werden. -- Gruner hatte 1861 über die Stahlerzeugung durch Cementation mittels Leuchtgas geschrieben 1).
Von der grössten Wichtigkeit für die Gussstahlfabrikation war die Einführung der Gasschmelzöfen in Verbindung mit Siemens Erfindung der Regeneratorfeuerung. Obgleich das Patent von Karl Wilhelm und Friedrich Siemens vom 22. Januar 1861 die Ver- wendung der Öfen zum Stahlschmelzen hervorhebt, und obgleich Karl Wilhelm Siemens von Anfang an gerade dieser Aufgabe sein Hauptinteresse zugewendet hatte und selbst in Sheffield Versuche anstellte, so dauerte es doch mehrere Jahre, bis dieses Feuerungs- system mit Erfolg bei der Gussstahlfabrikation Verwendung fand.
Charles Attwood hatte dagegen 1862 mit Siemens' Unter- stützung das Stahlschmelzen im offenen Herd versucht.
1864 erbauten die Gebrüder Martin, die von Siemens die Licenz erworben hatten, ihren Stahlofen, der sowohl für den Betrieb im offenen Herd als mit Tiegeln eingerichtet war. Sie verwendeten auf Siemens' Veranlassung für das Gewölbe und die dem Feuer unmittelbar ausgesetzten Teile des Ofens gepresste Steine aus Quarz- sand, sogenannte Dinassteine.
Hierauf errichtete Siemens selbst im Jahr 1865 ein Musterstahl- werk, um den Wert seines Regenerativ-Schmelzofens den Eisenhütten- männern vor Augen zu führen. Er baute einen Ofen für 16 Tiegel zur Herstellung besserer Gussstahlsorten. Dieses Vorgehen hatte denn auch den Erfolg, dass Siemens' Öfen in den Tiegel-Stahlwerken Englands rascher Verbreitung fanden, ebenso in Frankreich und Deutschland. Die später gebauten Öfen fassten gewöhnlich 20 bis 24 Tiegel, die in zwei Reihen aufgestellt waren. Die Tiegel wurden durch eine Öffnung im Gewölbe, die durch lose Ziegel geschlossen war, eingesetzt und aus- gehoben. Die Generatorgase und die heisse Luft traten auf den Langseiten gegenüber jedem Tiegelpaar ein. Die Tiegel standen in einer Schicht von gemahlenem Koksstaub. Die Ersparnis an Brenn- material im Vergleich mit den alten Schmelzöfen war sehr bedeutend. Die Kosten für 1 Tonne betrugen 5 d. gegen vordem 75 d.; dabei hielten die Tiegel in den Gasöfen 4 bis 5, bei Verdie in Firminy sogar 8 Schmelzungen aus, bei den alten Öfen dagegen nur 2 bis 3. Ein Ofenfutter hielt jetzt 15 bis 20 Wochen, bei den alten Öfen höchstens 4 bis 5 Wochen 2). Die Chargendauer betrug in Firminy
1) Siehe Comptes rendus, April 1861; Dinglers Journal 160, S. 215.
2) Siehe C. W. Siemens, On the Regenerative Gas Furnace as applied to the Manufacture of Cast Steel. London 1868.
Cement- und Guſsstahlfabrikation 1861 bis 1870.
werden. — Gruner hatte 1861 über die Stahlerzeugung durch Cementation mittels Leuchtgas geschrieben 1).
Von der gröſsten Wichtigkeit für die Guſsstahlfabrikation war die Einführung der Gasschmelzöfen in Verbindung mit Siemens Erfindung der Regeneratorfeuerung. Obgleich das Patent von Karl Wilhelm und Friedrich Siemens vom 22. Januar 1861 die Ver- wendung der Öfen zum Stahlschmelzen hervorhebt, und obgleich Karl Wilhelm Siemens von Anfang an gerade dieser Aufgabe sein Hauptinteresse zugewendet hatte und selbst in Sheffield Versuche anstellte, so dauerte es doch mehrere Jahre, bis dieses Feuerungs- system mit Erfolg bei der Guſsstahlfabrikation Verwendung fand.
Charles Attwood hatte dagegen 1862 mit Siemens’ Unter- stützung das Stahlschmelzen im offenen Herd versucht.
1864 erbauten die Gebrüder Martin, die von Siemens die Licenz erworben hatten, ihren Stahlofen, der sowohl für den Betrieb im offenen Herd als mit Tiegeln eingerichtet war. Sie verwendeten auf Siemens’ Veranlassung für das Gewölbe und die dem Feuer unmittelbar ausgesetzten Teile des Ofens gepreſste Steine aus Quarz- sand, sogenannte Dinassteine.
