enthalten, nur die erfolgreiche Verwendung von Siemens' Regenerativ- feuerung bei dem Schmelzprozess war neu und hat den Namen Martin berühmt gemacht. Hier war die Erfindung wirklich der Abschluss von etwas Gesuchtem.
Den Erfolg verdankten die Gebrüder Martin der Anwen- dung von Siemens' Regenerativfeuerung 1). Karl Wilhelm Siemens hatte schon seit der Erfindung dieser neuen Feuerung durch seinen Bruder Friedrich im Jahre 1856 Versuche gemacht, dieselbe zur Heizung der Flammöfen in der Eisenindustrie zu ver- wenden, und hierfür bereits am 11. Mai 1857 ein Patent genommen. Der Gedanke, die durch diese Feuerung erzeugte Hitze zur Schmelzung des Stahls im offenen Herd zu verwenden, war ihm bald darauf gekommen und er hatte deshalb gemeinschaftlich mit seinem Bruder Friedrich am 22. Januar 1861 ein neues Patent (Nr. 167) genommen. 1861 machte er Abraham Darby von Ebbw-Vale den Vorschlag, Versuche damit zu machen. Dann suchte er im folgenden Jahre Charles Atwood von Towlaw in Durham für die Idee zu gewinnen, was ihm auch gelang, doch entsprach der Erfolg nicht den Erwartun- gen, und Atwood sah deshalb von dem Schmelzverfahren im offenen Herd ab. Grösseres Entgegenkommen als in England fand Siemens in Frankreich, wo besonders der Generalinspektor der Bergwerke Le Chatelier, der das Stahlpuddeln auf Bauxitherden eingeführt hatte, sich lebhaft für das Verfahren interessierte, welches auf seine Veranlassung von den Herren Boigues, Rambourg & Co. in Montlucon ausgeführt wurde. Unter der Leitung von Dr. Otto Siemens, Wilhelms Bruder, wurde auch guter Stahl im Flamm- ofen erzeugt; als aber nach kurzer Zeit das Gewölbe zusammenschmolz, verloren die französischen Fabrikanten den Mut. C. Wilhelm Siemens legte darauf in Birmingham selbst eine Stahlhütte an, die er "Sample Steel Works" nannte, um weitere Versuche zu machen. 1863 waren die Brüder Martin zu Sireuil von Siemens auf die Versuche zu Montlucon aufmerksam gemacht worden, und da sie sich dafür interessierten, schickte ihnen Siemens noch in demselben Jahre eine Zeichnung, wonach sie ihren Ofen bauten. Der Anteil von C. W. Siemens2) an der Erfindung der Gebr. Martin ist so gross, dass man das Verfahren des Stahlschmelzens im offenen Herd mit Recht als Siemens-Martin-Prozess bezeichnet und nur aus
1) Siehe Berg- und Hüttenm. Ztg. 1878, S. 337 und C. William Siemens, Correspondance entre Martin et C. W. Siemens.
2) Vergl. Jeans, Steel, p. 89.
Flammofenstahlschmelzen.
enthalten, nur die erfolgreiche Verwendung von Siemens’ Regenerativ- feuerung bei dem Schmelzprozeſs war neu und hat den Namen Martin berühmt gemacht. Hier war die Erfindung wirklich der Abschluſs von etwas Gesuchtem.
