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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903.

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Fortschritte in der Verwendung des Stahls
und gut befunden, aber nicht eingeführt. Belgien rüstete dagegen
1862 seine ganze Artillerie mit Kruppschen Gussstahlkanonen aus
und bezog 184 Sechspfünder, 111 Vierpfünder, 200 Zwölfpfünder und
einen 68-Pfünder. Ebenso bezog Russland in den folgenden Jahren
eine grosse Anzahl Stahlkanonen von Krupp, zunächst 1863
88 achtzöllige und 16 neunzöllige Vorderlader, dann 1864 96 vier-
zöllige Hinterlader mit Keilverschluss, ferner 2 zwölfzöllige, 9 neun-
zöllige, 2 sechszöllige und 115 achtzöllige Kanonen. Ende 1863
entschied man sich endlich auch in Preussen für die definitive Ein-
führung der 8 cm-Gussstahlkanone, wovon zunächst nur eine Batterie
von acht Geschützen gebildet wurde. Diese wurde bei dem kurz
darauf erfolgten Ausbruch des dänischen Krieges der Garde-Infanterie-
Division zugeteilt. Ausser diesen befanden sich bei der preussischen
Armee noch 30 Kruppsche Sechspfünder, so dass von der ganzen
Zahl von 110 Feldgeschützen 38 Gussstahlkanonen waren. Krupps
Geschütze legten im dänischen Feldzuge ihre Feuerprobe ab, und zwar
zuerst am 2. Februar bei Missunde. Die Erfolge waren so augen-
scheinlich, dass bereits am 18. April die Einführung der 8 cm-Kanone
an Stelle der seitherigen Haubitzen beschlossen wurde. Es wurden
300 Stück Rohre bei Krupp bestellt, welche noch wie früher in der
Königlichen Geschützgiesserei in Spandau gezogen und fertiggestellt
wurden. In diesem Jahre wurden auch von Preussen die ersten Marine-
und Küstengeschütze, 72- und 36-Pfünder, bestellt. Hierzu hatte die
erfolglose Beschiessung des dänischen Panzerschiffes Rolf Krake die
Veranlassung gegeben. Die Proben, welche Krupps Gussstahlkanonen
im Ernstkampf abgelegt hatten, wirkten mehr wie alle Ausstellungen.
Von nun an nahm die Kanonenfabrikation auf dem Kruppschen
Werke rasch und in grossartigem Umfange zu. Als aber 1866 der
Krieg gegen Österreich und den deutschen Bund ausbrach, war noch
keineswegs die Neubewaffnung der preussischen Artillerie mit Guss-
stahlkanonen durchgeführt, noch weniger hatten die Mannschaften
genügende Zeit gehabt, um sich mit den neuen Geschützen ein-
zuschiessen. Manche Offiziere mussten mit gezogenen Geschützen aus-
rücken, ohne je mit einem solchen vorher geschossen zu haben. Im
ganzen befanden sich bei den beiden Heeren 520 gezogene und 354
glatte Geschütze. Welche Geschosse für die gezogenen Geschütze die
geeignetsten seien, war noch eine gänzlich unerledigte Frage.

Österreich hatte dagegen nur gezogene Geschütze, welche schon
1861 eingeführt und mit denen die ganze Artillerie seit 1864 bewaffnet
war. Im allgemeinen herrschte noch auf preussischer Seite die irrige

Fortschritte in der Verwendung des Stahls
und gut befunden, aber nicht eingeführt. Belgien rüstete dagegen
1862 seine ganze Artillerie mit Kruppschen Guſsstahlkanonen aus
und bezog 184 Sechspfünder, 111 Vierpfünder, 200 Zwölfpfünder und
einen 68-Pfünder. Ebenso bezog Ruſsland in den folgenden Jahren
eine groſse Anzahl Stahlkanonen von Krupp, zunächst 1863
88 achtzöllige und 16 neunzöllige Vorderlader, dann 1864 96 vier-
zöllige Hinterlader mit Keilverschluſs, ferner 2 zwölfzöllige, 9 neun-
zöllige, 2 sechszöllige und 115 achtzöllige Kanonen. Ende 1863
entschied man sich endlich auch in Preuſsen für die definitive Ein-
führung der 8 cm-Guſsstahlkanone, wovon zunächst nur eine Batterie
von acht Geschützen gebildet wurde. Diese wurde bei dem kurz
darauf erfolgten Ausbruch des dänischen Krieges der Garde-Infanterie-
Division zugeteilt. Auſser diesen befanden sich bei der preuſsischen
Armee noch 30 Kruppsche Sechspfünder, so daſs von der ganzen
Zahl von 110 Feldgeschützen 38 Guſsstahlkanonen waren. Krupps
Geschütze legten im dänischen Feldzuge ihre Feuerprobe ab, und zwar
zuerst am 2. Februar bei Missunde. Die Erfolge waren so augen-
scheinlich, daſs bereits am 18. April die Einführung der 8 cm-Kanone
an Stelle der seitherigen Haubitzen beschlossen wurde. Es wurden
300 Stück Rohre bei Krupp bestellt, welche noch wie früher in der
Königlichen Geschützgieſserei in Spandau gezogen und fertiggestellt
wurden. In diesem Jahre wurden auch von Preuſsen die ersten Marine-
und Küstengeschütze, 72- und 36-Pfünder, bestellt. Hierzu hatte die
erfolglose Beschieſsung des dänischen Panzerschiffes Rolf Krake die
Veranlassung gegeben. Die Proben, welche Krupps Guſsstahlkanonen
im Ernstkampf abgelegt hatten, wirkten mehr wie alle Ausstellungen.
Von nun an nahm die Kanonenfabrikation auf dem Kruppschen
Werke rasch und in groſsartigem Umfange zu. Als aber 1866 der
Krieg gegen Österreich und den deutschen Bund ausbrach, war noch
keineswegs die Neubewaffnung der preuſsischen Artillerie mit Guſs-
stahlkanonen durchgeführt, noch weniger hatten die Mannschaften
genügende Zeit gehabt, um sich mit den neuen Geschützen ein-
zuschieſsen. Manche Offiziere muſsten mit gezogenen Geschützen aus-
rücken, ohne je mit einem solchen vorher geschossen zu haben. Im
ganzen befanden sich bei den beiden Heeren 520 gezogene und 354
glatte Geschütze. Welche Geschosse für die gezogenen Geschütze die
geeignetsten seien, war noch eine gänzlich unerledigte Frage.

