Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870.
und hatten sich gut bewährt. Dieses belgische System hiess Systeme des hauts fourneaux, usines et charbonages de Sclessin pres Liege 1). Weitere Systeme auf der Pariser Ausstellung waren von G. E. Dering in Lockleys, Welwyn, Le Langlois de Dreux, Paris; J. Vautherin in Fraisans, Griffith & Co., welches auf der London und North- Western-Eisenbahn versuchsweise angewendet wurde, und von Harel & Co.2). 1868 wurde ein von Rochussen in Hörde erfundener Oberbau auf einer längeren Strecke der Braunschweiger Bahn gelegt.
Gussstahl wurde mit Vorliebe für Radbandagen (Tyres) ver- wendet und hatte namentlich Krupp darin eine grossartige Produktion (35 bis 40 Tausend Stück im Jahr). Nachdem festgestellt war, dass die Leistung von Lokomotivrädern und von Eisenbahnwagenrädern aus Gussstahl zu denen aus gepuddeltem Feinkorneisen sich wie 3,8 : 1 und 2,4 : 1 verhielt, erliess das preussische Handelsministerium an alle Staats- und unter Staatsaufsicht stehenden Privatbahnen die Weisung, "dass Gussstahlradreifen für die Folge bei Lokomotiven und Personen- wagen ausschliesslich angewendet werden sollen" 3).
Camel & Co. in Sheffield und das Bochumer Gussstahlwerk stellten die Radkränze aus einem massiv gegossenen Stahlcylinder von 1 1/3 Fuss Durchmesser, der mittels einer eigentümlichen Dreh- und Schneidevorrichtung in gewissen Abständen so tief eingeschnitten wurde, dass man mit Keilen die einzelnen Scheiben abtrennen konnte, her. In diese wurde heiss mit einem stumpfen Stahl ein Loch eingepresst, welches sofort durch Schmieden erweitert wurde, worauf die Räder auf dem von Jackson, Petin und Gaudet4) erfundenen Kopfwalzwerk fertig gewalzt wurden. Die so hergestellten Bandagen sollten dem Auseinanderspringen den dreifachen Wider- stand gegen die aus gegossenen Ringen oder hohlen Cylindern her- gestellten entgegensetzen 5).
Bei der Fabrikation ungeschweisster Tyres aus Puddeleisen oder Puddelstahl wurden ebenfalls Ringpakete gebildet. Bramwell und Owen nahmen am 1. Mai 1861 ein Patent auf ein Verfahren, auch Schienen, Stäbe, Platten, Cylinder, Achsen u. s. w. aus Ringpaketen zu machen. Die betreffenden Gegenstände wurden als Ringe von
1) Beschrieben in Armengauds Gen. industr. April 1867, S. 181.
2) Siehe Dinglers Journ. 185, S. 264.
3) Siehe Wedding, a. a. O. III, S. 832.
4) Siehe Engineering 1870, S. 414; Dinglers polyt. Journ. 200, S. 90.
5) Siehe Knut Styffe, Bericht über die neuesten Fortschritte im Eisen- hüttenwesen etc. 1867, S. 43.
Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870.
und hatten sich gut bewährt. Dieses belgische System hieſs Système des hauts fourneaux, usines et charbonages de Sclessin près Liège 1). Weitere Systeme auf der Pariser Ausstellung waren von G. E. Dering in Lockleys, Welwyn, Le Langlois de Dreux, Paris; J. Vautherin in Fraisans, Griffith & Co., welches auf der London und North- Western-Eisenbahn versuchsweise angewendet wurde, und von Harel & Co.2). 1868 wurde ein von Rochuſsen in Hörde erfundener Oberbau auf einer längeren Strecke der Braunschweiger Bahn gelegt.
Guſsstahl wurde mit Vorliebe für Radbandagen (Tyres) ver- wendet und hatte namentlich Krupp darin eine groſsartige Produktion (35 bis 40 Tausend Stück im Jahr). Nachdem festgestellt war, daſs die Leistung von Lokomotivrädern und von Eisenbahnwagenrädern aus Guſsstahl zu denen aus gepuddeltem Feinkorneisen sich wie 3,8 : 1 und 2,4 : 1 verhielt, erlieſs das preuſsische Handelsministerium an alle Staats- und unter Staatsaufsicht stehenden Privatbahnen die Weisung, „daſs Guſsstahlradreifen für die Folge bei Lokomotiven und Personen- wagen ausschlieſslich angewendet werden sollen“ 3).