Den Erfolg verdankten die Gebrüder Martin der Anwen- dung von Siemens’ Regenerativfeuerung 1). Karl Wilhelm Siemens hatte schon seit der Erfindung dieser neuen Feuerung durch seinen Bruder Friedrich im Jahre 1856 Versuche gemacht, dieselbe zur Heizung der Flammöfen in der Eisenindustrie zu ver- wenden, und hierfür bereits am 11. Mai 1857 ein Patent genommen. Der Gedanke, die durch diese Feuerung erzeugte Hitze zur Schmelzung des Stahls im offenen Herd zu verwenden, war ihm bald darauf gekommen und er hatte deshalb gemeinschaftlich mit seinem Bruder Friedrich am 22. Januar 1861 ein neues Patent (Nr. 167) genommen. 1861 machte er Abraham Darby von Ebbw-Vale den Vorschlag, Versuche damit zu machen. Dann suchte er im folgenden Jahre Charles Atwood von Towlaw in Durham für die Idee zu gewinnen, was ihm auch gelang, doch entsprach der Erfolg nicht den Erwartun- gen, und Atwood sah deshalb von dem Schmelzverfahren im offenen Herd ab. Gröſseres Entgegenkommen als in England fand Siemens in Frankreich, wo besonders der Generalinspektor der Bergwerke Le Chatelier, der das Stahlpuddeln auf Bauxitherden eingeführt hatte, sich lebhaft für das Verfahren interessierte, welches auf seine Veranlassung von den Herren Boigues, Rambourg & Co. in Montluçon ausgeführt wurde. Unter der Leitung von Dr. Otto Siemens, Wilhelms Bruder, wurde auch guter Stahl im Flamm- ofen erzeugt; als aber nach kurzer Zeit das Gewölbe zusammenschmolz, verloren die französischen Fabrikanten den Mut. C. Wilhelm Siemens legte darauf in Birmingham selbst eine Stahlhütte an, die er „Sample Steel Works“ nannte, um weitere Versuche zu machen. 1863 waren die Brüder Martin zu Sireuil von Siemens auf die Versuche zu Montluçon aufmerksam gemacht worden, und da sie sich dafür interessierten, schickte ihnen Siemens noch in demselben Jahre eine Zeichnung, wonach sie ihren Ofen bauten. Der Anteil von C. W. Siemens2) an der Erfindung der Gebr. Martin ist so groſs, daſs man das Verfahren des Stahlschmelzens im offenen Herd mit Recht als Siemens-Martin-Prozeſs bezeichnet und nur aus
1) Siehe Berg- und Hüttenm. Ztg. 1878, S. 337 und C. William Siemens, Correspondance entre Martin et C. W. Siemens.
2) Vergl. Jeans, Steel, p. 89.
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[173/0189]
Flammofenstahlschmelzen.
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feuerung bei dem Schmelzprozeſs war neu und hat den Namen Martin
berühmt gemacht. Hier war die Erfindung wirklich der Abschluſs
von etwas Gesuchtem.
Den Erfolg verdankten die Gebrüder Martin der Anwen-
dung von Siemens’ Regenerativfeuerung 1). Karl Wilhelm
Siemens hatte schon seit der Erfindung dieser neuen Feuerung
durch seinen Bruder Friedrich im Jahre 1856 Versuche gemacht,
dieselbe zur Heizung der Flammöfen in der Eisenindustrie zu ver-
wenden, und hierfür bereits am 11. Mai 1857 ein Patent genommen.
Der Gedanke, die durch diese Feuerung erzeugte Hitze zur Schmelzung
des Stahls im offenen Herd zu verwenden, war ihm bald darauf
gekommen und er hatte deshalb gemeinschaftlich mit seinem Bruder
Friedrich am 22. Januar 1861 ein neues Patent (Nr. 167) genommen.
1861 machte er Abraham Darby von Ebbw-Vale den Vorschlag,
Versuche damit zu machen. Dann suchte er im folgenden Jahre
Charles Atwood von Towlaw in Durham für die Idee zu gewinnen,
was ihm auch gelang, doch entsprach der Erfolg nicht den Erwartun-
gen, und Atwood sah deshalb von dem Schmelzverfahren im offenen
Herd ab. Gröſseres Entgegenkommen als in England fand Siemens
in Frankreich, wo besonders der Generalinspektor der Bergwerke
Le Chatelier, der das Stahlpuddeln auf Bauxitherden eingeführt
hatte, sich lebhaft für das Verfahren interessierte, welches auf seine
Veranlassung von den Herren Boigues, Rambourg & Co. in
Montluçon ausgeführt wurde. Unter der Leitung von Dr. Otto
Siemens, Wilhelms Bruder, wurde auch guter Stahl im Flamm-
ofen erzeugt; als aber nach kurzer Zeit das Gewölbe zusammenschmolz,
verloren die französischen Fabrikanten den Mut. C. Wilhelm
Siemens legte darauf in Birmingham selbst eine Stahlhütte an,
die er „Sample Steel Works“ nannte, um weitere Versuche zu
machen. 1863 waren die Brüder Martin zu Sireuil von Siemens
auf die Versuche zu Montluçon aufmerksam gemacht worden, und
da sie sich dafür interessierten, schickte ihnen Siemens noch in
demselben Jahre eine Zeichnung, wonach sie ihren Ofen bauten. Der
Anteil von C. W. Siemens 2) an der Erfindung der Gebr. Martin
ist so groſs, daſs man das Verfahren des Stahlschmelzens im offenen
Herd mit Recht als Siemens-Martin-Prozeſs bezeichnet und nur aus
1) Siehe Berg- und Hüttenm. Ztg. 1878, S. 337 und C. William Siemens,
Correspondance entre Martin et C. W. Siemens.
2) Vergl. Jeans, Steel, p. 89.
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/189>, abgerufen am 25.11.2024.
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