Hierauf errichtete Siemens selbst im Jahr 1865 ein Musterstahl- werk, um den Wert seines Regenerativ-Schmelzofens den Eisenhütten- männern vor Augen zu führen. Er baute einen Ofen für 16 Tiegel zur Herstellung besserer Guſsstahlsorten. Dieses Vorgehen hatte denn auch den Erfolg, daſs Siemens’ Öfen in den Tiegel-Stahlwerken Englands rascher Verbreitung fanden, ebenso in Frankreich und Deutschland. Die später gebauten Öfen faſsten gewöhnlich 20 bis 24 Tiegel, die in zwei Reihen aufgestellt waren. Die Tiegel wurden durch eine Öffnung im Gewölbe, die durch lose Ziegel geschlossen war, eingesetzt und aus- gehoben. Die Generatorgase und die heiſse Luft traten auf den Langseiten gegenüber jedem Tiegelpaar ein. Die Tiegel standen in einer Schicht von gemahlenem Koksstaub. Die Ersparnis an Brenn- material im Vergleich mit den alten Schmelzöfen war sehr bedeutend. Die Kosten für 1 Tonne betrugen 5 d. gegen vordem 75 d.; dabei hielten die Tiegel in den Gasöfen 4 bis 5, bei Verdié in Firminy sogar 8 Schmelzungen aus, bei den alten Öfen dagegen nur 2 bis 3. Ein Ofenfutter hielt jetzt 15 bis 20 Wochen, bei den alten Öfen höchstens 4 bis 5 Wochen 2). Die Chargendauer betrug in Firminy
1) Siehe Comptes rendus, April 1861; Dinglers Journal 160, S. 215.
2) Siehe C. W. Siemens, On the Regenerative Gas Furnace as applied to the Manufacture of Cast Steel. London 1868.
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[185/0201]
Cement- und Guſsstahlfabrikation 1861 bis 1870.
werden. — Gruner hatte 1861 über die Stahlerzeugung durch
Cementation mittels Leuchtgas geschrieben 1).
Von der gröſsten Wichtigkeit für die Guſsstahlfabrikation war
die Einführung der Gasschmelzöfen in Verbindung mit Siemens
Erfindung der Regeneratorfeuerung. Obgleich das Patent von Karl
Wilhelm und Friedrich Siemens vom 22. Januar 1861 die Ver-
wendung der Öfen zum Stahlschmelzen hervorhebt, und obgleich Karl
Wilhelm Siemens von Anfang an gerade dieser Aufgabe sein
Hauptinteresse zugewendet hatte und selbst in Sheffield Versuche
anstellte, so dauerte es doch mehrere Jahre, bis dieses Feuerungs-
system mit Erfolg bei der Guſsstahlfabrikation Verwendung fand.
Charles Attwood hatte dagegen 1862 mit Siemens’ Unter-
stützung das Stahlschmelzen im offenen Herd versucht.
1864 erbauten die Gebrüder Martin, die von Siemens die
Licenz erworben hatten, ihren Stahlofen, der sowohl für den Betrieb
im offenen Herd als mit Tiegeln eingerichtet war. Sie verwendeten
auf Siemens’ Veranlassung für das Gewölbe und die dem Feuer
unmittelbar ausgesetzten Teile des Ofens gepreſste Steine aus Quarz-
sand, sogenannte Dinassteine.
Hierauf errichtete Siemens selbst im Jahr 1865 ein Musterstahl-
werk, um den Wert seines Regenerativ-Schmelzofens den Eisenhütten-
männern vor Augen zu führen. Er baute einen Ofen für 16 Tiegel zur
Herstellung besserer Guſsstahlsorten. Dieses Vorgehen hatte denn auch
den Erfolg, daſs Siemens’ Öfen in den Tiegel-Stahlwerken Englands
rascher Verbreitung fanden, ebenso in Frankreich und Deutschland. Die
später gebauten Öfen faſsten gewöhnlich 20 bis 24 Tiegel, die in zwei
Reihen aufgestellt waren. Die Tiegel wurden durch eine Öffnung im
Gewölbe, die durch lose Ziegel geschlossen war, eingesetzt und aus-
gehoben. Die Generatorgase und die heiſse Luft traten auf den
Langseiten gegenüber jedem Tiegelpaar ein. Die Tiegel standen in
einer Schicht von gemahlenem Koksstaub. Die Ersparnis an Brenn-
material im Vergleich mit den alten Schmelzöfen war sehr bedeutend.
Die Kosten für 1 Tonne betrugen 5 d. gegen vordem 75 d.; dabei
hielten die Tiegel in den Gasöfen 4 bis 5, bei Verdié in Firminy
sogar 8 Schmelzungen aus, bei den alten Öfen dagegen nur 2 bis 3.
Ein Ofenfutter hielt jetzt 15 bis 20 Wochen, bei den alten Öfen
höchstens 4 bis 5 Wochen 2). Die Chargendauer betrug in Firminy
1) Siehe Comptes rendus, April 1861; Dinglers Journal 160, S. 215.
2) Siehe C. W. Siemens, On the Regenerative Gas Furnace as applied to
the Manufacture of Cast Steel. London 1868.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/201>, abgerufen am 24.11.2024.
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