Camel & Co. in Sheffield und das Bochumer Guſsstahlwerk stellten die Radkränze aus einem massiv gegossenen Stahlcylinder von 1⅓ Fuſs Durchmesser, der mittels einer eigentümlichen Dreh- und Schneidevorrichtung in gewissen Abständen so tief eingeschnitten wurde, daſs man mit Keilen die einzelnen Scheiben abtrennen konnte, her. In diese wurde heiſs mit einem stumpfen Stahl ein Loch eingepreſst, welches sofort durch Schmieden erweitert wurde, worauf die Räder auf dem von Jackson, Petin und Gaudet4) erfundenen Kopfwalzwerk fertig gewalzt wurden. Die so hergestellten Bandagen sollten dem Auseinanderspringen den dreifachen Wider- stand gegen die aus gegossenen Ringen oder hohlen Cylindern her- gestellten entgegensetzen 5).
Bei der Fabrikation ungeschweiſster Tyres aus Puddeleisen oder Puddelstahl wurden ebenfalls Ringpakete gebildet. Bramwell und Owen nahmen am 1. Mai 1861 ein Patent auf ein Verfahren, auch Schienen, Stäbe, Platten, Cylinder, Achsen u. s. w. aus Ringpaketen zu machen. Die betreffenden Gegenstände wurden als Ringe von
1) Beschrieben in Armengauds Gén. industr. April 1867, S. 181.
2) Siehe Dinglers Journ. 185, S. 264.
3) Siehe Wedding, a. a. O. III, S. 832.
4) Siehe Engineering 1870, S. 414; Dinglers polyt. Journ. 200, S. 90.
5) Siehe Knut Styffe, Bericht über die neuesten Fortschritte im Eisen- hüttenwesen etc. 1867, S. 43.
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Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870.
und hatten sich gut bewährt. Dieses belgische System hieſs Système
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Weitere Systeme auf der Pariser Ausstellung waren von G. E. Dering
in Lockleys, Welwyn, Le Langlois de Dreux, Paris; J. Vautherin
in Fraisans, Griffith & Co., welches auf der London und North-
Western-Eisenbahn versuchsweise angewendet wurde, und von Harel
& Co. 2). 1868 wurde ein von Rochuſsen in Hörde erfundener
Oberbau auf einer längeren Strecke der Braunschweiger Bahn gelegt.
Guſsstahl wurde mit Vorliebe für Radbandagen (Tyres) ver-
wendet und hatte namentlich Krupp darin eine groſsartige Produktion
(35 bis 40 Tausend Stück im Jahr). Nachdem festgestellt war, daſs
die Leistung von Lokomotivrädern und von Eisenbahnwagenrädern aus
Guſsstahl zu denen aus gepuddeltem Feinkorneisen sich wie 3,8 : 1
und 2,4 : 1 verhielt, erlieſs das preuſsische Handelsministerium an alle
Staats- und unter Staatsaufsicht stehenden Privatbahnen die Weisung,
„daſs Guſsstahlradreifen für die Folge bei Lokomotiven und Personen-
wagen ausschlieſslich angewendet werden sollen“ 3).
Camel & Co. in Sheffield und das Bochumer Guſsstahlwerk
stellten die Radkränze aus einem massiv gegossenen Stahlcylinder
von 1⅓ Fuſs Durchmesser, der mittels einer eigentümlichen Dreh-
und Schneidevorrichtung in gewissen Abständen so tief eingeschnitten
wurde, daſs man mit Keilen die einzelnen Scheiben abtrennen
konnte, her. In diese wurde heiſs mit einem stumpfen Stahl ein
Loch eingepreſst, welches sofort durch Schmieden erweitert wurde,
worauf die Räder auf dem von Jackson, Petin und Gaudet 4)
erfundenen Kopfwalzwerk fertig gewalzt wurden. Die so hergestellten
Bandagen sollten dem Auseinanderspringen den dreifachen Wider-
stand gegen die aus gegossenen Ringen oder hohlen Cylindern her-
gestellten entgegensetzen 5).
Bei der Fabrikation ungeschweiſster Tyres aus Puddeleisen oder
Puddelstahl wurden ebenfalls Ringpakete gebildet. Bramwell und
Owen nahmen am 1. Mai 1861 ein Patent auf ein Verfahren, auch
Schienen, Stäbe, Platten, Cylinder, Achsen u. s. w. aus Ringpaketen
zu machen. Die betreffenden Gegenstände wurden als Ringe von
1) Beschrieben in Armengauds Gén. industr. April 1867, S. 181.
2) Siehe Dinglers Journ. 185, S. 264.
3) Siehe Wedding, a. a. O. III, S. 832.
4) Siehe Engineering 1870, S. 414; Dinglers polyt. Journ. 200, S. 90.
5) Siehe Knut Styffe, Bericht über die neuesten Fortschritte im Eisen-
hüttenwesen etc. 1867, S. 43.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/226>, abgerufen am 28.11.2024.
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