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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Die direkte Eisengewinnung.
in das Innere eintretenden Gas- und Luftströme. Nach 2 Stunden
war die ganze Masse in Rotglut, aber noch trocken, nach 21/2 Stunden
wurde sie klebrig und flüssige Schlacke fing an sich abzuscheiden,
nach 31/2 Stunden begann die Luppenbildung bei flüssiger Schlacke.
Nun liess man den Ofen sich rascher umdrehen, stach bald darauf
Schlacke ab, was nach 1/4 Stunde wiederholt wurde. Hierauf
unterbrach man die Bewegung zeitweilig, um eine Luppe fertig zu
machen und herauszunehmen. Die erste erfolgte nach 4 Stunden
8 Minuten, die letzte nach 41/2 Stunden. Die Luppen wurden
unter dem Hammer gezängt, doch gelang die Entfernung der ein-
geschlossenen Schlacke nur unvollkommen. Sie kamen alsdann in
einen Siemens-Gas-Schweissofen von 12 Fuss Länge und 6 Fuss Breite,
worin sie unter Umwälzen geschweisst wurden. Die überschmiedeten
Blöcke gelangten hierauf zum zweitenmal in den Schweissofen und
wurden als "reheated blooms" zu Stürzen für Schwarzblech ausgewalzt.
Eine Charge ergab 51/2 Centner weiches, körniges Eisen, das in
Prozenten 99,71 Eisen, 0,12 gebundenen Kohlenstoff, 0,065 Silicium,
Spuren von Mangan, 0,0275 Schwefel und 0,074 Phosphor enthielt.
Der meiste Phosphor wurde mit den ersten Schlacken entfernt.

Tunner und James Davis 1) äusserten sich sehr günstig über
das Verfahren in Towcester 2), dessen Erfolg auch Veranlassung gab,
dass dasselbe in den Vereinigten Staaten von Nordamerika eingeführt
wurde. Den ersten, wenn auch erfolglosen Versuch machten dort
Park, Brothers & Co. in Pittsburg 1878. Im Jahre 1880 begann
R. W. Anderson, der 1868 auch den ersten Regenerativofen in
Amerika eingeführt hatte, den Prozess aufzunehmen und zu Tyrone
bei Altona (Pa.) in Verbindung mit W. Siemens die ersten Versuchs-
schmelzen auszuführen. Der gute Erfolg derselben führte 1881 zur
Gründung der Gesellschaft Siemens, Anderson & Co. und zur Er-
bauung eines grossen Werkes 3) mit vier Drehöfen bei Pittsburg. Die
Drehöfen von 12 Fuss Länge und 11 Fuss Weite waren aus einzölligem
Blech mit einem 41/2 Zoll dicken Futter hergestellt. Zu jedem Rotator
gehörten zwei Gasgeneratoren, 21 Fuss hoch, 20 Fuss lang und 71/2 Fuss
breit. Jede Charge bestand aus 5000 Pfund Erz, etwa 400 Pfund
Kalkstein und 1200 bis 1600 Pfund Steinkohlen. Der Prozess dauerte
8 Stunden. Man machte Luppen von 200 Pfund Gewicht, die unter

1) Siehe Engineering and Mining Journ. 35, p. 5.
2) Beschreibung von Siemens' Verfahren zu Landore und Towcester siehe
Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1883, S. 161.
3) Siehe Stahl u. Eisen 1883, S. 254; Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1882, S. 508.

Die direkte Eisengewinnung.
in das Innere eintretenden Gas- und Luftströme. Nach 2 Stunden
war die ganze Masse in Rotglut, aber noch trocken, nach 2½ Stunden
wurde sie klebrig und flüssige Schlacke fing an sich abzuscheiden,
nach 3½ Stunden begann die Luppenbildung bei flüssiger Schlacke.
Nun lieſs man den Ofen sich rascher umdrehen, stach bald darauf
Schlacke ab, was nach ¼ Stunde wiederholt wurde. Hierauf
unterbrach man die Bewegung zeitweilig, um eine Luppe fertig zu
machen und herauszunehmen. Die erste erfolgte nach 4 Stunden
8 Minuten, die letzte nach 4½ Stunden. Die Luppen wurden
unter dem Hammer gezängt, doch gelang die Entfernung der ein-
geschlossenen Schlacke nur unvollkommen. Sie kamen alsdann in
einen Siemens-Gas-Schweiſsofen von 12 Fuſs Länge und 6 Fuſs Breite,
worin sie unter Umwälzen geschweiſst wurden. Die überschmiedeten
Blöcke gelangten hierauf zum zweitenmal in den Schweiſsofen und
wurden als „reheated blooms“ zu Stürzen für Schwarzblech ausgewalzt.
Eine Charge ergab 5½ Centner weiches, körniges Eisen, das in
Prozenten 99,71 Eisen, 0,12 gebundenen Kohlenstoff, 0,065 Silicium,
Spuren von Mangan, 0,0275 Schwefel und 0,074 Phosphor enthielt.
Der meiste Phosphor wurde mit den ersten Schlacken entfernt.