Österreich hatte dagegen nur gezogene Geschütze, welche schon
1861 eingeführt und mit denen die ganze Artillerie seit 1864 bewaffnet
war. Im allgemeinen herrschte noch auf preuſsischer Seite die irrige

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[224/0240] Fortschritte in der Verwendung des Stahls und gut befunden, aber nicht eingeführt. Belgien rüstete dagegen 1862 seine ganze Artillerie mit Kruppschen Guſsstahlkanonen aus und bezog 184 Sechspfünder, 111 Vierpfünder, 200 Zwölfpfünder und einen 68-Pfünder. Ebenso bezog Ruſsland in den folgenden Jahren eine groſse Anzahl Stahlkanonen von Krupp, zunächst 1863 88 achtzöllige und 16 neunzöllige Vorderlader, dann 1864 96 vier- zöllige Hinterlader mit Keilverschluſs, ferner 2 zwölfzöllige, 9 neun- zöllige, 2 sechszöllige und 115 achtzöllige Kanonen. Ende 1863 entschied man sich endlich auch in Preuſsen für die definitive Ein- führung der 8 cm-Guſsstahlkanone, wovon zunächst nur eine Batterie von acht Geschützen gebildet wurde. Diese wurde bei dem kurz darauf erfolgten Ausbruch des dänischen Krieges der Garde-Infanterie- Division zugeteilt. Auſser diesen befanden sich bei der preuſsischen Armee noch 30 Kruppsche Sechspfünder, so daſs von der ganzen Zahl von 110 Feldgeschützen 38 Guſsstahlkanonen waren. Krupps Geschütze legten im dänischen Feldzuge ihre Feuerprobe ab, und zwar zuerst am 2. Februar bei Missunde. Die Erfolge waren so augen- scheinlich, daſs bereits am 18. April die Einführung der 8 cm-Kanone an Stelle der seitherigen Haubitzen beschlossen wurde. Es wurden 300 Stück Rohre bei Krupp bestellt, welche noch wie früher in der Königlichen Geschützgieſserei in Spandau gezogen und fertiggestellt wurden. In diesem Jahre wurden auch von Preuſsen die ersten Marine- und Küstengeschütze, 72- und 36-Pfünder, bestellt. Hierzu hatte die erfolglose Beschieſsung des dänischen Panzerschiffes Rolf Krake die Veranlassung gegeben. Die Proben, welche Krupps Guſsstahlkanonen im Ernstkampf abgelegt hatten, wirkten mehr wie alle Ausstellungen. Von nun an nahm die Kanonenfabrikation auf dem Kruppschen Werke rasch und in groſsartigem Umfange zu. Als aber 1866 der Krieg gegen Österreich und den deutschen Bund ausbrach, war noch keineswegs die Neubewaffnung der preuſsischen Artillerie mit Guſs- stahlkanonen durchgeführt, noch weniger hatten die Mannschaften genügende Zeit gehabt, um sich mit den neuen Geschützen ein- zuschieſsen. Manche Offiziere muſsten mit gezogenen Geschützen aus- rücken, ohne je mit einem solchen vorher geschossen zu haben. Im ganzen befanden sich bei den beiden Heeren 520 gezogene und 354 glatte Geschütze. Welche Geschosse für die gezogenen Geschütze die geeignetsten seien, war noch eine gänzlich unerledigte Frage. Österreich hatte dagegen nur gezogene Geschütze, welche schon 1861 eingeführt und mit denen die ganze Artillerie seit 1864 bewaffnet war. Im allgemeinen herrschte noch auf preuſsischer Seite die irrige

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/240>, abgerufen am 20.04.2024.