Nach Versuchen, welche T. E. Vickers1) 1861 veröffentlichte, nimmt die Festigkeit von Stahl gegen das Zerreissen mit dem Kohlen- stoffgehalt von 1/3 bis 11/4 Prozent ab, die gegen das Zerdrücken zu.
Barlow2) machte 1862 die Resultate seiner Festigkeitsversuche von Puddelstahl, Homogeneisen und Stabeisen, welche er im Arsenal zu Woolwich angestellt hatte, bekannt. Weitere Angaben über die Festigkeit englischer Eisensorten veröffentlichte Bell3).
Versuche, die 1864 zu Hörde gemacht wurden, ergaben für Hörder Bessemerstahl ein Zerreissungsgewicht von 87 kg auf den Quadrat- millimeter. Für andere Stahlsorten schwankte dieses Gewicht von 75 bis 100 kg. Für Schmiedeeisen betrug es nur etwa die Hälfte, für Roheisen 9 bis 10 kg. -- In demselben Jahre wurden die Ergebnisse von Festigkeitsversuchen von Neuberg und Reschitza veröffentlicht 4).
Zahlreiche und wichtige Zerreissungsversuche mit Eisen hat David Kirkaldy (1862) in Glasgow angestellt 5). Er fand dabei, dass eine krystallinische Textur der Bruchfläche stets nur bei plötzlich erfolgtem Bruche eintritt, dagegen eine faserige (sehnige) bei allmäh- lichem Bruch. Deshalb giebt ein krystallinischer Bruch für sich allein keinen Anhalt für schlechte Qualität des Eisens. Wedding giebt dies zwar im allgemeinen zu, ist aber der Ansicht, dass eine merklich krystallinische Bruchfläche so nicht entstehen könne, sondern nur bei Eisen, das schon krystallinisch war, zum Vorschein komme.
Kirkaldy machte sich auch dadurch besonders verdient, dass er die erste öffentliche physikalische Prüfungsstation für Eisen, ein "Festigkeits-Atelier", zu Southwark errichtete und seine Erfahrun- gen in einem grundlegenden Werke 6) zusammenfasste.
Wöhler wies 1866 auf den grossen Einfluss der Form auf die Festigkeit und die nachteilige Wirkung plötzlicher Übergänge der- selben hin. Für den Bruch sei nicht das Maximum der Faserspan- nungen, sondern die Differenz dieser Spannungen massgebend. Bei Eisen darf die Summe der konstanten und zufälligen Spannungen nicht über 1300 kg für den Quadratcentimeter betragen 7). Wöhlers Festigkeitsversuche wurden für Deutschland ebenso massgebend wie die von Kirkaldy in England.
1) London Journ. of Arts, März 1861; Dingler a. a. O. 164, S. 434.
2) Polytechn. Centralblatt 1862, Nr. 9.
3) Siehe Tunners Jahrbuch 1865, S. 106.
4) Siehe Zeitschrift des Österreich. Ing.-Ver. 1864, S. 78 u. 107.
5) Siehe Zeitschrift d. Ver. deutsch. Ingen. 1865, S. 604.
6)Kirkaldy, Results of an experimental inquiry into the comparative tensile strength and other properties of various kinds of wrought iron and steel. 1862.
7) Siehe Ztschr. für Bauwesen, Bd. XVI.
Physik 1861 bis 1870.
Nach Versuchen, welche T. E. Vickers1) 1861 veröffentlichte, nimmt die Festigkeit von Stahl gegen das Zerreiſsen mit dem Kohlen- stoffgehalt von ⅓ bis 1¼ Prozent ab, die gegen das Zerdrücken zu.
Barlow2) machte 1862 die Resultate seiner Festigkeitsversuche von Puddelstahl, Homogeneisen und Stabeisen, welche er im Arsenal zu Woolwich angestellt hatte, bekannt. Weitere Angaben über die Festigkeit englischer Eisensorten veröffentlichte Bell3).
Versuche, die 1864 zu Hörde gemacht wurden, ergaben für Hörder Bessemerstahl ein Zerreiſsungsgewicht von 87 kg auf den Quadrat- millimeter. Für andere Stahlsorten schwankte dieses Gewicht von 75 bis 100 kg. Für Schmiedeeisen betrug es nur etwa die Hälfte, für Roheisen 9 bis 10 kg. — In demselben Jahre wurden die Ergebnisse von Festigkeitsversuchen von Neuberg und Reschitza veröffentlicht 4).
Zahlreiche und wichtige Zerreiſsungsversuche mit Eisen hat David Kirkaldy (1862) in Glasgow angestellt 5). Er fand dabei, daſs eine krystallinische Textur der Bruchfläche stets nur bei plötzlich erfolgtem Bruche eintritt, dagegen eine faserige (sehnige) bei allmäh- lichem Bruch. Deshalb giebt ein krystallinischer Bruch für sich allein keinen Anhalt für schlechte Qualität des Eisens. Wedding giebt dies zwar im allgemeinen zu, ist aber der Ansicht, daſs eine merklich krystallinische Bruchfläche so nicht entstehen könne, sondern nur bei Eisen, das schon krystallinisch war, zum Vorschein komme.