Tunner und James Davis 1) äuſserten sich sehr günstig über
das Verfahren in Towcester 2), dessen Erfolg auch Veranlassung gab,
daſs dasselbe in den Vereinigten Staaten von Nordamerika eingeführt
wurde. Den ersten, wenn auch erfolglosen Versuch machten dort
Park, Brothers & Co. in Pittsburg 1878. Im Jahre 1880 begann
R. W. Anderson, der 1868 auch den ersten Regenerativofen in
Amerika eingeführt hatte, den Prozeſs aufzunehmen und zu Tyrone
bei Altona (Pa.) in Verbindung mit W. Siemens die ersten Versuchs-
schmelzen auszuführen. Der gute Erfolg derselben führte 1881 zur
Gründung der Gesellschaft Siemens, Anderson & Co. und zur Er-
bauung eines groſsen Werkes 3) mit vier Drehöfen bei Pittsburg. Die
Drehöfen von 12 Fuſs Länge und 11 Fuſs Weite waren aus einzölligem
Blech mit einem 4½ Zoll dicken Futter hergestellt. Zu jedem Rotator
gehörten zwei Gasgeneratoren, 21 Fuſs hoch, 20 Fuſs lang und 7½ Fuſs
breit. Jede Charge bestand aus 5000 Pfund Erz, etwa 400 Pfund
Kalkstein und 1200 bis 1600 Pfund Steinkohlen. Der Prozeſs dauerte
8 Stunden. Man machte Luppen von 200 Pfund Gewicht, die unter

1) Siehe Engineering and Mining Journ. 35, p. 5.
2) Beschreibung von Siemens’ Verfahren zu Landore und Towcester siehe
Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1883, S. 161.
3) Siehe Stahl u. Eisen 1883, S. 254; Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1882, S. 508.
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[568/0584] Die direkte Eisengewinnung. in das Innere eintretenden Gas- und Luftströme. Nach 2 Stunden war die ganze Masse in Rotglut, aber noch trocken, nach 2½ Stunden wurde sie klebrig und flüssige Schlacke fing an sich abzuscheiden, nach 3½ Stunden begann die Luppenbildung bei flüssiger Schlacke. Nun lieſs man den Ofen sich rascher umdrehen, stach bald darauf Schlacke ab, was nach ¼ Stunde wiederholt wurde. Hierauf unterbrach man die Bewegung zeitweilig, um eine Luppe fertig zu machen und herauszunehmen. Die erste erfolgte nach 4 Stunden 8 Minuten, die letzte nach 4½ Stunden. Die Luppen wurden unter dem Hammer gezängt, doch gelang die Entfernung der ein- geschlossenen Schlacke nur unvollkommen. Sie kamen alsdann in einen Siemens-Gas-Schweiſsofen von 12 Fuſs Länge und 6 Fuſs Breite, worin sie unter Umwälzen geschweiſst wurden. Die überschmiedeten Blöcke gelangten hierauf zum zweitenmal in den Schweiſsofen und wurden als „reheated blooms“ zu Stürzen für Schwarzblech ausgewalzt. Eine Charge ergab 5½ Centner weiches, körniges Eisen, das in Prozenten 99,71 Eisen, 0,12 gebundenen Kohlenstoff, 0,065 Silicium, Spuren von Mangan, 0,0275 Schwefel und 0,074 Phosphor enthielt. Der meiste Phosphor wurde mit den ersten Schlacken entfernt. Tunner und James Davis 1) äuſserten sich sehr günstig über das Verfahren in Towcester 2), dessen Erfolg auch Veranlassung gab, daſs dasselbe in den Vereinigten Staaten von Nordamerika eingeführt wurde. Den ersten, wenn auch erfolglosen Versuch machten dort Park, Brothers & Co. in Pittsburg 1878. Im Jahre 1880 begann R. W. Anderson, der 1868 auch den ersten Regenerativofen in Amerika eingeführt hatte, den Prozeſs aufzunehmen und zu Tyrone bei Altona (Pa.) in Verbindung mit W. Siemens die ersten Versuchs- schmelzen auszuführen. Der gute Erfolg derselben führte 1881 zur Gründung der Gesellschaft Siemens, Anderson & Co. und zur Er- bauung eines groſsen Werkes 3) mit vier Drehöfen bei Pittsburg. Die Drehöfen von 12 Fuſs Länge und 11 Fuſs Weite waren aus einzölligem Blech mit einem 4½ Zoll dicken Futter hergestellt. Zu jedem Rotator gehörten zwei Gasgeneratoren, 21 Fuſs hoch, 20 Fuſs lang und 7½ Fuſs breit. Jede Charge bestand aus 5000 Pfund Erz, etwa 400 Pfund Kalkstein und 1200 bis 1600 Pfund Steinkohlen. Der Prozeſs dauerte 8 Stunden. Man machte Luppen von 200 Pfund Gewicht, die unter 1) Siehe Engineering and Mining Journ. 35, p. 5. 2) Beschreibung von Siemens’ Verfahren zu Landore und Towcester siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1883, S. 161. 3) Siehe Stahl u. Eisen 1883, S. 254; Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1882, S. 508.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 568. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/584>, abgerufen am 06.07.2024.