Schlacken und die Ansammlung des
gebildeten flüssigen Eisens nach dem specifischen Gewicht vor sich
gehen kann“. Hier liegt die Neuheit nicht in der Idee des Schmelz-
verfahrens — denn ganz ähnliche Vorschläge hatten schon F. F. Jones
1873 in England und Fr. Lang und J. von Ehrenwerth 1875 in
Österreich gemacht —, sondern in dem dafür angewendeten Mittel,
dem Flammofen, der durch rasche Steigerung der Hitze bis zu
auſserordentlicher Höhe eine beschleunigte Reduktion und Schmelzung
des reducierten Eisens ermöglichen soll. Auf die geistreich erdachten
Flammöfen beziehen sich denn auch die weiteren Patente von 1886,
1890 und 1891 (D. R. P. Nr. 37105, 59930, 62904). Der Flammofen
ist durch einen wagerechten, ringsumlaufenden, offenen Schlitz in eine
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[569/0585] Die direkte Eisengewinnung. 60 Centner-Hämmern von Schlacke befreit zu Blöcken (blooms) ver- schmiedet wurden. So konnte man in jedem Ofen in 24 Stunden drei Chargen machen. Das Ausbringen aus den Erzen, die 50 bis 60 Prozent Eisen enthielten, betrug 43 bis 46 Prozent; etwa ein Drittel des Eisens ging in die Schlacken. Der Kohlenaufwand betrug 3,25 Tonnen auf eine Tonne Blöcke. Diese wurden mit dem doppelten Gewicht von Roheisen und Abfalleisen im Siemens-Stahlschmelzofen verschmolzen. 1883 befand sich das Werk in regelmäſsigem Betriebe. Der chemische Zweck des Prozesses, ein von Phosphor möglichst freies Eisen zu erhalten, wurde vollständig erreicht, ein ökonomischer Erfolg gegenüber dem indirekten Betriebe aber nicht erzielt. Das Produkt war zu teuer, der Schmelzverlust zu groſs. Gegenüber dem neuerfundenen Thomasverfahren konnte sich deshalb Siemens’ Niederschlagsarbeit nicht behaupten. 1882 lieſs Professor Sarnström zu Nyhamma und Söderfors in Schweden Versuche mit diesem Ver- fahren machen, jedoch ohne nachhaltigen Erfolg. 1886 war der Erz- prozeſs in Amerika nur noch in Midvale im Betriebe. Die Amerikaner verwarfen das Verfahren schon aus dem Grunde, weil es ihnen zu langsam ging. Friedrich Siemens suchte den Prozeſs in der Richtung abzu- ändern, daſs er anstatt der Luppen sofort flüssiges Eisen aus den Erzen in einem Flammofen bei groſser Hitze schmelzen wollte. In seinem Patent (D. R. P. Nr. 32309) vom 28. November 1884 lautet sein Anspruch auf „die Herstellung von Fluſseisen durch direktes Einschmelzen eines fein pulverisierten Gemisches von Eisenerz, Zu- schlägen und Kohlen in einem Flammofen mit Wärmespeichern unter Einwirkung einer sehr hohen Temperatur, daſs die Reduktion des Erzes, die Abscheidung der Schlacken und die Ansammlung des gebildeten flüssigen Eisens nach dem specifischen Gewicht vor sich gehen kann“. Hier liegt die Neuheit nicht in der Idee des Schmelz- verfahrens — denn ganz ähnliche Vorschläge hatten schon F. F. Jones 1873 in England und Fr. Lang und J. von Ehrenwerth 1875 in Österreich gemacht —, sondern in dem dafür angewendeten Mittel, dem Flammofen, der durch rasche Steigerung der Hitze bis zu auſserordentlicher Höhe eine beschleunigte Reduktion und Schmelzung des reducierten Eisens ermöglichen soll. Auf die geistreich erdachten Flammöfen beziehen sich denn auch die weiteren Patente von 1886, 1890 und 1891 (D. R. P. Nr. 37105, 59930, 62904). Der Flammofen ist durch einen wagerechten, ringsumlaufenden, offenen Schlitz in eine obere und eine untere Abteilung zerlegt, der geschlossen werden kann

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 569. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/585>, abgerufen am 18.05.2024.