Kirkaldy machte sich auch dadurch besonders verdient, daſs er die erste öffentliche physikalische Prüfungsstation für Eisen, ein „Festigkeits-Atelier“, zu Southwark errichtete und seine Erfahrun- gen in einem grundlegenden Werke 6) zusammenfaſste.
Wöhler wies 1866 auf den groſsen Einfluſs der Form auf die Festigkeit und die nachteilige Wirkung plötzlicher Übergänge der- selben hin. Für den Bruch sei nicht das Maximum der Faserspan- nungen, sondern die Differenz dieser Spannungen maſsgebend. Bei Eisen darf die Summe der konstanten und zufälligen Spannungen nicht über 1300 kg für den Quadratcentimeter betragen 7). Wöhlers Festigkeitsversuche wurden für Deutschland ebenso maſsgebend wie die von Kirkaldy in England.
1) London Journ. of Arts, März 1861; Dingler a. a. O. 164, S. 434.
2) Polytechn. Centralblatt 1862, Nr. 9.
3) Siehe Tunners Jahrbuch 1865, S. 106.
4) Siehe Zeitschrift des Österreich. Ing.-Ver. 1864, S. 78 u. 107.
5) Siehe Zeitschrift d. Ver. deutsch. Ingen. 1865, S. 604.
6)Kirkaldy, Results of an experimental inquiry into the comparative tensile strength and other properties of various kinds of wrought iron and steel. 1862.
7) Siehe Ztschr. für Bauwesen, Bd. XVI.
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Physik 1861 bis 1870.
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nimmt die Festigkeit von Stahl gegen das Zerreiſsen mit dem Kohlen-
stoffgehalt von ⅓ bis 1¼ Prozent ab, die gegen das Zerdrücken zu.
Barlow 2) machte 1862 die Resultate seiner Festigkeitsversuche
von Puddelstahl, Homogeneisen und Stabeisen, welche er im Arsenal
zu Woolwich angestellt hatte, bekannt. Weitere Angaben über die
Festigkeit englischer Eisensorten veröffentlichte Bell 3).
Versuche, die 1864 zu Hörde gemacht wurden, ergaben für Hörder
Bessemerstahl ein Zerreiſsungsgewicht von 87 kg auf den Quadrat-
millimeter. Für andere Stahlsorten schwankte dieses Gewicht von
75 bis 100 kg. Für Schmiedeeisen betrug es nur etwa die Hälfte,
für Roheisen 9 bis 10 kg. — In demselben Jahre wurden die Ergebnisse
von Festigkeitsversuchen von Neuberg und Reschitza veröffentlicht 4).
Zahlreiche und wichtige Zerreiſsungsversuche mit Eisen hat
David Kirkaldy (1862) in Glasgow angestellt 5). Er fand dabei, daſs
eine krystallinische Textur der Bruchfläche stets nur bei plötzlich
erfolgtem Bruche eintritt, dagegen eine faserige (sehnige) bei allmäh-
lichem Bruch. Deshalb giebt ein krystallinischer Bruch für sich allein
keinen Anhalt für schlechte Qualität des Eisens. Wedding giebt
dies zwar im allgemeinen zu, ist aber der Ansicht, daſs eine merklich
krystallinische Bruchfläche so nicht entstehen könne, sondern nur bei
Eisen, das schon krystallinisch war, zum Vorschein komme.
Kirkaldy machte sich auch dadurch besonders verdient, daſs er
die erste öffentliche physikalische Prüfungsstation für Eisen, ein
„Festigkeits-Atelier“, zu Southwark errichtete und seine Erfahrun-
gen in einem grundlegenden Werke 6) zusammenfaſste.
Wöhler wies 1866 auf den groſsen Einfluſs der Form auf die
Festigkeit und die nachteilige Wirkung plötzlicher Übergänge der-
selben hin. Für den Bruch sei nicht das Maximum der Faserspan-
nungen, sondern die Differenz dieser Spannungen maſsgebend. Bei
Eisen darf die Summe der konstanten und zufälligen Spannungen
nicht über 1300 kg für den Quadratcentimeter betragen 7). Wöhlers
Festigkeitsversuche wurden für Deutschland ebenso maſsgebend wie
die von Kirkaldy in England.
1) London Journ. of Arts, März 1861; Dingler a. a. O. 164, S. 434.
2) Polytechn. Centralblatt 1862, Nr. 9.
3) Siehe Tunners Jahrbuch 1865, S. 106.
4) Siehe Zeitschrift des Österreich. Ing.-Ver. 1864, S. 78 u. 107.
5) Siehe Zeitschrift d. Ver. deutsch. Ingen. 1865, S. 604.
6) Kirkaldy, Results of an experimental inquiry into the comparative
tensile strength and other properties of various kinds of wrought iron and steel. 1862.
7) Siehe Ztschr. für Bauwesen, Bd. XVI.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/42>, abgerufen am 25.11.2024.
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